Journalistik-Professor über den „Spiegel“: „Ohne crossmediale Strategie“
Für Klaus Meier ist die „Spiegel“-Krise ein Symptom für die Probleme vieler Medien, deren gedruckte Auflagen sinken, während Online kein Geld bringt.
taz: Herr Meier, die Chefredakteure von Spiegel und Spiegel Online werden entlassen. Dem einen wird ein Auflagenverlust des gedruckten Magazins vorgeworfen, dem anderen seine Weigerung, eine Bezahlstrategie für Spiegel Online umzusetzen. Passen Online und Print einfach nicht zusammen?
Klaus Meier: Momentan sind – zumindest nach außen – Spiegel und Spiegel Online mit Sicherheit zwei getrennte Medienwelten, die keine crossmediale Strategie erkennen lassen. Denken Sie nur an das Blogprojekt namens Spiegelblog: Die Printredaktion schreibt auf den Onlineseiten ein Blog über die eigene Arbeit, in das die Onlineredaktion aber nicht eingebunden ist und das die Onlineredaktion ziemlich geschickt auf der Website versteckt.
Lassen sich die beiden Welten verbinden?
Ein komplexes Gefüge muss über Jahre zusammengeführt werden. Zuerst einmal müssten die Eigentümer ein Ziel formulieren und eine Strategie entwickeln, ob man zum Beispiel die Redaktionen integrieren will und eine Paywall errichten möchte – oder eben nicht.
Über eine Bezahlstrategie wird beim Spiegel laut nachgedacht. Ebenso bei Bild Online. Was würde es für die deutschsprachige Medienbranche bedeuten, wenn Spiegel Online und Bild Online für manche Inhalte Paywalls hochzögen?
Wenn das immer mehr Medien einführen, wird eine Elite der Mediennutzer auch nach und nach bereit sein, für Journalismus zu zahlen. Die Entwicklung würde dann forciert. Es ist ein Trend, dass Medien, die von sich sagen, dass sie qualitativ hochwertigen Content anbieten, auch hinterherschicken, dass er etwas kosten muss. Aber es gibt verschiedene Modelle. Auch das freiwillige Bezahlmodell von taz.de fällt unter Bezahlstrategie.
44 Jahre alt, ist Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Bis zum Jahr 1991 war einmal Lokalredakteur bei der Hofer Frankenpost und bis 1993 freier Journalist. Meier ist Mitglied der Jury zur Wahl der „Journalisten des Jahres“.
Daneben wird es immer einen breiten Markt für, abfällig gesagt, Junk Food geben, schnelle Nachrichten, die sich nur über Werbung finanzieren. Wahrscheinlich wird es eine Differenzierung geben zwischen einem Massenmarkt und einem hochwertigeren Journalismus, der Hintergründe aufbereitet und Orientierung bietet.
Das würde heißen, dass es keine gedachte Trennung mehr zwischen Print und Online gibt, sondern zwischen aufwändig und wenig aufwändig? Das könnte man durchaus als Fortschritt beschreiben.
Ja, ich denke, dass es ein Publikum gibt, das hungrig ist nach hintergründigem Journalismus und dafür zu zahlen bereit ist, unabhängig vom Vertriebsweg. Bei der New York Times sehen wir das. Deren Bezahlstrategie funktioniert: ein differenziertes System, bei dem nicht einfach eine Schranke eingezogen wurde, hinter der alle Inhalte für die Abonnenten versteckt sind. Sondern es gibt verschiedene Stufen für verschiedene Nutzer.
Reden wir über die Auflage des gedruckten Spiegels. Sie ist gesunken, liegt aber immer noch bei etwa 900.000 Exemplaren. Wo ist das Problem?
Das ist eine hohe Auflage, natürlich, nur ist sicher auch die Erwartungshaltung relativ hoch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die gedruckten Wochenmedien mehr Zukunft haben als Tageszeitungen. Aber offensichtlich sind manche Wochenmedien erfolgreicher als andere. Die Zeit hat kürzlich ihre historische Höchstauflage erreicht.
Warum ist die Spiegel-Auflage Ihrer Meinung nach gesunken?
Es gibt im Internetzeitalter sehr viel Meinung und sehr viel interessengeleitete Information. Ich denke, dass Orientierungswissen, das nicht von vornherein den Touch von Einseitigkeit hat, von der Informationselite sehr geschätzt wird. Im Gegensatz zur Zeit kann der Spiegel mit seiner Tradition hier womöglich nicht so richtig gut punkten.
Und das bedeutet für die taz?
Die taz ist ein Sonderfall, da sie in einem bestimmten Milieu entstanden ist und dieses auch heute bedient. Die taz tut gut daran, eine politische Richtung zu verfolgen, weil das die Zielgruppe so will. Natürlich wird die taz damit aber nicht in den Genuss einer Auflage von 500.000 kommen.
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