Kommentar Prozess gegen Wulff: Genug gestraft
Zu Recht hat Wulff sein Amt verloren. Auch gut, dass der Prozess gegen ihn wohl ein schnelles Ende findet. Sein Fall war für die Medien eine Ersatzbefriedigung.
F reigesprochen ist er offiziell nicht, aber nach dem „Zwischenfazit“ des Gerichts sieht es so aus, als ob der Prozess gegen Christian Wulff wegen Vorteilsannahme schneller als geplant beendet wird. Gut so.
Schon viel zu lang haben sich Journalisten und Juristen mit den mehr oder weniger skandalösen Verfehlungen eines mittelmäßigen Provinzpolitikers beschäftigt, der im höchsten Amt des Staates überfordert war, dessen Wirken aber unerheblich bleibt.
Inzwischen ist klar: Wulffs Missetaten waren längst nicht so gravierend, wie sie zeitweilig dargestellt wurden. Eine scheinbar weltbewegende Staatsaffäre entpuppt sich als Posse, egal, wie die Richter letztlich die Annahme von 719,40 Euro bewerten, den einzigen übrig gebliebenen Vorwurf.
Im Korruptionsprozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff regt Richter Frank Rosenow eine Einstellung an. Die in der Anklage formulierten Vorwürfe der Vorteilsannahme im Amt seien aufgrund der ersten Bewertung der Kammer bislang nicht belegbar, sagte Rosenow am Donnerstag im Landgericht Hannover. Zunächst waren Verhandlungstage bis April angesetzt. Bis Anfang Januar sollten die Beteiligten überlegen, "ob an eine Einstellung gedacht werden kann." Wulff muss sich wegen Vorteilsannahme verantworten, weil beim Besuch des Oktoberfests 2008 Filmfinancier David Groenewold Hotel- und Essenskosten bezahlt haben und Wulff im Gegenzug für eines seiner Filmprojekte geworben haben soll. Groenewold muss sich wegen Vorteilsgewährung verantworten. (dpa)
Der frühere Bundespräsident ist schon genug gestraft. Er hat Job und Ansehen verloren, seine politische Karriere ist beendet. Übrigens zu Recht: Seine glamoursüchtige Kuschelei mit Multimillionären wie Carsten Maschmeyer und Filmsternchen wie dessen Frau war peinlich, seine Verteidigungsversuche mitleiderregend ungeschickt und sein verzweifelter Drohanruf beim Bild-Chef dermaßen dumm, dass er sich für höhere Aufgaben als unfähig erwiesen hat.
Die moralintriefende Aufregung darüber war jedoch maßlos übertrieben. Viele Medien, auch die taz, ließen sich von einer Stimmung anstecken, in der selbst das geschenkte Bobbycar des Wulff-Sohns für schlagzeilenwürdig befunden wurde. Geben wir es zu: Diese Pseudoaufklärung diente auch als Ersatzbefriedigung für Medienmacher und Konsumenten, denen wirklich wichtige Themen wie die Eurokrise zu kompliziert und anstrengend sind. Jetzt wäre wieder Zeit dafür.
Wulff selbst bleibt zu wünschen, dass seine löbliche Haltung zum Islam länger als sein Oktoberfestbesuch im kollektiven Gedächtnis bleibt.
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