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Kolumne PressschlagWas meint Oliver Kahn?

Kolumne
von Thomas Winkler

Der Pokal hat keine eigenen Gesetze – er weist bloß nach, wie wichtig der Faktor Glück im Fußball immer noch ist. Oliver Kahn hat das noch nicht verstanden.

Hat Edelsteine und einen Goldüberzug, aber keine eigenen Gesetze: DFB-Pokal. Bild: dpa

W as wäre der Fußball ohne seine Axiome. Eines der beliebtesten: Der Pokal besitze seine eigenen Gesetze. Übersetzt: Profiklubs fliegen unerklärbarerweise raus gegen niederklassige Dorfvereine. Man nennt das dann „Pokalüberraschung“. Oder, wenn ein Erstligist gegen einen sogenannten Amateurverein aus Liga vier oder darunter ausgeschieden ist, auch „Pokalsensation“. Neueste Indizien für das Gesetz von den eigenen Gesetzen lieferte zuhauf die erste Runde im DFB-Pokal.

Tatsächlich haben sich bereits sechs Vertreter der 1. Bundesliga aus dem Wettbewerb verabschieden müssen. Selbst wenn Bayern München gestern Abend (nach Redaktionsschluss) wider Erwarten Jahn Regensburg bezwungen haben sollte, ist doch bereits ein Drittel der deutschen Eliteliga im Pokal gescheitert. Und das zum Teil erbärmlich: Aufsteiger Eintracht Frankfurt blieb beim 0:3 gegen den Zweitligisten Aue ebenso chancenlos wie Hoffenheim beim 0:4 gegen den viertklassigen Berliner AK 07. So schlecht, haben die Fußballhistoriker schnell ermittelt, hat die 1. Liga seit 1987 nicht mehr abgeschnitten im Pokal.

Doch seien wir ehrlich: Es gibt keine Gesetze, die nur im Pokal nicht beachtet werden. Es gibt vielleicht ein paar Profis, die ihre Gegner unterschätzen, aber der entscheidende Unterschied ist: In der Liga fallen die überraschenden Ergebnisse in der Tabellenendabrechnung einer langen Saison nicht mehr so auf.

Bild: privat
Thomas Winkler

ist Autor der taz.

Das einzige Gesetz, das im Fußball immer gilt: Man weiß nicht, wie’s ausgeht. Tatsächlich bezieht der Fußball zu einem wesentlichen Teil seinen Reiz daraus, dass er unvorhersehbarer ist als die meisten anderen Mannschaftssportarten. Das liegt zum einen an der Leistungsdichte in diesem Sport, der nahezu überall auf der Welt die Nummer eins ist. Zum anderen an den wenigen Toren, die fallen und entsprechend entscheidend sind: Im Basketball ist es schwierig, sich 40 Minuten reine Spielzeit hinten reinzustellen und mit einem Kontertreffer das Spiel zu gewinnen.

Nicht kleinzukriegen, dieses Glück

Wenn also diese erste DFB-Pokalrunde etwas bewiesen hat, dann nicht, dass hier eigene Gesetze herrschen, sondern nur, dass Oliver Kahn ziemlichen Blödsinn redet. Die von ihm angestoßene Diskussion, dass es der Nationalmannschaft an den entscheidenden Prozenten Willenskraft mangeln würde, um Titel zu gewinnen, ist fachlich ähnlich substanziell wie die Klage der Springer-Medien, das EM-Halbfinalaus sei damit zu erklären, zu wenige Nationalkicker hätten die Hymne mitgesungen.

Tatsächlich ist es doch so: Zwar wird nichts unversucht gelassen, den Faktor Glück im Fußball mit Trainingsmethodik und Scouting, Mentaltraining oder Taktikanalysen einzudämmen. Aber nicht nur der Pokalwettbewerb beweist immer wieder, dass er zwar immer kleiner, aber eben nicht vollkommen kleinzukriegen ist, dieser Faktor.

Nur mal angenommen: Hätte Pirlo den Schuss von Hummels im EM-Halbfinale nicht von der Linie gekratzt? Oder wäre Balotelli der Ball vom Spann gerutscht? Würden wir dann übers Singen diskutieren? Über Willen? Nein, wir würden über Wichtigeres sprechen. Zum Beispiel darüber, ob es statthaft ist, Oliver Kahn mit Gebührengeldern dafür zu bezahlen, Nonsens zu erzählen.

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10 Kommentare

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  • W
    Wanja

    Die Bundesligisten kommen mit schweren Beinen und wenig Testpraxis aus der Vorbereitung, die unteren Ligen sind schon im Spielbetrieb - Den Unterschied kann jeder einschätzen, der selbst aktiv ist oder war.

    Auf dem Niveau darf sich Thomas Winkler gern mit Olli Kahn rumschubsen ;)

  • K
    Kalendermann

    Der Artikel wird vermutlich morgen in der Print-Ausgabe stehen und wurde von der Online-Redaktion (zu) früh übernommen. Das würde die Zeitangabe erklären.

