Meerestiere und Lärm: Lebensgefährlicher Schall
Der Schall beim Bau von Offshore-Windanlagen kann Meeressäuger schwer verletzen. Wenn das Gehör geschädigt ist, verlieren sie die Orientierung und verenden.
BERLIn taz | Die Energie der Schallwellen im Wasser schädigt Fische, Wale, Robben und andere Lebewesen. Die Arterien reißen, die Tiere haben innere Blutungen, Teile der Flanken reißen aus, sie verlieren ihr Gehör.
Für Schweinswale ist Taubheit tödlich: Sie orientieren sich in den dunklen Gewässern über das Gehör. Schweinswale machen ständig Klicklaute, nehmen das Echo über den Unterkiefer auf und verarbeiten es über das Ohr zu Informationen: Da schwimmt Beute, da ist ein Hindernis, da ein Partner. Hörgeschädigte oder taube Schweinswale haben daher sehr schlechte Überlebenschancen.
„Tödlich wird es für Jungtiere“, sagt Karsten Brensing von der Whale and Dolphin Conservation Society. Die Muttertiere müssen, um Beute zu jagen, ihre Jungen allein lassen. Mit Klicks und der Echolokation finden hörende Schweinswale ihre Jungtiere wieder. „Wenn der Mechanismus gestört ist, hat das Jungtier keine Chance“.
Hunderte tote Tiere
„In diesem Sommer wurden mehr tote Schweinswale gefunden als im letzten Jahr“, sagt Tierärztin Henrike Seibel vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Uni Hannover. Allein an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins wurden 132 tote Schweinswale gefunden, an der Ostseeküste des Landes 61 tote Tiere. Zwischen Mai und Oktober 2011 wurden in Schleswig-Holstein 99 tote Schweinswale an der Nordsee und 55 tote Schweinswale an der Ostsee gemeldet. Dabei leben in der zentralen Ostsee nach Schätzungen nur mehr 300 bis 400 der Tiere.
„Ich kann nicht beweisen, dass ein Schweinswal im Moment des Todes taub war und deswegen gestorben ist“, sagt Meeresbiologe Stefan Bräger vom Deutschen Meeresmuseum. Allerdings wird das auch nicht untersucht, da die Ohren der Schweinswale direkt nach dem Tod seziert werden müssten, andernfalls zerfallen die Zellen im Innenohr so schnell, dass Wissenschaftler nichts mehr erkennen.
Dennoch hat Henrike Seibel in einer 2010 abgeschlossenen Studie mit 42 Ohren von 21 frisch gestorbenen Tieren herausgefunden, dass rund 70 Prozent der untersuchten Schweinswale Verletzungen in den Ohren hatten. Überraschend war, dass selbst jüngere Tiere schon an einer Altersschwerhörigkeit litten. Und dass bis auf wenige sehr junge, unerfahrene Schweinswale, fast alle Tiere, die sich in den Stellnetzen der Fischer verheddert hatten, hörgeschädigt waren. „Die Tiere im Beifang haben fast alle Probleme in den Ohren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren