Krebsverdacht bei Titandioxid: Farbe besser an der Wand lassen
Das Pigment Titandioxid weißt Wände, Kaugummis und Kunststoffe. Einatmen sollte man kleine Partikel des Pigments aber nicht.
Auf die Tagesordnung gesetzt hatte die Chemikalie die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES), die sie als „wahrscheinlich krebserregend beim Einatmen“ klassifizieren wollte, was in bestimmten Anwendungen zu einem Verbot geführt hätte. Sie hatte sich auf Studien mit Ratten berufen.
Der drohende schwarze Torso mit zerfaserter Lunge ist für Wandfarben oder Lacke aber auch nicht gerade ein Werbehinweis, darum sind die Unternehmen äußerst aufgebracht über die Entscheidung. Sie sei „nicht nachvollziehbar“, teilt der Verband der chemischen Industrie mit, „Studien belegen keinen Zusammenhang zwischen Exposition von Titandioxidstaub am Arbeitsplatz und Krebsrisiko“.
TiO2 ist ökonomisch bedeutsam, das am häufigsten verwendete Pigment findet sich in Farben, Lacken, Papieren, Zahnpasta, Kosmetika, Kunststoffen, Textilien oder Lebensmitteln wie Fertigsuppen oder Kaugummis – eigentlich in fast allem, was weiß, milchig und appetitlich sein soll. Rund 1,1 Millionen Tonnen der Chemikalie werden jährlich in der EU hergestellt, 480.000 Tonnen davon in Deutschland.
Für besorgniserregend halten die Wissenschaftler des Echa-Gremiums nun Staubpartikel des Stoffes, die so klein sind, dass sie in die tiefen Atemwege der Lunge geraten können. Trotz der empfohlenen Einstufung als „verdächtig, Krebs zu erregen“ sehen die Wissenschaftler keine Gefahr für titandioxid-haltige Kaugummis oder Zahnpasta, die gekaut oder verschluckt werden, noch für Sonnenmilch, die auf die Haut geschmiert wird.
Auch Wandfarben werden nicht verdächtigt, denn in ihnen liegt das Titandioxid gebunden vor. Wird die Wand aber später bei einer Renovierung geschliffen, sieht die Sache schon wieder anders aus.
Dass nun in der Öffentlichkeit recht allgemein „Titandioxid“ am Pranger stünde, dafür sei die Industrie selbst verantwortlich, heißt es von Wissenschaftlern, die sich mit der Risikoeinschätzung von Chemikalien befassen. Laut europäischer Chemikaliengesetzgebung liefern die Unternehmen die Informationen, die den Einstufungen der Behörden zu Grunde liegen.
Im Fall von TiO2 hat die Industrie sich geweigert, die unterschiedlichen Formen zu bewerten, in denen der Stoff verwendet wird, etwa als Nanopartikel. Also konnte das Echa-Gremium auch nur Aussagen über den Stoff als ganzes treffen.
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