Kommentar Linkspartei: Ein Programm für die Opposition
Mit dem neuen Grundsatzprogramm ist besiegelt, was ohnehin klar war: 2013 werden Gysi & Co nicht regieren. Es gibt keinerlei Perspektive für Rot-Rot-Grün.
D ie Linkspartei ist eine verwunderliche Organisation. Sie besteht fast nur aus Flügeln, Gruppen, Fraktionen. Sie ist eine Partei ohne Mitte. Gregor Gysis Versuch, mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ein ausgleichendes Zentrum zu etablieren, ist spektakulär gescheitert. Und trotzdem hat die zerstrittene Partei mit fast 97 Prozent Zustimmung ein Grundsatzprogramm beschlossen.
Das zeigt, dass Fundis und Pragmatiker wissen, dass sich eine Spaltung nicht rechnet. Mag sein, dass auch der Außendruck die Partei stabilisiert. Fakt ist: Sie ist stabiler, als es sich etwa die SPD wünscht, die schon seit 20 Jahren sehnsüchtig und vergebens darauf wartet, endlich die Reste der linken Konkurrenz aufsaugen zu können.
Mit dem neuen Grundsatzprogramm ist zudem besiegelt, was ohnehin klar war: 2013 werden Gysi & Co nicht regieren. Die Linkspartei hat sich ein Programm für die Opposition im Bund gegeben. Das ziemlich strikte Nein zu Bundeswehreinsätzen würde es noch nicht mal erlauben, Hilfslieferungen militärisch abzusichern. Außerdem scheint Oskar Lafontaine doch ernsthaft nach Berlin zurückkehren zu wollen. Es gibt also keinerlei Perspektive für Rot-Rot-Grün.
Die Linkspartei will übrigens nicht alle Drogen legalisieren. Sie hat zwar beschlossen, "langfristig" alle Drogen freizugeben - aber dass es Heroin im Aldi-Regal gibt, war nie gemeint. Außerdem hat sie diese Formulierung, die eher einer überforderten Parteitagsregie geschuldet war, korrigiert. Die Linkspartei ist nicht libertär, sondern konventionell und ordentlich. Es ist eine Partei, die eher zum Rentnergedeck - Bier und Schnaps - neigt als zur hippen Partydroge.
Eine Droge, die die Linkspartei kurzfristig hochpuscht, ihr aber langfristig übel schaden wird, ist ihre Abhängigkeit von der SPD. Das neue Parteiprogramm wurde symbolisch in Erfurt verabschiedet, wo sich die SPD 1891 strikt marxistisch ausrichtete. Die Linkspartei fordert ein Willy-Brandt-Friedenskorps, und Lafontaine schimpft auf die SPD, als würde Schröder noch regieren. Das wirkt kindisch, regressiv, so als wolle da jemand seine Eltern ärgern.
Die Linkspartei muss sich von ihrer negativen Fixierung auf die Sozialdemokratie lösen. Sie muss mehr eigenes Gewicht bekommen, auch Selbstvertrauen, das sich nicht nur aus Abgrenzung speist. Als ewiger Aufpasser der SPD wird sie wirklich überflüssig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
+++ Die USA unter Trump +++
Trump entlässt den Generalstabschef der US-Streitkräfte
Regierungsbildung nach Österreich-Wahl
ÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf