Kommentar NSU-Abschlussbericht: Lehren aus dem NSU-Schock
Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Ein vernichtendes Urteil des NSU-Bundestagsausschusses. Zukünftig muss sich die Mentalität grundlegend ändern.
D er Abschlussbericht des NSU-Ausschusses im Bundestag ist ein beeindruckendes Dokument der Selbstaufklärung. So schonungslos wie einst die Pisa-Studie die Mängel und Ungerechtigkeiten im deutschen Bildungssystem offenlegte, zeigt der NSU-Bericht die Schwachstellen und blinden Flecken der Sicherheitsbehörden beim Thema Rassismus auf. Das macht ihn zu einer vergleichbaren historischen Zäsur.
Natürlich hätte man manches noch schärfer formulieren können, wie es die Anwälte der Opferfamilien bemängeln. Doch das Urteil des Allparteien-Ausschusses über leitende Beamte, Staatsanwälte und Minister fällt auch so schon vernichtend aus.
Die Polizei? Hat einseitig ermittelt. Der Verfassungsschutz? Hat die Gefahr des Rechtsterrorismus grob unterschätzt. Die Politik? War desinteressiert. Ja, das hat man alles im Prinzip schon vorher gewusst. Aber jetzt ist es amtlich, wir haben es schwarz auf weiß.
Immerhin: Der Verdacht, dass deutsche Behörden die Taten der Thüringer Terrorzelle aktiv unterstützt hätten, ließ sich nicht erhärten. Das ist aber schon das einzige positive Fazit, das sich ziehen lässt. Dieses Eingeständnis muss Konsequenzen haben.
Nicht nur, dass die NSU-Mordserie in die Lehrpläne der Polizeischulen gehört – als abschreckendes Beispiel dafür, was man alles falsch machen kann. Nein, die Mentalität muss sich von Grund auf ändern. Für Polizei und Verfassungsschutz heißt das: Es braucht mehr Sensibilität für Rassismus und Rechtsextremismus, eine interkulturelle Öffnung und mehr Beamte mit Migrationshintergrund.
Gut, dass darüber jetzt Konsens herrscht. Nun kommt es darauf an, dass diese Empfehlungen auch im Behördenalltag umgesetzt werden. Nur dann lässt sich sagen, dass wir aus diesem so viele Jahre lang übersehenen Serienmord etwas gelernt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht