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Kommentar Arafats ExhumierungDie Toten ruhen lassen

Kommentar von Susanne Knaul

Wem nützt die Exhumierung Arafats acht Jahre nach seinem Tod? Den Palästinensern nicht, den Israelis nicht, einer durchgeknallten Witwe schon.

A usgerechnet Suha Arafat, Witwe des legendären PLO-Chefs, trieb die Exhumierung ihres Mannes voran, um herauszufinden, wie er gestorben ist. Keine andere als die streitbare Bankierstochter aus Ramallah hatte eine Obduktion verhindert, als sie noch weniger aufwändig, dafür aber deutlich aufschlussreicher gewesen wäre als heute.

Sie habe damals unter Schock gestanden und deshalb an so etwas nicht gedacht, sagt sie. Immerhin war Arafat gut vier Wochen krank, bevor er starb. So überraschend kann sein Tod für sie nicht gewesen sein. Es wird einem flau im Magen, wenn man sich vorstellt, was in dem Sarg liegt, der heute geöffnet werden soll.

Das Misstrauen zwischen der palästinensischen Führung und Arafats Witwe ist so groß, dass gleich mehrere Untersuchungsteams beauftragt wurden, sich der Gewebeproben anzunehmen. Wenn sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wäre nur Israel erst einmal fein raus. Unter den Palästinensern ginge das Rätselraten weiter.

Bild: privat
Susanne Knaul

ist Israel-Korrespondentin der taz.

Und selbst wenn sich die Experten auf Mord einigen sollten, wäre das Ratespiel noch immer nicht vorbei. Gerade dann würde man wissen wollen, wer ihm das giftige Polonium in den Tee oder seine Suppe rührte. Die Chancen der Palästinenser auf einen eigenen Staat sind vermutlich besser, als je eine Antwort darauf zu finden.

Ariel Scharon, der Israel damals regierte und sicher alles andere als Sympathie für ihn empfand, ist längst nicht der einzige, der dafür in Frage käme. Mahmud Abbas, Arafats Nachfolger, hätte ein Motiv gehabt, genauso wie viele andere in der Führungsriege, die Opfer der Launen ihres Chefs wurden, der es liebte, gerade seinen engsten Vertrauten öffentlich zu erniedrigen.

Die Mehrheit der Palästinenser wird trotzdem automatisch Israel die Schuld geben, was keine Rolle spielt, denn das Verhältnis der beiden Völker ist ohnehin miserabel. In den Führungsreihen der Fatah würde sich Misstrauen breitmachen und einer den anderen verdächtigen. Nur Suha Arafat kann sich freuen. Das Spektakel in Ramallah ist ganz nach dem Geschmack der durchgeknallten Witwe.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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13 Kommentare

 / 
  • F
    Falmine

    Die Witwe Arafats mag ihre Ehe mit Arafat absolut eigen-willig geführt haben. Dennoch hat sie Anspruch darauf, die genaue Ursache seines Todes zu kennen. Mord verjährt nicht und jedes einigermaßende funktionierende Rechtssystem tut gut daran, ihn aufzuklären.

    Frau Knauls Kommentar ist leider nur vordergründig und überheblich. Ist sie womöglich in Israel zu sehr 'embedded'?

  • T
    thilo

    Richtig, ich finde, das könnte man allgemein so halten. Verdächtige Todesfälle werden nur noch aufgeklärt, wenn das jemandem nützt. Allerdings nicht irgendjemandem, sondern jemandem, den Susanne Knaul sympathisch findet.

     

    Und außerdem: Auf einen Mord mehr oder weniger kommt es im Nahen Osten doch nun wirklich nicht mehr an. Laßt die Toten ruhen, und packt noch ein paar dazu.

  • I
    I.Q

    Ich hab nicht den Eindruck, diese Debatte käme der israelischen Fühung ungelegen.

    Soweit es der Ablenkung von der Gegenwart gilt bestimmtn nicht und in dieser Richtung wird es auch hochgehalten: Viel Spekulieren, wenig Aufklären!

     

    Und ob die Witwe durchgeknallt ist?

     

    Hat sie etwa den Stein zum rollen gebracht?

  • T
    TeufelsAdvokat

    Die Toten ruhen lassen (... und den Angehoerigen ins Gesicht spucken) Selten so einen zynischen Kommentar in der Taz gelesen, wie Ihren, Frau Knaul.

     

    Der Umstand, dass Frau Arafat wissen moechte, ob ihr Mann ermordet wurde oder nicht, macht sie zu einer durchgeknallten Witwe? Naja, Frau Arafat wusste ja immerhin schon seit 4 Wochen von einer Krankheit ihres Mannes, na dann haette sie ja schon einen Tag nach seinem Tod froehlich durch die Strassen huepfen koennen.

     

    Ob der eventuelle Mord an Arafat nicht mehr aufgeklaert werden kann, wie wollen Sie das beurteilen? Haben Sie Zugang zu den Ermittlungsakten, oder ggf. bereits sichergestellten Beweismitteln? Wenn nicht, besitzen Sie auch nicht die Kompetenz, sich zu den Aufklaerungschancen zu aeussern.

     

    Und was fuer ein seltsame Rechtsauffassung Sie vertreten, bei Verdacht auf Straftaten soll also nur ermittelt werden, wenn es politisch opportun ist. Alles klar, Frau Kommissar...

  • A
    anke

    Ich kenne Frau Arafat nicht, kann also auch nicht beurteilen, ob der Titel "durchgeknallte Witwe" einer erweislich wahren Tatsachenbehauptung entspricht. Recht seltsam finde ich aber etwas anderes. Nämlich: Ausgerechnet die Israel-Korrespondentin einer sich politisch gebenden Tageszeitung plädiert mit Rücksicht auf ihren schwachen Magen dafür, die Frage ungeklärt zu lassen, ob ein Staatoberhaupt ermordet wurde oder nicht. Und zwar mit der Begründung, es sei ggf. eh nicht mehr zu klären, wer der Mörder war. "Hä?", kann ich da nur fragen. Und mir die "Logik" merken. Für den Moment, in dem die taz mal wieder jammert, dass die Knete nicht langt und die Abo-Zahlen zurückgehen.

  • M
    manfred (60)

    "Gerade dann würde man wissen wollen, wer ihm das giftige Polonium in den Tee oder seine Suppe rührte."

     

    Sie kennen die Tatwaffe - wissen Sie mehr? Vielleicht gar vom Täter selbst?

  • WD
    Warum die Witwe?

    "Heutzutage erfolgt die Herstellung von Polonium jedoch im Kernreaktor durch Neutronenbeschuss von Bismut", weiß die Wikipedia. Wird sich also die Frage stellen, wer einen Kernreaktor übrig hat oder gute Freunde, die einen haben.

     

    Davon abgesehen hätte mich der Kommentar klüger hinterlassen, wenn er erklärt hätte, WARUM die "durchgeknallte" Moppelwitwe was davon haben könnte.

  • H
    Humankapital

    Arafat war vor allem ein Mensch und wenn er ermordet wurde (von wem auch immer), muss es auch so in die Geschichtsbücher eingehen. Alleine um des Menschen willen und auch um der Wahrheit willen. Die Aufklärung ist nicht Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck, egal was weiterhin ans Tageslicht kommen könnte.

  • M
    MFuchs

    Warum Arafats Witwe "durchgeknallt" sein soll, erschließt sich mir nicht. Der Kommentar wird dadurch schön aufgepeppt, den Luxus eines Arguments hätte uns Frau Knaul jetzt aber doch auch gönnen können.

  • A
    Ant-iPod

    Was will uns Frau Knaul sagen - abgesehen davon, dass sie offensichtlich nicht viel von der Witwe des Palästinenserführers hält.

    Hier geht es im Kern um die Frage, ob jemand eines natürlichen Todes starb, oder ermordet wurde. Es ist eine juristische Frage, ob hier ein Verbrechen vorliegt. Aus Prinzip ist dem Mordverdacht nachzugehen.

     

    Will Frau Knaul wirklich vorschlagen, dass Mordverdacht egal sei, nur weil sie die Aussichten auf die Ergreifung des Täters für gering erachtet? Ist dies ein ernst gemeinter Vorschlag??????

     

    Ich bin einfach nur entsetzt darüber, wie eine solche Auffassung für selbstverständlich genommen werden kann.

    Wir wissen noch nicht, was Arafat getötet hat und wenn man ein Gift findet, so kann dies diverse Hinweise auf die Täter geben... dies von vorneherein auszuschließen, weil es angeblich nichts brächte, ausser einer Witwe eine klare Aussage über den Tot ihres Mannes - was alleine schon die Tat rechtfertigt - zeugt von einer sehr fragwürdigen Haltung gegenüber Recht und Gesetz einerseits und mangelnder Mitmenschlichkeit und Gefühl für den Verlust der Witwe andererseits.

    Ich kann für Frau Knaul nur hoffen, dass Sie niemals in eine Lage gerät, wo sie den Tot eines Nahestehenden betrauert und Zweifel über die Todesursache an den Tag treten - das wünsche ich niemandem.

  • AN
    Attila Nagy

    Ich bin verwirrt... Nur weil es eventuell nicht einfach wird, bei Mord den Mörder zu finden, solle man das ignorieren?? Man stelle sich nur vor, es waren Leute um Abbas oder gar die israelische Regierung und man könnte das beweisen. Sicher würde das zur Destabilisierung beitragen, aber in meinem Rechtsverständinis gehört sowas aufgeklärt.

  • D
    D.J.

    Frau Knaul, so sehr ich Ihre Bedenken verstehe: Es gehört zu den Grundlagen zivilisierter Kulturen, dass bei möglichen Verbrechen versucht wird, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, sei es gelegen oder ungelegen. Nur scheinbar anderes Thema: Es ist ein zivilisatorischer Skandal, dass in D Morde an v.a. alten Menschen sehr oft nicht erkannt werden, da das öffentliche Interesse als zu gering eingeschätzt wird, um mehr Obduktionen durchzuführen.

  • S
    Susi

    Würde es sich um einen ehemaligen israelischen Politiker handeln hätte Frau Knaul natürlich eine ganz andere Meinung. Da Arafat aber nur Palästinenser war ist es nicht so wichtig wer ihn ermordete.