Kolumne Die Kriegsreporterin: So knapp, so knapp und bieder
Bettina Schausten, Til Schweiger, Wolf Gerlach, Stefan Raab – und eine Verbeugung vor dem Erfinder der Mainzelmännchen.
H allo, taz-Medienredaktion! Nun weiß ich, wie es ist, wenn man schnell, sehr schnell sein Zeug raushauen muss und am Ende das Gefühl hat: Das war vielleicht etwas zu hurtig. So geschehen letzte Woche bei der ZDF-USA-Wahlnacht in Berlin, wo ich mich doch sehr aufregte, dass Bettina Schausten gegen 5:30 Uhr in Bezug auf Obamas Sieg ständig sagte, es sei so knapp.
So knapp, so furchtbar knapp, wobei der gute Obama doch rund 100 Wahlleute mehr sein eigen nennen konnte als der olle Mitt. Da hoffte ich, man würde auch mal denken und nicht unablässig die Wörter repetieren, die man in den vergangenen Tage eingebläut bekommen hatte, nämlich dass es sehr eng werden würde.
Tatsächlich war es das in Bezug auf die wenigen Stimmen, dank deren Obama die Wahlleute gewann. Aber das sagte zu dem Zeitpunkt niemand, schon gar nicht Bettina Schausten. Und so wunderte ich mich und ward via Twitter ungehalten. Was, wie ich jetzt weiß, gemein war.
ist Kolumnistin und Autorin der taz.
Zumal Frau Schausten, über die ich ja sonst gern herziehe, weil sie so einen langweiligen, biederen und vor allem spaßfreien Eindruck macht, einen ziemlichen Knallerjob hingelegt hat. Denn das war mit das Interessanteste zu sehen beim Vor-Ort-Sein: Dass jemand auch nach sieben Stunden Livesendung immer noch ohne Probleme eine Frage nach der anderen an seine Gäste raushaut, ohne dass man das Gefühl hatte, die Frage schon elfmal gehört zu haben.
Obschon der ganze Abend von nichts anderem als der Wiederholung des ewig Gleichen lebte. Und was mich auch beeindruckt hat, ist die Coolness, mit der das ZDF, über das ich mich ja gleichfalls gern auslasse, weil es so langweilig, bieder und spaßfrei ist, inmitten der Hunderte von Gästen seine Sendung fuhr, ohne dass einer von diesen sonst so aufgeregt mit dem Headset herumlaufenden Wichtigleuten wichtig tat. Ehrlich gesagt, man hatte gar nicht den Eindruck, dass außer den sehr entspannten Kameraleuten und den Moderatoren, irgendjemand dort arbeitete.
Sehr gut gefallen hat mir diese Woche auch eine Wortkreation, die im Zusammenhang mit Stefan Raabs Versuch einer politischen Talkshow geschaffen wurde. Die des „ADHS-Talk“. Wenn ich recht informiert bin, ist sie vom Kollegen Stefan Winterbauer von meedia, dem ich meinen Glückwunsch aussprechen möchte. Und dem ich, sollte er nicht der Urheber sein, diesen Glückwunsch wieder entreiße, um ihn dem eigentlich Tolldenkenden, dem unbekannten Tolldenker quasi, auszusprechen.
Auch toll möchten aktuell die 117 „Tatort“-Kommissar-Darsteller sein, die sich allesamt gegen die Inflation der „Tatort“-Kommissare aussprechen und die Marke verwässert sehen. Was mir besonders gut gefällt, da gerade die den Mund weit aufmachen, die neu dazugekommen sind und unter dem Verdacht stehen, die Marke zu verwässern, wie Jörg Hartmann zum Beispiel. Ausgenommen ist Til Schweiger, der nie etwas verwässern kann, sondern alles und alle mit seinem nahrhaften Saft befruchtet. Da ist man froh, wenn man einen Klecks abkriegt.
Befruchtung findet dieser Tage auch an dieser Stelle, in der schönen taz, statt. ProQuote nämlich, der Verein, der leider nur für 30 Prozent Frauen in Führungspositionen in den Medien statt für 50 kämpft, übernimmt die taz. Kochrezepte und Geschichten, die das Schicksal schrieb, werden am Wochenende das Blatt füllen und zeigen, wie so eine Zeitung aussähe, hätten Frauen was zu sagen. In diesem Sinne verbeuge ich mich vor dem Erfinder der Mainzelmännchen, Wolf Gerlach, der mit 84 Jahren gestorben ist, und gebe mit einem herzlichen „Gud’n Aaamd!“ zurück nach Berlin!
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