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Kommentar Terrorwarnung in BremenVage Hinweise, zu große Geschütze

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Die Sicherheitsbehörden sind in einer schwierigen Lage. Doch der Eindruck verstärkt sich, dass derzeit wenig reicht, um harte Reaktionen zu provozieren.

Polizisten mit Maschinenpistole vor dem Dom in Bremen. Bild: dpa

P olizeibeamte mit Maschinenpistolen bewachen die Innenstadt von Bremen; „Sicherheitsnetz“ nennen das die Verantwortlichen. Zwei Wochen zuvor war in Braunschweig der Karnevalsumzug abgesagt worden. In Dresden wurden im Januar mehrere Demonstrationen verboten. Der Grund für all das: Warnungen vor Terroranschlägen mit islamistischem Hintergrund. Was kommt als Nächstes? Müssen wir uns auf Ausgangssperren einstellen?

Die Sicherheitsbehörden sind in einer schwierigen Lage, keine Frage. Sie können Hinweise nicht einfach deshalb ignorieren, weil es in letzter Zeit schon so viele gegeben hat, und sie können auch nicht alle Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit tragen. Schließlich sollen potenzielle Täter so wenig wie möglich über Methoden und Erkenntnisse der Polizei erfahren.

Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit ja tatsächlich mehrere Anschläge vereitelt worden sind. Und niemand möchte schuld sein, wenn es zu Toten und Verletzten kommt, weil Warnungen in den Wind geschlagen wurden. Alles verständlich. Aber in einer freiheitlichen Gesellschaft kann und darf Angst nicht zur Triebfeder des staatlichen Handelns werden.

Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich hat Sicherheit 2013 als „Supergrundrecht“ bezeichnet und ihr Vorrang vor anderen Rechten eingeräumt. Das war eine dumme Äußerung, wenn er daran geglaubt hat, und perfide, wenn er nicht daran geglaubt hat. Vollständige Sicherheit gibt es nicht, und wer dem Bedürfnis danach oberste Priorität einräumt, kommt gar nicht umhin, andere Rechte einzuschränken.

Der Eindruck verstärkt sich, dass derzeit noch der vageste Hinweis auf geplante Gewalttaten genügt, um die ganz großen Geschütze dagegen aufzufahren. Wenn es so bleibt, dann müssen Terroristen keine Attentate mehr verüben, um das Land von Grund auf zu verändern. Drohungen genügen.

Die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit fällt allerdings nicht in den Zuständigkeitsbereich von Fahndern und Polizisten, sondern ist Aufgabe von Politik und Gesellschaft. Ein altes Sprichwort sagt: Schiffe liegen am sichersten im Hafen – aber dafür werden sie nicht gebaut. Wenn Maschinenpistolen zum wichtigsten Instrument der Sicherung von Freiheit werden, dann ist die Freiheit schon verloren.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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22 Kommentare

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  • Generell sind wir alle gefordert:

    Wie eine Studie von den Bielefelder Sozialforschern über Antisemitismus in Deutschland und Europa (A Zick nach Heitmeyer & co) zeigt, wird das Ressentiment (z.B. gegen Juden) um so mehr abgebaut, je mehr in Milieus, in meiner Clique, in meiner Verwandtschaft über Gesellschaft & diese Ressentiments gesprochen wird.

    Die Thematisierung nützt.

    Daher kommt es auch zu dem Unterschied zwischen der Tabuisierung und der Ächtung von Ideologien der Ungleichheit.

    Übertragen auf unsere heutige Lage:

     

    Mehr Kontakte zu migrantischen und islamischen Teilen der Gesellschaft, weniger Raum für Jihad-Sekten, weniger anonyme Milieus, weniger Verachtung, weniger Gleichgültigkeit.

    Mehr Verständigung, dann können sogar Radikalisten früher entdeckt werden.

     

    Polizeimaßnahmen kommen zu spät.

    • @nzuli sana:

      Ihr Engagement in allen Ehren, aber es steht zu befürchten das in diesem Fall Polizei und Frömmler nur als nützliche Idioten für Politik und Organisierte Kriminalität gedient haben.

       

      Polizei bekommt entsprechend "heiß frisierte" Orginalmeldungen das angeblich irgendwelche frömmelnden Extremisten bei der OK um Waffen nachsuchen und muss natürlich reagieren.....

      Die Ok profitiert davon doppelt: Einmal wird dem regierenden Inensenator eine großer Gefallen erwiesen, und je nach den Details der gestreuten Geschichte lassen sich viellcihet Lecks und Iloyale aufklären.

       

      Der Innensenator kann irgrenwelche extremistsichen Frömmler verbieten und sich so politisch profilieren. Auf Kosten von Frömmlern und Polizei.

       

      Aufklärende Deeskalation ist hier wohl von mehreren Beteiligten nicht gewollt, fürchte ich.

  • "Wenn es so bleibt, dann müssen Terroristen keine Attentate mehr verüben, um das Land von Grund auf zu verändern. Drohungen genügen. "

     

    Was schlagen Sie denn vor, Frau Gaus: Sollen Terrorwarnungen einfach ignoriert werden und es darauf ankommen lassen, ob ein Anschlag mit vielen Toten verübt wird oder nicht?

  • Es ist schon der Hammer: Die Normalbevölkerung wird unter Berufung auf angeblich konkrete Hinweise des BKA in Angst und Schrecken versetzt und was war es: das allgemeine BKA-Lagebild! Nach dem wäre aber überall irgendwann ein Terroranschlg möglich. Was bezweckt das Ganze: der AfD und der CDU im Wahlkampf helfen?

    • @Umzulandei:

      Ich las, es gab konkrete Hinweise aus Frankreich.

  • bevor sich wieder irgendwelche experten sicherheitsmäßig nass machen, kleiner hinweis aus der verwaltungsecke (für lau = kost nix):

    wie siehts mit dem grundsatz der verhältnismäßigkeit aus? oder scheitert die prüfung bereits an der erforderlichkeit?

    um der lage ein anderes bild zu geben: muss ich denn sofort mit kanonen auf spatzen schießen?

    spätestens nach bremen weiß jetzt jeder terri-horst, wie er öffentliches leben gezielt lahmlegen kann. applaus, applaus für diese weitsichtige maßnahme.

    • @#protest:

      Dann bleibt die VM auch in der Verwaltungsecke.

       

      Die Ausrüstung hat nach dem Bedrohungsbild zweckmäßig und angemessen zu sein. Also z. B Langwaffe am Mann.

       

      Das Risiko sich zum Affenn von Trittbrettfahrern zu machen bleibt bestehen. Auch das Risiko hier die Polizei für politische Ränkespiele zu instrumentalisieren ist nicht ungewöhnlich. Böse Zungen unterstellen sogar eine Begünstigung des Innensenators durch Vortäuschen einer Straftat. Was angesichts der "Bremer Verhältnisse" auch nicht überraschen würde.

  • Also, ich geb´s zu…gleich zum Beginn. Als gebürtiger Bremer bin ich schwer voreingenommen und in alter Verbundenheit mit meiner Heimatstadt nicht objektiv. Aber die Art und Weise wie sich Innensenator Mäurer, der Bremer VS-Chef und der Polizeipräsident in der Pressekonferenz geäußert haben, hebt sich doch wohltuend ab vom sonst gängigen Politikgeschehen. Eben nicht alarmistisch und geschwätzig wie jeder CSU-Politikdarsteller oder Populist von noch weiter rechts fünf Minuten nach jedem Gewaltverbrechen irgendwo auf der Welt. Da wird dann nämlich sofort über Gesetzesverschärfungen fabuliert, wenn die Straßenreinigung das Blut noch nicht mal aufgewischt hat.

     

    Hier im Fall Bremen gab es eine professionelle Analyse der Gesamtlage mit entsprechenden Gefahrenabwägungen und einem Entschluss gezielt vorzugehen. Klar, in ein paar Wochen wird in Bremen gewählt und da macht sich technokratisch, kühl durchgezogenes Handeln beim Wähler immer gut. Da wird dann auch schon mal der gute alte Roland auf dem Marktplatz mit der MPi geschützt. Aber der letzte Gedanke ist schon (fast) wieder zynisch angesichts der Vorgänge in Paris und Kopenhagen.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Vage Hinweise, zu große Geschütze"

     

    - Es gilt die "Freiheit" des kreislaufenden Faschismus im geistigen Stillstand des "Rechts des Stärkeren" zu schützen, und weil der "vage Hinweis" auf diese bewußtseinsbetäubte Realität manchmal auch mit Totalüberwachung nicht vor extrem-provozierter Symptomatik schützt, braucht es Geschütze die noch größer und deutlicher sein können!

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Der eigentliche Terror wird im Bild s.o. dargestellt. Sorry, aber das nennt sich Sicherheit?

  • "Wenn Maschinenpistolen zum wichtigsten Instrument der Sicherung von Freiheit werden, dann ist die Freiheit schon verloren." Freiheit muss auch abwehrbereit sein. Gehen Sie mal nach Somaliland, der einzige Teil Somalias, der friedlich ist. Da wimmelt es aber von Polizisten, Militaer und Kontrollen. Die Leute dort wollen mit dem Mist in Rest-somalia nichts zu tun haben, und organsisieren sich entsprechend.

    Uebrigens ist Bremen bekannt fuer diese gewisse Klans.

  • Dann Frau Gaus, bedeutet präventive Gefahrenabwehr also für Sie, bei solchen Lagen die Sicherheitskräfte mit Kurzwaffen gegen Straftäter mit MPs antreten zu lassen?

     

    Da kann ich nur sagen: NACh Ihnen"

    • @KarlM:

      Ähem... und wo waren die Straftäter? Gegen Straftäter, die gar nicht existieren, reicht auch ne Wasserspritzpistole.

      • @Friedrich Zoller:

        Gegen solche die nicht existieren reicht sogar der Facharzt. Damit sind wir auch beim Kernproblem.

    • @KarlM:

      Im Radio haben sie in den Nachrichten gesagt, es gab Hinweise, dass ein Verdächtiger Kriegswaffen kaufen wollte. Also sie noch nicht einmal gekauft hat. Wäre es da nicht einfacher, ihn zu überwachen und beim Kauf festzunehmen, satt eine Großstadt in den Ausnahmezustand zu versetzten?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Tja, normalerweise wird bei einem solchen Sachverhalt natürlich observiert.

         

        Warum das hier so einen ganz anderen Verlauf nahm, sollte ein Untersuchungsausschuss klären.

    • @KarlM:

      Niemand sagt, dass Freiheit zum Nulltarif zu haben ist.

       

      Es wird immer jemandem gelingen, jemanden zu ermorden, Attentate und Bombenanschläge zu verüben, besonders, wenn der Täter sein Leben zu opfern bereit ist.

       

      Die Frage ist jedoch, müssen wir über jedes Stöckchen springen, welches uns Terroristen hinhalten?

       

      Wer pflanzt uns eine dermaßen irrationale Risikobewertung ein?

       

      Tote durch Irrsinn gibt es täglich (betrunkene und/oder aggressive Autofahrer z.B.), aber niemand bekennt sich dazu, Panik auf Deutschlands Straßen zu haben, weil er Morgen nach Bielefeld fahren muss. Das Gefühl ist hier: "Es wird schon gut gehen", obwohl wir jährlich fast 4.000 Verkehrstote und > 250.000 Schwerverletzte haben.

       

      Die gefühlte Angst vor Terror ist jedoch wesentlich größer, obwohl das reale individuelle Risiko, Opfer eines Terrorangriffs hierzulande ungefähr der Gefahr entspricht, von einem Nilpferd totgetrampelt zu werden.

       

      Hier wird Angst geschürt und es wird damit Politik gemacht.

       

      P.S.: Wenn ich einen Koffer finde, bringe ich den zum Fundamt. Mittlerweile reicht ein Schussel dazu, dass deswegen Flughäfen und Bahnhöfe evakuiert werden - Das ist realer Irrsinn 3. Jahrtausend

      • @Thomas Elias:

        Nein, sollte man nicht. Sonst haben Terroristen schon gewonnen.

         

        Nur wer entscheidet wie viele Bürger pro Anschlag das kosten darf?

         

        "Anti-Terror"-Maßnahmen sind immer zweischneidig. Tritt ein Schaden ein schreit jeder nach maximaler Sicherheit, die eh nicht zu gewährleisten ist und stimmt noch den unzweckmäßigtsen Maßnahmen zu.

        Passiet nichts, war aus politischer Sicht "immer" die Maßnahme Grund für den Nichteintritt einer Gefahrenlage.

         

        Im Prinzip läß sich aus eine vorsichtigen Vorgehen nur die Spannung herausnehmen,. wenn nachher alle Beweggründe offengelegt werden. Dann kann sich jeder selbst ein Urteil bilden. Nur bietet solche offenheit natürlich auch jedem Extremisten die Möglichkeit aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und trägt gewissermaßen zu einem erfolgreichen Anschlag bei.

         

        Wie soll man sich also verhalten?

    • Bettina Gaus , Autorin des Artikels, Politische Korrespondentin
      @KarlM:

      ???

      Fast immer verstehe ich, was Leser und Leserinnen, die offenbar nicht meiner Meinung sind, sagen wollen. Ganz ehrlich: Was Sie mit Ihrem Kommentar ausdrücken wollen - ich begreif´s nicht.

      • @Bettina Gaus:

        Sehr geehrte Frau Gaus,

         

        in einem Punkt stimme ich Ihnen vorbehaltlos zu. Wenn polizeiliche Abschreckungsmaßnahmen zu unbegründeten Machtdemosntrationen werden, geht Freiheit verloren.

         

        Meine Kritik richtet sich gegen die Ihre Feststellung "Angst" sein hier handlungsleitend gewesen.

         

        Zu Recht verweisen Sie auf die letzten "populären" Gewaltdelikte. Hier ist die Gefahrenabwehr immer in einem Konflikt, denn nur reaktives Handeln auf eine konkrete Gefahr hin bedeutet unweigerlich Tote und Verletzte.

        Daher gehören sichtbare Maßnahmen (Mitführen von MPs) genauso zur Abschreckung wie die unsichtbaren. Die ebenfalls verdeckt vorgehaltenen Kräfte sind dann wohl kein Zeichen dafür das die Freiheit schon verloren ist?

         

        Die Begründung das sich eine Person angeblich Kriegswaffen verschaffen oder diese weiter vertreiben wollte klingt erstmal etwas hohl. Ist es absehbar das hier gezielt durch Falschmeldungen der Innensenator blamiert werden sollte? Wollte sich der Herr gar vor der Wahl mit einem absehbar folgenlosen und übertriebenen Einsatz profilieren?

        Möglich, nur wer nimmt die Verantwortung auf sich?

         

        Und wer klärt im Nachhinein auf, wenn Polizei für Walhkampfspektakel instrumentalisiert wurde?

         

        Vor dem Hintergrund das es leider geradezu grotesk einfach ist sich eine Maschienenpistole und hinreichend Munition zu verschaffen, kann da nicht allzu leichtfertig entschieden werden.

      • 1G
        19412 (Profil gelöscht)
        @Bettina Gaus:

        @Bettina Gaus

        Vermutlich ist gemeint; wenn wir es in Kauf nehmen, von einem betrunkenem Autofahrer umgebracht zu werden, sollen wir einfach abwarten, bis wir von einer Bombe in Stücke gerissen oder mit der MP erschossen werden. Diese Meinung kann ich nicht teilen.

      • @Bettina Gaus:

        Frau Gaus, wie stellen Sie sich denn die Abwehr eine bewaffneten Angriffs wie in Paris vor? Und was würden Sie schreiben, wenn dann eben, im Falle des Falles, nur nicht ausreichend bewaffnete Beamte zur Verfügung stehen? Und ehrlich, würden Sie sich sicherer Fühlen, wenn der Beamte (m/w) an der gleichen Stelle, nur mit einer Handwaffe bewaffnet steht?