Milliardenhilfe für Griechenland: Banken sollen helfen, Athen zu retten
Das Hilfspaket für Griechenland umfasst 109 Milliarden Euro. Erstmals sind Banken und Versicherungen beteiligt. Merkel sprach von einer wichtigen Etappe, ein Befreiungsschlag jedoch sei es nicht.
BRÜSSEL dpa/rtr | Nach einem monatelangen Tauziehen haben sich die Euroländer und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf ein neues Hilfspaket für Griechenland von 109 Milliarden Euro geeinigt. Banken und Versicherungen werden einen zusätzlichen Beitrag von 37 Milliarden Euro leisten, der aber noch steigen kann. Das beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Donnerstagabend in Brüssel bei einem Krisengipfel.
Die Staatenlenker beschlossen zudem weitere Schritte zur Stabilisierung der Euro-Währung, um einen Flächenbrand zu verhindern. "Die Probleme konnten nur auf höchster Ebene gelöst werden", sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy. "Wir mussten rasch handeln."
Für Griechenland summieren sich die seit dem vorigen Jahr eingeräumten internationalen Hilfen nun auf insgesamt knapp 260 Milliarden Euro. "Die Last für Griechenland wird nun leichter", resümierte der Premierminister des krisengeschüttelten Land, Giorgos Papandreou.
Sein Land bekommt auch eine Art Marshall-Plan zur Wirtschaftsankurbelung. Der sozialistische Politiker zog in den vergangenen Monaten seinen Sparkurs gegen starke Widerstände im Parlament und in der Bevölkerung durch.
"Handlungsfähigkeit bewiesen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Wir haben heute eine wichtige Etappe erreicht." Die Euro-Zone habe Handlungsfähigkeit bewiesen. "Wir sind diesen Herausforderungen gewachsen." Dennoch sei dies "kein Befreiungsschlag", weil Griechenland noch einen langen Prozess vor sich habe
Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte mit Blick auf die Bankenbeteiligung: "Das machen wir nur für Griechenland, wir werden es für kein anderes Land der Euro-Zone machen. Wir sagen klar und deutlich, dies ist ein Sonderfall." Sarkozy, Merkel und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hatten sich am Mittwoch in Berlin auf Grundlinien des Kompromisses verständigt.
Laut Abschlusserklärung des Gipfels kann die Beteiligung des Privatsektors auf bis zu 50 Milliarden Euro steigen. Für den Zeitraum bis 2019, also bis weit nach Ablauf des Programms, werde der Anteil der Banken und Versicherungen etwa 106 Milliarden Euro erreichen.
Banken und Versicherungen sehen ihren freiwilligen Beitrag an dem neuen Hilfspaket für Griechenland als Opfer. "Ja, das trifft uns hart", sagte Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann am Donnerstagabend am Rande des Euro-Krisengipfels in Brüssel in einem Interview des ZDF. Ackermann hatte als Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF an dem Treffen teilgenommen. Die Abschreibungen, die die Banken auf griechische Positionen vornehmen, belaufen sich nach seinen Worten auf 21 Prozent.
Tabubruch
Griechenland war bereits 2010 mit internationalen Kreditzusagen von 110 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt worden. Davon stehen noch 45 Milliarden Euro aus. Dieses Paket reicht aber nicht mehr aus. Inzwischen hängen auch Portugal und Irland am internationalen Finanztropf; Italien und Spanien gelten als potenzielle Kandidaten.
Zur Griechenland-Rettung brechen die Staaten ein Tabu: Sie akzeptieren den vorübergehenden Zahlungsausfall Griechenlands. Denn die Einbeziehung privater Gläubiger würde dazu führen, dass die Ratingagenturen Griechenland für "teilweise zahlungsunfähig" erklären würden.
Insbesondere die EZB hatte sich lange dagegen gewehrt, weil sie Turbulenzen an den Finanzmärkten fürchtet. Trichet sagte: "Wir werden sehen, was passiert." Die Spitzen der Eurozone hätten vorgesorgt: Für mögliche Finanzspritzen an griechische Banken stünden 20 Milliarden Euro bereit, für die Refinanzierung im Falle eines Zahlungsausfalls sei eine Absicherung von 35 Milliarden Euro vorgesehen. Die EZB nimmt bisher griechische Anleihen von Banken als Sicherheit an - ausgefallene Papiere kann sie aber nicht akzeptieren.
Die "Chefs" beschlossen auch, den europäischen Krisenfonds für finanzschwache Eurostaaten (EFSF) auszubauen - aber nicht aufzustocken. Die Finanzfeuerwehr soll schon vorbeugend Geld bereitstellen, falls Euro-Länder in Gefahr geraten. Frankreichs Präsident Sarkozy sagte, der EFSF werde zu einem "Europäischen Währungsfonds" ausgebaut. "Man kann einen Vergleich zum Internationalen Währungsfonds ziehen, aber es sind zwei unterschiedliche Dinge", sagte Merkel. Wie der IWF soll der EFSF Euro-Ländern vorsorglich eine Kreditlinie eröffnen können, die sie bei Bedarf nutzen können. Zudem soll er den Bankensektor eines Landes indirekt durch Kredite an die betroffene Regierung stützen können. Der EFSF soll zudem Staatsanleihen nach ihrer Ausgabe am Kapitalmarkt aufkaufen können, so wie bisher schon die EZB. Voraussetzung dafür ist die Feststellung besonderer Umstände durch die EZB und ein einstimmiger Beschluss der Finanzminister der Euro-Zone. Die Änderungen sollen auch für den dauerhaften Rettungsfonds ESM gelten, der den EFSF 2013 ablöst.
Zinsen sinken
Über Beteiligung privater Gläubiger war lange gestritten worden, vor allem Deutschland, die Niederlande und Finnland pochten darauf. Dies wird nun auf freiwilliger Basis erfolgen. Eine Möglichkeit ist der Umtausch von griechischen Anleihen in neue Bonds mit längeren Laufzeiten.
Damit Griechenland seine Kredite leichter zurückzahlen kann, sinken wohl die Zinsen, und die Laufzeiten werden verlängert. Das von der Pleite bedrohte Griechenland werde vom Krisenfonds EFSF mit frischem Geld zu niedrigen Zinsen versorgt werden. Der Zinssatz soll sich auf rund 3,5 Prozent belaufen. Die Laufzeiten der Kredite sollen von bisher siebeneinhalb auf mindestens 15 Jahre und bis zu 30 Jahre gestreckt werden.
Auch für Portugal und Irland, die ebenfalls von milliardenschweren Hilfsprogramm der Partner profitieren, sollen die Zinsen sinken. Der EFSF wird somit zum Ankauf von Staatsanleihen genutzt - aber nur unter strikten Bedingungen. Dies war von deutscher Seite bislang kritisch gesehen worden.
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