NSU-Ausschuss vernimmt Zielfahnder: Kommissar Ahnungslos erzählt
Ein Kriminalbeamter aus Thüringen räumt vor dem NSU-Untersuchungsausschuss ein: Er hatte keine Ahnung von den Strukturen der rechtsextremen Szene.
BERLIN taz | Sven Wunderlich und seine Kollegen von der Zielfahndung des Thüringer LKA hatten den Ruf einer Elitetruppe. In 95 Prozent der Fälle, so beschrieb es der 48-jährige Kriminalbeamte am Donnerstag im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, hätten sie die Flüchtigen geschnappt, oft auch im Ausland. Doch ausgerechnet den Neonazis der späteren Terrorgruppe NSU gelang es 1998 abzutauchen und sich mehr als ein Jahrzehnt im Nachbarland Sachsen zu verstecken.
Zielfahnder Wunderlich wirft dem Landes-Verfassungsschutz vor, seinem Team bei der Suche wichtige Informationen vorenthalten zu haben. Ihn hätten brisante Geheimdienstmeldungen nie erreicht, wonach das Trio sich bewaffnen und Überfälle begehen könnte. Das, so Wunderlich am Donnerstag, habe auch das Leben von Polizisten gefährdet. Denn mit diesem Wissen hätte man bei der Suche auf jeden Fall ein Sondereinsatzkommando hinzuziehen müssen.
Doch ganz auf den Geheimdienst die Schuld abwälzen kann der Zielfahnder nicht. Vielmehr zeigte seine Zeugenaussage, wie chaotisch das LKA an die Sache heranging. So musste Wunderlich zugeben, dass er überhaupt keine Ahnung von den Strukturen der rechtsextremen Szene in Thüringen gehabt habe. Die Bitte, das Team um Experten aufzustocken, sei abgelehnt worden.
Einer der wohl größten Fehler der Polizei dürfte gewesen sein, dass sie eine Adressliste von Uwe Mundlos ignorierte, die 1998 bei der Durchsuchung einer Garage gefunden wurde. Mehrere spätere NSU-Helfer standen darauf. Zehn Einträge hätten die Fahnder nach Chemnitz geführt, wo das Neonazitrio zwei Jahre im Untergrund verbrachte.
Die Thüringer Polizei hatte diese Liste in der Asservatenkammer – Zielfahnder Wunderlich hat sie nach eigener Aussage nie gesehen. „Ich kann mir das nicht erklären“, sagte Wunderlich am Donnerstag im NSU-Untersuchungsausschuss.
Klar wurde aber auch: Die Zielfahnder haben den Fall der drei 1998 untergetauchten Neonazis nicht als vordringlich behandelt, obwohl diese in ihrer Garage eine Bombenwerkstatt eingerichtet hatten. „Wir dachten, da machen ein paar junge Leute Blödsinn in einer Garage“, sagte Wunderlich.
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