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Kronzeugenregelung für RechtsterroristinZehn Morde sind zu viel

Der Generalbundesanwalt bezweifelt den Sinn einer Kronzeugenregelung für die mutmaßliche Terroristin Zschäpe. Bei zehn Morden müsse man einen Strafnachlass genau bedenken.

Beate Zschäpe (unter Decke) auf dem Weg zur Richtervorführung. Bild: dapd

BERLIN dpa | Generalbundesanwalt Harald Range steht einer Kronzeugenregelung für die inhaftierte mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe skeptisch gegenüber. "In diesem Fall - bei zehn Morden - müsste man sehr genau prüfen, inwieweit ein Strafnachlass überhaupt möglich sein könnte", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Zschäpe sei vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf die Kronzeugenregelung hingewiesen worden, also auf die Möglichkeit eines Strafnachlasses im Fall einer Aussage, die ganz erheblich zur Aufdeckung oder Verhinderung schwerer Straftaten beitrage. "Die Frage stellt sich aber erst am Ende eines Verfahrens und gehört bisher nicht zu meinen Überlegungen", sagte Range.

Zschäpe gehört zum Zwickauer Neonazi-Trio, das für zehn Morde verantwortlich gemacht wird. Die beiden anderen Mitglieder der Terrorzelle, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, sind tot, Zschäpe sitzt in Untersuchungshaft.

Die Morde an neun Kleinunternehmern mit türkischen und griechischen Wurzeln sowie an einer deutschen Polizistin haben auch die Debatte über ein neues NPD-Verbotsverfahren neu belebt.

Innenminister wollen Skeptiker überzeugen

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) rechnet hierfür mit einer breiten Mehrheit bei der Innenministerkonferenz an diesem Donnerstag und Freitag in Wiesbaden. "Ich glaube, dass die ganz überwiegende Zahl der Innenminister ein Signal dafür setzen wird, damit ihre Regierungen ein Verfahren auf den Weg bringen", sagte Lewentz. Bei der Konferenz müsse es aber das Ziel sein, bei den Ländern ein 16:0 zu erreichen.

Mit Blick auf Skeptiker wie den amtierenden Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, den Hessen Boris Rhein (CDU), betonte Lewentz: "Wir müssen ihn überzeugen. Ich würde mich sehr wundern, wenn er andere Erkenntnisse als zum Beispiel Bayern, Rheinland-Pfalz oder Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hätte, oder wenn er sagen würde, die hessische NPD sei nicht verfassungsfeindlich."

Die Skeptiker befürchten nach dem ersten gescheiterten Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei 2003, dass auch ein zweiter Vorstoß beim Bundesverfassungsgericht erfolglos bleiben könnte.

Auch Berlins neuer Innensenator Frank Henkel (CDU) setzt sich für ein NPD-Verbot ein. "Ich gehe davon aus, dass die Innenminister den Kampf gegen den rechtsextremen Sumpf intensivieren und sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen", sagte er in Berlin. Von der Innenministerkonferenz müsse ein deutliches Signal ausgehen.

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10 Kommentare

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  • P
    PeterWolf

    Frau Z. für lange Zeit in den Knast zu bringen,ist juristisch ziemlich einfach, da ihr eine Mitwisserschaft und Mittäterschaft an einer terroristischen Vereinigung (>2 Personen) nachzuweisen ist.

    "hat von nichts gewußt und konnte auch keine Zweifel erlangen" wird als Argumentation angesichts der Lebensumstände sicher nicht als glaubhaft anerkannt.

     

    Ob sie von den Psychiatern als schuldfähig beurteilt wird, ist wieder eine andere Frage.

     

    Wahrscheinlich kann amn in diesem Fall glücklich sein, dass diese "Menschen" keine Kinder haben.

  • KB
    Karin Bryant

    1 oder 10 Morde, es sollten keine Deals mit Leuten gemacht werden die ihre Mitmenschen töten ! leider ist die deutsche Justiz nicht in der Lage Mörder ,Totschläger und aehnliches Gesochs entsprechend zu Bestrafen. In HH bekam ein Totschläger lediglich 2 Jahre Bewährungsstrafe....ein Ungerecht dass zum Himmel schreit !

  • W
    Webmarxist

    Sie wusste von den Zehn Morden, die sind zehn zu viel. Sie hätte sie auch verhindern können, hat aber nichts getan,denn Sie hing zu sehr in den braunen Sumpf drínne.

     

    Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

  • J
    Jörn

    "Kuschelkurs" ist noch zu harmlos ausgedrückt. Wir brauchen weder den Verfassungsschutz noch neue Überwachungsmassnahmen. Wären die Terroristen nicht tatkräftig vom Verfassungsschutz unterstützt worden, so wären sie schon lange verhaftet gewesen.

    Wenn man die Neonazis alle als V-Männer engagiert, dann bekämpft man den Rechtsterrorismus nicht, sondern unterstützt ihn - nicht nur durch die Honorare sondern durch falsche Identitäten und effektive Immunität vor Strafverfolgung. Dieser Rechtsterrorismus ist daher eher ein Terrorismus des Verfassungsschutzes. Das Bundesverfassungsgericht hatte Recht damit, dass daher nicht die NPD verboten hätte werden müssen. Allerdings zog es nicht die Konsequenz und verbot den Verfassungsschutz.

  • S
    suswe

    Jetzt rächt sich die Ignoranz gegenüber dem Naziproblem. Wenn der Staat jetzt nicht gegen Nazis so durchgreift wie gegen die RAF, ist er bald nur noch Hampelmann. Ist das etwa gewollt?

  • M
    menschenfreund

    Zehn Morde sind zuviel...

    Frage: Bei wieviel Morden wäre es denn genehm?

    Verdammt noch mal. Wir unterhalten für unüberschaubar viel Geld Institutionen, die vorgeblich "Sicherheit" produzieren sollen. Sie sind allem Anschein nach nicht in der Lage, das fäkalbraune Gesindel und andere "liebenswerte" Zeitgenossen/innen in den Griff zu bekommen. Dämliche und noch dämlicher positionierte "V"-Leute tun ein Übriges. Gesetzgebung und Justiz geben sich größte Mühe, sich selbst Stolpersteine in den Weg zu legen, und auf der Straße werden Menschen tot geschlagen.

    Wehrhafte Demokratie? Ist mir übel...

    Für einen solchen Staat habe ich nicht 12 Jahre geopfert, während Andere an ihrer Karriere gebastelt haben.

  • C
    Celsus

    Schon der erste Mord wäre einer zuviel gewesen. Anschließend müssen wir uns immer fragen, was in Zukunft im Bereich von Prävention und Aufklärung von Straftaten besser gemacht werden kann. Die jetzigen ständigen Fahndungserfolge zeigen dabei, dass wohl auch einige Fahnungserfolge schon früher möglich waren.

  • B
    bli

    Vergleicht man den Umgang mit der RAF und deren Sympathisanten, ist der Staat auf Kuschelkurs mit Nazis und deren Unterstützern.

    Ein hartes Durchgreifen wäre wünschenswert.

  • F
    fidel

    bemerkenswert ist das fehlen jeglicher stichhaltiger beweise.

  • W
    waldemar

    Sicher muß man ganz genau prüfen, ob man der Beschuldigten eine Kronzeugenregelung anbietet. Dasselbe gilt aber auch für die Z.: Sie selbst wird prüfen, ob sie - in Abhängigkeit dessen, was die Ermittler ihr vorwerfen - eventuelles Wissen (und Mitwisser/Mittäter) preisgeben soll. Denn bisher ist die Anklage gegen die Z. sehr dünn, da die Ermittlungen nicht voranzukommen scheinen und wenig Konkretes, Beweisbares vorliegt - Spekulationen und Erwartungen hingegen gibt es zuhauf.