Jonny K.: „Aus erzieherischen Gründen“
Im Verfahren gegen die mutmaßlichen Schläger vom Alex fordert die Staatsanwaltschaft fünfeinhalb Jahre Haft für Onur U., der als Haupttäter gilt.
Das Plädoyer von Oberstaatsanwalt Michael von Hagen dauert eine knappe Stunde. Die Zuschauer- und Pressebänke im Prozess um den Tod von Jonny K. sind voll besetzt, wie am ersten Verhandlungstag im Mai. Erst geht von Hagen mit Teilen der Medien ins Gericht: Sie hätten im Verfahren eine unrühmliche Rolle gespielt. Dann fasst er das Ergebnis der Beweisaufnahme zusammen. Den 19-jährigen Angeklagten Onur U. macht er als Haupttäter aus. „Aus erzieherischen Gründen ist eine deutliche Strafe geboten“, sagt von Hagen. Er fordert für den ehemaligen Amateurboxer 5 Jahre und sechs Monate Haft.
U.s Gesicht läuft rot an. Sein Blick geht zu den Freunden und Verwandeten im hinteren Teil des Saales. Einige von ihnen weinen. Onur U. schüttelt den Kopf, lächelt fassungslos.
Alle waren beteiligt
Deutlich niedriger fällt der Strafantrag der Staatsanaltschaft für die fünf Mitangeklagten aus. Osman A. (19), Memet E. (20), Melih Y. (21), Hüseyin I.-O. (21) und Bilal K. (24) sollen zwischen zweieinhalb und drei Jahren wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei ins Gefängnis. Der Staatsanwalt ist überzeugt, dass alle Angeklagten an der Prügelattacke gegen Jonny K. beteiligt waren, zu der es am frühen Morgen des 14. Oktober 2012 auf dem Alexanderplatz gekommen war. Der 20-jährige K. war kurz darauf an Hirnblutungen gestorben. Was die Blutungen ausgelöst hat – Schläge, Tritte oder der Sturz mit dem Kopf aufs Pflaster – konnten Rechtsmediziner in dem Prozess nicht mit Sicherheit sagen.
Für Staatsanwalt von Hagen steht fest: Onur U. hat die Konfrontation angefangen. Er habe den ersten Faustschlag gegen Jonny K. geführt. Erst danach hätten die anderen Angeklagten auf das Opfer eingeschlagen und getreten. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse sich derjenige, der mit einer Tat begonnen habe, alle anderen Tatbeiträge zurechenen lassen, wenn nicht festzustellen sei, welche der körperlichen Einwirkungen letzlich zum Tode – in diesem Fall zu der tödlichen Hirnblutung – geführt hat, sagt von Hagen. Deshalb sei nur Onur U. wegen Köperverletzung mit Todesfolge zu verurteilen.
Hauptbelastungszeuge ist Jonnys Freund, der 28-jährige Gerhard C. Der Afrodeutsche war in der Nacht mit K. und zwei weiteren Freunden unterwegs. Den einen musste C. tragen, weil er zu betrunken war. Vor dem Eiscafé in den Rathauspassagen kam es zu der Begegung mit zwischen den beiden Gruppen, die sich zuvor noch nie gesehen hatten.
Gerhard C. hat Onur U. im Prozess schwer belastet: Dieser habe Jonny K. angegriffen. Und auch er selbst sei danach von U. zusammengeschlagen worden. Letzteres hat Onur U. zugegeben: Mindestens 12 Faustschläge habe er Gerhard C. versetzt. Jonny K. habe er aber nicht angefasst. Tatsächlich gibt es Unstimmigkeiten und Widersprüche in der Aussage des Hauptbelastungszeugen. Der Staatsanwalt weist in seinem Plädoyer darauf hin. Im Kern hält er C. aber für absolut glaubwürdig. Er verweist auf Details, die sich C. nicht ausgedacht haben könne. Onur U. wirft er Beschönigung vor.
U.s Verteidiger Axel Weimann plädiert für eine deutlich mildere Strafe, die seinem Mandanten eine Haftverschonung ermögliche. „Die Sichtweise des Staatsanwalts verschlägt mir fast die Sprache“, so Weimann. Gerhard C.s Aussage biete keine verlässliche Urteilsgrundlage – er habe ein Interesse, die Abläufe so darzustellen, weil er Jonny K. nicht habe schützen können und deshalb . von Selbstvorwürfen geplagt sei.
„Habe die Wahrheit gesagt“
Onur U. entschuldigt sich in seinem Schlusswort bei Jonny K.s Familie. „Ich kann dir in die Augen gucken, ich habe die Wahrheit gesagt“, sagt er direkt zu Tina K. Die Schwester des Getöteten nimmt als Nebenklägerin an dem Prozess teil. Die übrigen Verteidiger fordern für ihre Mandanten Haftstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden können. Das Urteil soll am Donnerstag ergehen.
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