  • HL
    Herr Leser Irgendein

    Schon als ich den schönen Satz las, "dass Oliver Kahn ziemlichen Blödsinn redet", wusste ich, dass mir dieser Artikel gefallen würde. Und nun am Schluss gar die (ja nun wirklich unabweisbare!) Vermutung: "Nein, wir würden über Wichtigeres sprechen. Zum Beispiel darüber, ob es statthaft ist, Oliver Kahn mit Gebührengeldern dafür zu bezahlen, Nonsens zu erzählen."

     

    Oh, wie schön zu lesen...

     

    Aber im Ernst: könnte sich der Autor des Artikels vorstellen, diesen Gedanken - vielleicht in noch deutlicherer Formulierung - bis auf Weiteres als eine Art von CETERUM CENSEO ans Ende jedes seiner Texte zu stellen? So könnte der Gute Zweck erreicht werden, nämlich: dass es ein baldiges Ende nehmen möge mit Herrn Kahns verbalen Exkreten, die er den unschuldigen Fernsehzuschauern schon viel zu lange zumutet.

  • EL
    ein Leser

    Das Spiel FC Bayern - Jahn Regensburg ist erst heute (20.08.2012) um 20:30 (Quelle: dfb.de).

  • R
    Rellüm

    Sie haben völlig recht, der Kahn haut auf den Putz, er will Bundestrainer werden, und die Profilierung dazu findet im ÖR-Fernsehen auf unsere Kosten statt, aber da ging es auch um Einschaltquote, wie beim Pendent im Ersten in der Verunglimpfung von Gomes, sie war so schlecht, da mußte nach dem Muster der Springermedien etwas getan werden.

  • A
    Andreas

    Seit langem versuche ich in meinem Freundeskreis Gehör genau für diese Bewertung des Fussballs zu erlangen. Natürlich sieht man viele Fussballspiele, bei denen eine Mannschaft überzeugend spielt und so auch verdient gewinnt. Aber es gibt auch sehr viele Partien, bei denen eine Mannschaft eigentlich besser ist, eine andere aber dennoch glücklich dem Rückstand entgeht und dann sogar gewinnt.

     

    Hierbei muß doch auch gesehen werden, daß im Fussball das Selbstvertrauen einer Mannschaft entscheidend ist. Warum sonst haben Teams immer wieder lange Erfolgsserien, in denen scheinbar alles gelingt, wenngleich die selben Kicker im Zeitraum zuvor sehr mittelmäßig agiert haben, Beispiel Mönchengladbach in der vergangenen Spielzeit.

     

    Daher sagt man zwar oft, der Sieg sei in der Geamtschau eines Spiels für ein Team verdient, da eine Mannschaft zwar erst schwach, nach einem Führungstor aber umso couragierter aufgetreten ist. Die Frage ist doch aber immer, um beim Beispiel des Artikels zu bleiben, wie hätte den das deutsche Team gegen Italien gespielt, wäre der Ball nicht von der Linie gekratzt worden und Deutschland so in Führung gegangen. Evtl. wäre dann ja Italien verunsicht und Deutschland hätte erhöhen können.

     

    Daher bin ich vollkommen der Meinung des Autors, das Glück ist ein ganz wichtiger Faktor im Fussball, der oft Spiele und Spielverläufe entscheidet. Die Frage ist dann nur, wie geht man mit dem mangelnden Glück im eigenen Spiel als Mannschaft um, steckt man auf wie Hoffenheim, oder bemüht man sich weiter wie die Nationalelf gegen Argentinien?

  • J
    Jürgen

    Hr. Winkler, Sie schreiben: "Selbst wenn Bayern München gestern Abend (nach Redaktionsschluss)". Haben Sie Redaktionsschluss schon bevor das Spiel angepfiffen wurde, net schlecht, aber erklärt das Niveau von manchen Artikeln ;)

  • A
    Andre

    Auf den Punkt !

  • OK
    Oliver Kahn

    1. Warum glaubt der Autor er hätte mehr Ahnung vom Fussball als ein langjähriger, überaus erfolgreicher Fußallprofi???

     

    2. Gerade in dieser Pokalrunde hat man doch deutlich gesehen, was mit einem starken Siegeswillen geht. Egal ob bei BAK, Worms oder KSC.

  • R
    reblek

    Dass so ein "Menschenfresser" wie Kahn in der taz irgendeine Erwähnung findet, ist nicht nötig. Bekanntlich macht der Herr - wie jetzt auch Werder Bremen - Reklame für "Wiesenhof" und lässt sich dafür fürstlich bezahlen. Selbstverständlich ist alles, was von den Organisationen, die sich mit den Zuständen in der Firma befasst haben, falsch. Kann ja auch nicht stimmen, wenn Kahn für die Verbreitung der Wahrheit viel Geld bekommt.