Kommentar CSU und Deutschpflicht: Die AfD rechts überholen
Nachdem sie tagelang verspottet wurde, fordert die CSU nun keine Deutschpflicht mehr. Doch der Wahnsinn der Partei hat Methode.
D ie CSU hat reagiert. Das ganze Wochenende hinweg hatten sich Kübel von Spott und Häme über die Partei ergossen, nachdem publik geworden war, dass sie Zuwanderer dazu anhalten wollte, zu Hause und in der Öffentlichkeit nicht ihre Muttersprache, sondern deutsch zu sprechen. Sogar in der Schwesterpartei CDU machte man sich über den absurden Vorschlag lustig.
Am Montag hatte die CSU ein Einsehen und schwächte die umstrittene Formulierung im Leitantrag zu ihrem Parteitag am kommenden Wochenende in Nürnberg deutlich ab. Nun will sie Einwanderer nur noch dazu „motivieren“, deutsch zu sprechen.
Es war aber auch albern. Ausgerechnet jene Regionalpartei, die aus einem Bundesland stammt, dessen Bewohner selbst einen Dialekt sprechen, den man im Rest der Republik oft nur mit Untertiteln verstehen kann, wollte anderen vorschreiben, welche Sprache zu Hause verbindlich gesprochen werden soll? Das klang wie ein verfrühter Aprilscherz.
In Wirklichkeit spricht aus der verunglückten Forderung die nackte Verzweiflung: In Zeiten, in denen die AfD und obskure Gruppen wie Pegida Zulauf haben, will die CSU den rechten Rand nicht kampflos aufgeben. Darum versucht sie alles, um den Irrsinn der AfD noch zu übertreffen.
Keine Politfolklore
Es wäre aber falsch, solche Ausfälle nur als populistisches Getöse oder regionale Politfolklore abzutun. Denn der Wahnsinn der CSU hat Methode: Mal tönt CSU-Chef Horst Seehofer, er wolle Einwanderer aus bestimmten Kulturkreisen „bis zur letzten Patrone“ bekämpfen. Ein anderes Mal droht er, innerhalb der EU wieder Grenzkontrollen einführen zu wollen.
Dass solche und andere Forderungen oft genug quer zur Regierungslinie liegen, die die CSU in der Großen Koalition in Berlin ja letztlich mitträgt, stört ihn dabei nicht. Denn mögen seine Vorschläge noch so unsinnig und letztlich auch nicht durchsetzbar sein – Hauptsache, die CSU ist mal wieder in aller Munde. Und manchmal gelingt es ihr sogar, wie zuletzt mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ oder den Mautplänen, dass die geschürten Ressentiments in konkrete Gesetze einfließen.
Wer sich vor der „Alternative für Deutschland“ fürchtet, sollte zur Kenntnis nehmen, dass es neben ihr schon längst eine weitere rechtspopulistische Partei gibt. Und die sitzt schon seit Jahren in der Regierung.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss