Kommentar Drohnen-Debakel: Die Reißleine und der Rettungsschirm
De Maizière wird kaum wegen eines Beschaffungsskandals stürzen. Vielleicht aber über die Frage, warum er die Verschwendung nicht eher gestoppt hat.
T homas de Maizière und seine Drohnen-Pläne überleben das entstandene Debakel, signalisiert sein Ministerium. Zieht einer „die Reißleine“, darf er auf sanfte Landung hoffen. Vorausgesetzt, der Fallschirm funktioniert. Der trudelnde Euro Hawk muss wegen technischer Probleme aufgegeben werden, der Minister vorerst nicht.
In der Tat: Minister stürzen in Deutschland nur selten über Beschaffungsskandale und vergeudete Steuermillionen. De Maizière kann zudem darauf verweisen, er habe den Euro Hawk nur geerbt und eine Reform des maladen Wehrbeschaffungswesens eingeleitet.
Der Minister kann nur ins Trudeln geraten, wenn weitere Fehler aufgedeckt werden, die er selbst zu verantworten hat. Ein Thema, bei dem er persönlich haften dürfte, ist das Nato-Vorhaben AGS. Es beruht wie der Euro Hawk auf der US-Drohne Global Hawk, trägt aber andere Aufklärungssysteme. Der Global Hawk hat weder in den USA noch in Europa eine Zulassung für den zivilen Luftraum und wird diese zumindest in Europa auch auf Jahre nicht erhalten.
Thomas de Maizière hat den Weg für die Beschaffung von fünf dieser Drohnen für das Nato-System AGS-Core 2012 freigemacht. Er hat sich persönlich für dieses Projekt eingesetzt. Mehr noch, er hat den Kaufbeschluss der Nato durch die Zusage ergänzt, Deutschland werde vier weitere Drohnen dieses Typs national beschaffen und der Nato bei Bedarf zur Verfügung stellen. Er muss erklären, warum er sich für dieses Milliardenprojekt eingesetzt hat, obwohl die Spitze seines Hauses spätestens seit Anfang Februar 2012 wusste, dass die Drohnen in Europa nicht mit einer Zulassung rechnen konnten.
Das wichtigste Argument, mit dem er das hinausgezögerte „Aus“ des Euro Hawk erklären könnte, wird ihm dabei auf die Füße fallen. Sagt er, er habe die teure deutsche Aufklärungselektronik des Euro Hawk, das System Isis, retten und zu Ende zertifizieren wollen, den Schaden also begrenzen und dieses System künftig an Bord eines anderen Fluggerätes nutzen wollen, so ist der Minister endgültig in der Zwickmühle.
Er muss den Nato-Partnern erklären, warum er sie nicht vor der Beschaffung gewarnt hat. Der Bundestag wird ihn fragen, warum er sehenden Auges Millionen in einem weiteren Projekt gebunden hat, das scheitern muss. Dann hat er zwar die Reißleine gezogen – aber sein Fallschirm hat sich nicht mehr geöffnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern