Kommentar Brexit-Vertrag und Irland: Iren sind auch nur Menschen
Es wäre im Interesse Irlands, dass das Londoner Unterhaus dem Brexit-Deal zustimmt. Ignorante Politiker aber verbauen sich die Unterstützung der Iren.
S ie machen es einem schwer. Der Brexit-Vertrag, den Theresa May ausgehandelt hat und dem die anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten zugestimmt haben, ist für die Republik Irland vorteilhaft: Wenn schon Brexit, dann so. Die Auffangregelung, der sogenannte „backstop“, wonach das Vereinigte Königreich in der Zollunion bleibt, bis ein neues Handelsabkommen unterzeichnet ist, sorgt ja nicht nur für eine offene Grenze nach Nordirland, sondern auch nach Wales. Und über diese Route wickeln die Iren den größten Teil ihres Handels mit Großbritannien und den anderen EU-Ländern ab.
Es ist also im Interesse Irlands, dass das Londoner Unterhaus dem Deal zustimmt. Insofern wäre es taktisch klüger gewesen, auf Triumphalismus zu verzichten und stattdessen der schwachen britischen Premierministerin ein wenig semantischen Beistand zu leisten. Schließlich hat man beim Belfaster Abkommen 1998 auch Formulierungen gefunden, die es allen Seiten erlaubten, einen Sieg für sich zu reklamieren.
Aber Iren sind auch nur Menschen. In Anbetracht der Ignoranz und Arroganz, die britische Politiker gegenüber Irland an den Tag legen, ist es verständlich, dass man Härte zeigt, wenn man die britische Regierung schon mal in der Zange hat. Wenn die Nordirland-Ministerin Karen Bradley verkündet, dass sie von der Provinz, für die sie verantwortlich ist, keine Ahnung habe und das auch noch für selbstverständlich hält, ist das ein Affront. Und wenn der Tory-Abgeordnete Andrew Bridgen meint, dass er als Engländer ja wohl Anspruch auf einen irischen Pass habe, so ist das Kolonialdenken.
Den Vogel aber schoss Priti Patel vom rechten Tory-Flügel ab. Auf einen Untersuchungsbericht, der für Irland Lebensmittelengpässe im Falle eines harten Brexit prophezeite, reagierte sie mit der Bemerkung, dass man das doch in den Verhandlungen ausnützen könnte. Offenbar weiß sie nicht, dass die englische Regierung Mitte des 19. Jahrhunderts schon einmal eine Hungersnot in Irland verursacht hat, bei der eine Millionen Menschen starben. Das kam quasi einem Genozid gleich, denn die Mengen an Fleisch und Getreide, die man aus der irischen Kolonie exportierte, hätten ausgereicht, die Katastrophe zu vermeiden. Das hat man in Irland bis heute nicht vergessen.
Mit Leuten wie Bradley, Bridgen und Patel wird es jedenfalls nichts mit einem Entgegenkommen für Theresa May.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau