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Kommentar Regierung und PsychologenDie Bürger im Blick

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Die Bundesregierung hat Sozialexperten angeheuert. Die sollen herausfinden, warum manche Projekte nicht beim Volk ankommen. Ein guter Anfang.

Die Kanzlerin braucht Hilfe: Wie regiert man modern? Bild: ap

G esünder essen, die Wohnung wärmedämmen, ein steuerehrlicher Bürger sein – wäre es nicht besser für dieses Land, wenn wir alle endlich mal das Richtige täten? Sinkende Gesundheitskosten, weniger Energieverbrauch, zuverlässig sprudelnde Steuereinnahmen kämen doch dem ganzen Land zugute.

Aber was genau wäre denn das Richtige? Das, was das jeweilige Parlament in demokratischen Prozessen diskutiert, beschlossen und schließlich in schwer verständliche Gesetze gegossen hat? Oder nicht eher das, was die Wählerinnen und Wähler in ihrer jeweiligen Lebenssituation als für sie richtig und relevant erkannt haben?

Mit ihrem aktuellen Projekt „Wirksam regieren“ will die Bundesregierung herausfinden, warum manches Projekt so grandios gescheitert ist. Und was die Politik tun muss, um bei den BürgerInnen das Gefühl zu vermeiden, es würden an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei Gesetze gemacht.

Für die Fehleranalyse hat das Bundeskanzleramt Sozialexperten eingestellt. Die drei neuen MitarbeiterInnen sollen helfen, Regierungsarbeit zu modernisieren. Doch obwohl andere europäische Länder damit schon gute Erfahrungen machen, ist das Misstrauen gegenüber dieser Art psychologischer Expertise groß.

Kein Wunder. Wer sagt denn, dass der Maßstab für politische Projekte tatsächlich die Bedürfnisse der WählerInnen sind? In Zeiten, da Lobbyisten Hausausweise für den Deutschen Bundestag haben, wächst das Misstrauen, manipuliert zu werden. Die sinkende Wahlbeteiligung spiegelt dieses Glaubwürdigkeitsproblem seit Langem.

Dennoch ist es richtig, ExpertInnen mit Fragen des modernen Regierens zu befassen. Aus Angst vor dem Wutbürger fällige Reformen zu vertagen, bringt nichts. Zu schauen, was besser gemacht werden kann, ist ein Anfang.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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10 Kommentare

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  • Regierungen kommen bei den Beherrschten öfters nicht so gut an. Das hat sicher auch psychologische Aspekte.

  • Klingt ja irgendwie nicht schlecht.

    Der Knackpunkt ist nur, dass es das 'System M' ist, welches hier agiert.

     

    Diese Frau wird alles andere tun als aufklären ...

     

    ... denn täte sie das, wäre sie von den Adressaten des Projektes schon längst zum Tempel hinaus gejagt worden!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Bin nicht so überzeugt, dass es darum geht "was besser gemacht werden kann".

    Im letzten Jahr bei der Einrichtung des "think tanks" hieß es noch z.B.:

    "So macht sich das Kanzleramt Gedanken, wie die Regierung besser klarmachen kann, dass sie sich stärker - vor allem privat - um ihre Altersversorgung kümmern müssen. Untersuchungen menschlichen Verhaltens zeigten, dass viele Bürger aus Mangel an Vorausschau gegen ihre eigenen Interessen handelten, indem sie gegenwärtigen Konsum den Investitionen in ihre Zukunft vorzögen."

    Klingt eher nach den spin doctors die Überzeugungshilfe leisten sollten. Können die gleich bei TTIP zum Einsatz kommen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Sie bringen die Sache auf den Punkt! In unseren postdemokratischen Zeiten sollen den Regierenden verfeinerte Instrumente zur Durchsetzung der "marktkonformen Demokratie" an die Hand gegeben werden.

  • Vielleicht weil diese Projekte schlicht und einfach an den finanziellen Möglichkeiten der Bürger scheitern?!

    Hartz 4 Bezieher können sie sich nicht leisten und sind von vorne herein ausgeschlossen. 50+, 55+ oder 60+ sind

    nun mal nicht Vorbereitung aufs Berufsleben, sondern Alibievants.

    Für Familien mit Kindern sind diese Vorhaben überhaupt nicht angemessen.

    Es sind Utopien von Akademikern die jetzt wo sie das Scheitern ihrer Pläne realisieren möchten mit Gewalt noch die Kurve kriegen möchten.

    Sie haben das was in 30 Jahren Umweltschutz und Sozialdemokratie wieder einigermaßen funktioniert hat in 25 Jahren mit Hilfe von FDP; SPD und CDU/CSU wieder getilgt. Und nicht nur das, sie haben mitgeholfen die Natur mit der größtmögliche Schädigung durch die Kernenergie, durch Erdölbohrungen an Land und im Meer, durch Fracking, durch Verdummung der Bevölkerung und Fehlinformation dermaßen zu Schädigen dass der Kollaps des natürliche Umfeldes nicht mehr aufzuhalten ist. Das ist absoluter Rekord. Ich glaube nicht dass die Evolution diese Möglichkeit mit eingerechnet hat

  • ein anfang?

    frage an die authorin, mal was von george creel, walter lippmann, eddy bernays gelesen? oder Frank Luntz oder Lutz Meyer? was ist denn daran neu und wo sehen sie auch nur den geringsten anhaltspunkt dafür das sowas versöhnlich oder verständnissfördernd wirken könnte?

    ein anfang? das läuft schon lange so...

     

    "To appeal to the powerful, on the basis of any knowledge we now have, is utopian in the foolish sense of that term. Our relations with them are more likely to be only such relations as they find useful, which is to say that we become technicians accepting their problems and aims, or ideologists promoting their prestige and authority."

    -C Wright Mills

  • Vielleicht, weil manche Projekte schlicht und ergreifend Blödsinn sind, unpraktikabel, für den normalen Bürger kompliziert zu handeln und von ihm als dauernde Gängelei, Vorschrifterei, Bürokratieanhäufung bei wenig Nutzen mit einer guten Portion Weltfremdheit/Lebensfremdheit empfunden? Wenn satte Abgeordnete, die kaum jein ihrem Leben irgendwas selber bezahlen mussten, selber tanken, selber fahren, selber 'irgendwas' allen anderen zu bestimmen geruhen, was das beste für sie sei...

  • Genau. Hauptsache mal wieder ein paar Stellen geschaffen, um auf Expertenmeinungen verweisen zu können, wenn etwas nicht klappt. Denn diese Experten werden auch nicht mehr können als das längst Offensichtliche zu erklären: Die irrationale menschliche Tendenz, Solidarität und sozialverträgliches Verhalten immer so lange gutzuheißen oder auch anzumahnen, wie es den Einzelnen nichts kostet - oder zumindest nicht mehr, als er aus freien Stücken unter höchst subjektiver Berücksichtigung seiner persönlichen Bedürfnisse zu geben bereit ist. Dass diese Maßstäbe sehr individuell verlaufen, ergibt sich aus der Natur der Sache und macht es schlicht unmöglich, ein Gemeinwesen mit stringenten, für Alle gültigen Regeln zu entwerfen, die auch von Allen mit dem gleichen Enthusiasmus befolgt (bzw. umgangen) werden. Wir sind NICHT "Borg", also ein Kollektivbewusstsein, das alle Einzelindividuen mit maschineller Präzision im Sinne des Gemeinwohls arbeiten lässt. Und das ist gut so, und neu ist es auch nicht.

     

    Insofern sollte eigentlich niemand mehr erklärt bekommen müssen, dass Regierungshandeln immer eine Gratwanderung zwischen dem ist, was rational sinnvoll wäre, und dem, was der Einzelne aus seiner Froschperspektive für (durch ihn persönlich) unterstützenswert erachtet. Dabei kann es nicht darum gehen, immer Alle mitzunehmen, sondern allenfalls eine möglichst große Zahl, die sich an denen, die nicht mitziehen, auch möglichst wenig reibt. Um diese Balance zu finden, beschäftigen unserer Politiker aber bereits ein Heer von Empirikern, die im Minutentakt Umfrageergebnisse produzieren, um die Einstellung der Bürger zu möglichen Veränderungen zu quantifizieren. Es fragt sich also, warum man noch mehr braucht (und was eigentlich "Sozialexperten" sind).

  • "Was genau […] das Richtige [wäre]", fragt Frau Maier, als wäre das nicht völlig klar. "Das Richtige" wäre, wenn man in Berlin und anderswo zur Abwechslung mal ein ganz klein wenig weniger verbissen versuchen würde, "das Richtige" zu tun. Statt dessen könnte sich die Regierung einfach auf das im Wahlkampf Versprochene konzentrieren. Und für den Fall, dass das nachher doch nicht das Richtige gewesen ist, könnte sie sich für ein paar Jahre in die Opposition verabschieden. Die ist nämlich der Witz an der Demokratie.

     

    Die DDR war gemäß der Definition ihrer Entscheidungsträger eine Diktatur des Proletariats. Diese Definition war falsch. Es war nämlich nicht DAS Proletariat, das dem Rest der Bevölkerung etwas diktiert hat. Es waren einzelne Ex-Proleten. Dass Deutschland anno 2015 eine Diktatur der Unternehmer und Juristen ist, sagt derzeit niemand. Richtig ist es aber trotzdem. Man erkennt das daran, dass alles, was unsere Regierung beschließt, von ausschließlich unternehmerischem Denken zeugt und juristisch derart verklausuliert wurde, dass es nicht mehr funktionieren kann.

     

    Wenn "[die Bundesregierung] mit ihrem aktuellen Projekt 'Wirksam regieren' [...] herausfinden [will], warum manches Projekt so grandios gescheitert ist", dann sollte sie sich mal in der Natur umsehen. Da geht es ähnlich komplex zu wie in einer modernen Gesellschaft. Mit der Folge, dass in den letzten 3,4 Millionen Jahren 99% aller Versuche, eine Art über den Gesamtzeitraum am Leben zu erhalten, gescheitert sind. Nicht, weil die inzwischen ausgestorbenen Arten nicht "richtig" gewesen wären, sondern weil geschlossene Systeme eine interne Dynamik entwickeln. Soll heißen: Nichts bleibt, wie es ist. Individuen sind unberechenbar. Und das ist auch gut so. Das Leben selber wäre längst erloschen, wäre es von Unternehmern auf extraraschen, immerwährende Konkurrenzerfolg hin entworfen und anschließend von Juristen in Gesetzesform gegossen worden.

  • Umwelt, Einkommen, Gesundheit... Mehr so das Private, Sorgen des kleinen Mannes...

     

    Was ist mit Militär, Rechtsnormen, internationale Verträge, Privatisierung?

     

    Wieso überhaut Beteiligung? Wieso nicht Selbstverwaltung? Dann gäbe es ja keinen Streit ?