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MeinVZ und Wer-kennt-wenErfolg der deutschen Netze

Alle Welt spricht von MySpace oder Facebook - dabei sind in Deutschland regionale Social Networks besonders gefragt. Die beliebtesten Anbieter stammen von heimischen Medienriesen.

Social Networks: US-Anbieter tun sich auf dem deutschen Markt schwer. Bild: dpa

Als Bertelsmann-Boss Hartmut Ostrowski kürzlich in einem Interview zu seinen Ängsten vor der Übermacht großer amerikanischer Online-Konzerne befragt wurde, konnte er zumindest in Sachen Social Networks nur müde lächeln: Mit "Wer-kennt-wen.de" besitze der Gütersloher Medienriese über seine Tochter RTL Interactive doch bereits einen der führenden Anbieter hier zu Lande, da fehle nichts.

Tatsächlich galt in Deutschland bislang allgemein, das vor allem die eingedeutschten Internet-Angebote großer US-Firmen die Marktführer abgaben. Google ist mit 90 Prozent Nutzerabdeckung mit weitem Abstand die größte Suchmaschine, eBay stellt seit Jahren die populärste Online-Auktion und in Sachen Internet-Telefonie gilt Skype als führend.

Im so genannten Mitmachnetz, dem Web 2.0, sieht es zum Teil aber zur Freude von Ostrowski und anderen Verlagsmanagern ganz anders aus. Deutsche Anbieter engagierten sich hier frühzeitig mit lokal abgestimmten Diensten in Form von wendigen Start-ups. Die beliebtesten davon sind inzwischen Teil großer Medienkonzerne, neben Bertelsmann ist das vor allem die Stuttgarter Verlagsgruppe Holtzbrinck, die in den letzten Jahren Millionen investierte.

Nicht, dass die US-Anbieter langsam wachsen würden. So steigerte insbesondere Facebook seit der Verfügbarmachung einer offiziellen deutschen Version vor gut einem Jahr seine Nutzerzahlen deutlich - von Ende 2007 bis 2009 sollen sie sich fast vervierfacht haben. Doch es ist nach wie vor eine Aufholjagd: Die zwei Millionen Nutzer, die Facebook im Januar laut Angaben des Branchendienstes "Meedia" versammelt hat, liegen noch hinter den 2,8 Millionen, die der kleinste der Holtzbrinckschen "VZ"-Dienste, "MeinVZ", derzeit haben soll.

Auch im Lokalen sind deutsche Anbieter die Größten. In Baden-Württemberg hat die seit 2001 existierende Kwick Community GmbH & Co. KG laut eigenen Angaben eine Million Mitglieder. Die Firma wandelte sich vom Flirtportal zur allgemeinen Community und beschäftigt inzwischen rund 40 Angestellte. Als der Amoklauf in Winnenden das Ländle in Atem hielt, diskutierten dementsprechend die meisten Nutzer auf solchen lokalen Plattformen, nicht auf MySpace & Co.

Auch Filmangebote wie "Sevenload" oder "MyVideo" halten gegenüber der US-Konkurrenz wie Googles YouTube noch ordentlich mit. So hatte die ProSieben-Tochter MyVideo laut letzter Statistik der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung über sieben Millionen Nutzer im Monat und war damit auf Platz 6 der Top 20 der meistbesuchten deutschen Angebote. (YouTube weist derzeit keine gesonderten Deutschland-Zahlen aus.)

Grund für den Erfolg deutscher Web 2.0-Angebote ist deren Anpassung an den lokalen Markt. Als "StudiVZ" als erstes der VZ-Netze startete, gab es das große Vorbild Facebook (das zwischenzeitlich Holtzbrinck sogar wegen Urheberrechtsverletzung verklagte, zu sehr ähnelten sich beide Angebote) schlicht hier zu Lande noch nicht. Viele Nutzer kamen mit Social Networks deshalb zuallererst über deutschsprachige Dienste in Berührung.

Allerdings ist unklar, ob die Marktführerschaft auf Dauer in vielen Kategorien bestehen bleibt. Der neueste Mitmachnetz-Trend, der Kommunikationsdienst Twitter, ist zwar ebenfalls noch nicht offiziell eingedeutscht, lässt sich aber auch problemlos in deutscher Sprache befüllen. So genannte Me-toos, also deutsche Neugründungen, die sich stark an Twitter anlehnten, aber auf den hiesigen Markt setzten, kamen sehr schnell auf - jedoch konnte sich bislang keine davon durchsetzen, einige wurden sogar inzwischen ganz eingestellt.

Auch sind US-Anbieter häufig daran interessiert, durch Übernahmen in lukrative Märkte vorzudringen. So kamen immer wieder Gerüchte auf, dass Facebook am Aufkauf der VZ-Netze von Holtzbrinck interessiert sei - so würde man mit einem Schlag seine Nutzerzahlen deutlich erhöhen. eBay Deutschland wiederum entstand 1999 durch die Übernahme des hiesigen Online-Auktionshauses Alando für einen zweistelligen Millionenbetrag, das ursprünglich als Me-too gegründet worden war.

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