Homosexuelle bei Olympia: Nie waren die Spiele schwuler
Olympischer Rekord: 22 bekennend homosexuelle Athleten und Athletinnen gehen an den Start – so viele wie noch nie. Weitere Outings könnten folgen.
Fast 11.000 AthletInnen sind im olympischen Dorf untergebracht, streng nach Geschlechtern getrennt. Am wenigsten stören sich an der Prüderie des IOC vermutlich die 22 offen homosexuellen SportlerInnen. Die drei Männer und 19 Frauen kommen aus Europa, Australien, Südafrika und den USA.
Die schwedischen Fußballerinnen sind gleich drei mal vertreten, ebenso die niederländischen Hockeyspielerinnen. Zwei Drittel der schwulen Community treten im Dressurreiten an (Edward Gal, Carl Hester), komplettiert wird die Runde durch den australischen Turmspringer Matthew Mitcham.
Dass sich die Sedlbstgeouteten, sofern sie denn auf der Suche nach einem besonderen olympischen Dorf-Abenteuer sind, nur im Kreise der 22 umschauen können, gilt indes nicht nur statisch als ausgeschlossen. Noch nicht einmal die päpstlich Verbohrtesten würden annehmen, dass die Homosexuellenquote bei nur 0,2 Prozent liegt.
Spekulationen über Homoquoten in ganz anderen Größenordnungen hat ein Ereignis am vergangenen Montag ausgelöst. An dem Tag, als die ersten Athleten im olympischen Dorf Einzug hielten, brach die Homo-App Grindr im Osten Londons zusammen, mit deren Hilfe sich Männer anzeigen lassen können, wer in der unmittelbaren Nachbarschaft mit demselben Programm auf Kontaktsuche ist.
Bitten Sportler um Asyl?
Die Zeitung The People schrieb auf ihrer Homepage, dass „die Ankunft der Olympiamannschaften eine Flut von neuen Kunden auslöste.“ Grindr wollte sich dieser Theorie in einer Stellungnahme zum Ausfall ihres Dienstes nicht vorbehaltlos anschließen und sprach von „einem kleinen oder keinem Effekt“ durch das Eintreffen der Sportler. Angesichts von 350.000 registrierten Nutzern allein in London müsste es sich auch um eine wirklich stattliche Anzahl cruisender Olympioniken handeln.
Andererseits ist die Zahl homosexueller AthletInnen im Vergleich zu den Spielen in Peking und Athen regelrecht explodiert. Damals wusste man lediglich von 10 bzw. 11 SportlerInnen, die sich öffentlich geoutet hatten. Dafür, es nicht zu tun, spricht auch im Jahr 2012 noch Einiges.
In Ländern, in denen Homosexualität gesellschaftliche Akzeptanz erlangt hat, müssen Sportler berechtige Angst haben, zukünftig vor allem als lesbische oder schwule Athleten wahrgenommen zu werden. In anderen Ländern droht den sich offen Bekennenden im günstigen Fall das Karriereende, im ungünstigen eine Strafverfolgung.
Auf dem Blog „Gay voices“ der Huffington Post wird gemunkelt: „Es ist vorstellbar, dass sich schwule und lesbische Athleten aus Ländern, in denen Homosexualität illegal ist, während der Spiele outen und in Großbritannien um Asyl suchen werden.“ Somit könnte sich die Anzahl der bekannten Homosexuellen in den nächsten Tagen doch noch erhöhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen