Interkonfessionelle Ehen im Libanon: Einfach heiraten geht nicht
Tausende Libanesen fliegen jedes Jahr nach Zypern, um zu heiraten. Menschen unterschiedlicher Religion werden im Libanon nicht getraut. Ein säkularer Staat wird gefordert.
Man stellt sich Leute, die das eigene politische System herausfordern, anders vor. Bestimmter. Menschen, die Fäuste recken. Kholoud Sukkarieh und Nidal Derwisch sitzen auf der Terrasse eines Fitnessstudios in Beirut und machen nicht viel Aufhebens um ihre Person. Und das, obwohl sie derzeit am Fundament des politischen Systems ihres Landes rütteln.
„Wir haben uns 2010 getroffen, haben uns verliebt und wollten heiraten“, sagt Sukkarieh, die als Koordinatorin in einer Sprachschule arbeitet. „Wir wollten standesamtlich heiraten, doch es war unklar, ob das möglich ist.“
Seit der Staatsgründung des Libanon bestimmen Religionszugehörigkeiten das öffentliche Leben. Unter anderem sieht das System vor, dass der Präsident immer ein Christ, der Premier ein Sunnit und der Parlamentssprecher ein Schiit sein muss. Und auch personenrechtliche Angelegenheiten werden vom Klerus verhandelt. Geboren, geheiratet, geschieden, gestorben und geerbt wird in der Kirche, Moschee und im Fall der Drusen in der Khalwa.
Für Paare unterschiedlichen Glaubens stellt dies ein Problem dar. Entweder ein Partner konvertiert oder die Ehe wird in einem anderen Land geschlossen. Tausende Menschen fliegen jedes Jahr nach Zypern, um sich das Jawort zu geben.
Sukkarieh und Nidal sahen das nicht ein. „Warum sollten wir nach Zypern fliegen und dort heiraten, anstatt uns wie Bürger unseres eigenes Landes zu fühlen?“, sagt Sukkarieh. „Ich bin zuerst Libanese und dann Mitglied meiner Religion“, sagt Derwisch.
Französische Kolonialzeit
Laut einem Gesetz aus der französischen Kolonialzeit fallen alle, die keiner anerkannten Religion zugehören, unter das Zivilrecht. Seit 2009 ist es möglich, die eigene Konfession aus allen personenbezogenen Dokumenten zu entfernen. Was vor drei Jahren scheinbar einen rein symbolischen Wert hatte, eröffnet jetzt den Weg in die Zivilehe. „Für zehn Monate studierten wir die Gesetze und besorgten alle notwendigen Papiere“, sagt Sukkarieh. „Dann gingen wir zum Notar.“ Als die beiden ihre Ehe zwei Monate später bekannt gaben, brach ein Sturm los.
„Jeder, der die Zivilehe unterstützt, ist ein Apostat“, sagte der oberste sunnitische Mufti Mohammed Raschid Kabbani in einer Stellungnahme. Den Unterstützern sei eine Beerdigung nach islamischer Tradition zu versagen. Christliche und schiitische Geistliche äußerten sich ähnlich. „Die Geistlichen benutzen Religion, um die Menschen zu kontrollieren. Doch immer mehr Menschen wollen das nicht mehr“, sagt Sukkarieh. „Wir sind gläubig, aber nicht blind.“
Gleichzeitig kam vonseiten der Zivilgesellschaft Unterstützung. Auf Demonstrationen in Beirut hielten Menschen Schilder mit der Aufschrift „Wir sind alle Kholoud und Nidal“. „Was wir wollen, ist nicht nur die Zivilehe, sondern einen säkularen Staat“, sagt Roger Bejjani, einer der Organisatoren des Protests. „Libanons konfessionelles System erzeugt unter den Menschen nur Feindschaft, Angst und Hass.“
Bejjani ist Teil einer wachsenden Bewegung, die sich gegen das konfessionelle System des Libanons auflehnen. „Die Zivilehe ist der erste Schritt, um die Mauer der Konfessionalismus niederzureißen“, sagt er. Laut Umfragen ist die Mehrheit der Libanesen und der Parlamentsabgeordneten für die Zivilehe. Die Rechtmäßigkeit von Sukkariehs und Derwischs Ehe wurde nun vom Justizministerium bestätigt. Innenminister Marwan Charbel, hat jedoch angekündigt, die Ehe nicht eintragen zu lassen.
Ein Erfolg der Zivilehe wäre der bisher größte Erfolg hin zu einem säkularen Staat „Es ist der erste Stein, den wir aus der Mauer des Konfessionalismus herausschlagen“, sagt Bejjani.
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