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Kommentar Auschwitz-ProzessNS-Verbrechen altern nicht

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Verurteilung der Täter ist trotz hohen Alters eine wichtige Geste gegenüber den Opfern. Ahndung muss sein, solange sie noch möglich ist.

Eine Geste gegenüber den Überlebenden und ihren Nachkommen: hier William Glied und sein Enkel Foto: dpa

D ie bundesdeutsche Justiz zählt nicht unbedingt zu den Institutionen, die durch einen besonders ausgeprägten Hang zur Selbstkritik auffallen. Umso erfrischender waren die Aussagen des Detmolder Schwurgerichts in der Urteilsbegründung gegen den ehemaligen SS-Wachmann von Auschwitz, Reinhold Hanning. Denn Richterin Anke Grudda hat nicht nur die verhängte fünfjährige Haftstrafe gegen den Angeklagten überzeugend begründet. Das Gericht kritisierte auch die Verfehlungen der Bundesrepublik bei der Verfolgung von NS-Straftätern in der Vergangenheit.

Was Grudda da ansprach, ist eines der niederschmetterndsten Kapitel in diesem Land. Nach dem Ende der Besatzungszeit 1949 glaubten Staat, Justiz und weite Teile der Gesellschaft, einen schnellen Schlussstrich ziehen zu können. Eine Strafverfolgung von Verbrechen fand in aller Regel nicht statt. Stattdessen bemühte sich Westdeutschland darum, die alten Eliten an den neuen Staat heranzuführen, im vollen Bewusstsein, dass diese zu einem guten Teil aus Verbrechern bestand. Es war gewiss kein Zufall, dass namentlich die Justizbehörden dabei ganz besonders nachsichtig agierten, waren doch die Richter und Staatsanwälte in der Regel dieselben, die schon zu Nazi-Zeiten Recht gesprochen hatten.

Erst die Gründung der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen Ende der 1950er Jahre vermochte wieder Prozesse gegen die Nazi-Täter in Gang zu setzen. Doch noch immer waren es die alten Herrschaften, die im Justizapparat bestimmten, und so erfolgten ganz erstaunliche Verfahrenseinstellungen, etwa aufgrund zweifelhafter ärztlicher Gutachten, die den Angeklagten Verhandlungsunfähigkeit attestierten.

Die jüngsten Verfahren gegen Demjanjuk oder Hanning können den moralischen Schaden nicht wieder gutmachen. Aber andererseits wäre nichts falscher, als die letzten Täter aufgrund ihres hohen Alters nun davonkommen zu lassen.

Das jahrzehnte lange Versagen der Justiz begründet es nicht, nun erst recht weiter versagen zu dürfen. Und es existiert glücklicherweise auch kein Paragraph, der Beihilfe zum Mord in Auschwitz mit Freispruch belohnt, nur weil der Angeklagte besonders alt geworden ist. Es ist vielmehr ein Gebot gegenüber den Opfern und ihren Nachkommen, die Verbrechen der Nazis zu ahnden, solange dies noch möglich ist – und das wird nicht mehr lange der Fall sein.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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8 Kommentare

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  • Nein, ist nur ein Persilschein-Urteil. Wer SS-Generäle (Simon) von Nazi-Richtern viermal frei sprechen läßt und insbesondere in seinen Geheimdiensten personelle und geistige Kontinuität (Unterstützung für NSU und NPD usw.) zuläßt (da könnte man jetzt auch einige Worte über das auswärtige Amt verlieren), wer Opfer nur äußerst widerwillig bis gar nicht entschädigt, braucht sich jetzt auch nicht mehr an kleinen Wachleuten vergreifen.

  • Die Verfehlungen der Vergangenheit macht man mit solchen Urteilen auch nicht mehr wett.Mit diesen Vefehlungen hat sich das Nachkriegsdeutschland nochmal zum Nationalsozialismus bekannt und die Opfer vehöhnt.Wer ,wie was genau gemacht hat,ob ost,ob West interessiert mich nicht.Allein die tatsache dieser beider Staaten und ihr Umgang miteinander spricht Bände über das sogenannte "deutsche Volk".

    • @Markus Müller:

      Richtig. Wichtiger wäre es, gegen den neuen Nationalismus vorzugehen. Aber da versagt der Staat wieder mal vollkommen und die Gesellschaft weitgehend.

  • Jaja, das muß konsequent verfolgt werden.

     

    Dem würde auch Rechnung tragen, wenn man z.B. die nach dem SS-Offizier Schleyer benannte Halle in Stuttgart wieder umbenennen würde. Schlage Hannah Arendt vor oder Kurt Tucholsky.

  • Nein, ist nur ein Persilschein-Urteil. Wer SS-Generäle (Simon) von Nazi-Richtern viermal frei sprechen läßt und insbesondere in seinen Geheimdiensten personelle und geistige Kontinuität (Unterstützung für NSU und NPD usw.) zuläßt (da könnte man jetzt auch einige Worte über das auswärtige Amt verlieren), wer Opfer nur äußerst widerwillig bis gar nicht entschädigt, braucht sich jetzt auch nicht mehr an kleinen Wachleuten vergreifen.

  • Gewiß - Herr Hillenbrand - aber -

    wie gewohnt -

     

    Geschichtlich - ziemlich flüchtig hingekritzelt - Sagen Sie richtiges &

    Sann doch auch lausig einäugig!

    SBZ/DDR - die "rotlackierten Faschisten" (Kurt Schumacher) -

    Ohne fette braune Flecken?!

    Bisken jung wa!

     

    Daß die Ingenieure & Macher der

    Firma Topf - KZ-Verbrennungsöfen -

    Die in der SED fest im Sattel saßen - ihren riebergemachten Kollegen die Persilscheine ausstellten?!

    Ka Ahnung nich?! & daß

     

    Hans-Adolf Kanter - der wichtigste Spion der DDR - noch vor Guillaume (Markus Wolff) - fest in der Hand des MfS wg Säuberungen/Massakern auf dem Balkan war! Neu?! https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hans-Adolf_Kanter

     

    Nur als Beispiele! Bessere Kenner der Materie - wissen da weit mehr - NVA - Kultur - usw usf!

    Das macht BRD-Geschichte nicht besser. Aber die derzeitige Entwicklung -

    Gesamt 'schlands - postAnschluß! Nachvollziehbarer! Ja - in der Tat -

    Da wuchert zusammen - doch doch -

    Was zusammen gehört!

    Wohl wahr!

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    5 Jahre für einen 94-Jährigen. Also lebenslänglich. Das schafft nur Deutschland.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Sie glauben doch nicht wirklich,dass er auch nur einen Tag davon im Knast verbringt!?