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Herbstprognose der EUAufschwung nicht schnell genug

Die Belebung verzögert sich, sagt das Gutachten der neuen EU-Kommission. Erst 2016 soll die Konjunktur anziehen. Vor allem Frankreich bereitet Sorgen.

Die Kommissare Pierre Moscovici (rechts) und Jyrki Katainen stellen das Herbstgutachten vor. Bild: ap

BRÜSSEL taz | Die neue EU-Kommission zeichnet ein düsteres Bild der Konjunktur in Europa. Deutschland stehe am Rande der Rezession, Frankreich bekomme sein Budgetdefizit nicht in den Griff, heißt es in der Herbstprognose, die am Dienstag in Brüssel veröffentlicht wurde.

Statt der bisher erwarteten 1,2 Prozent soll die Wirtschaft im Euroraum in diesem Jahr nur um 0,8 Prozent wachsen. Auch 2014 bleibt der Aufschwung mit 1,1 Prozent schwach. Erst 2016 soll die Konjunktur spürbar anziehen – mit einem Wachstum um 1,7 Prozent. Für einen spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit dürfte es aber nicht reichen.

Die Prognose war noch von der alten EU-Kommission vorbereitet worden, wurde aber vom neuen Team um Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorgestellt. Zum ersten Mal stellten sich dabei Vizepräsident Jyrki Katainen und Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici gemeinsam der Presse.

Katainen, ein Finne, gilt als Hardliner, der die Austeritätspolitik seines Amtsvorgängers und Landsmanns Olli Rehn fortsetzen will. Dem Franzosen Moscovici hingegen eilt der Ruf eines Weichspülers voraus. Vor allem aus Deutschland schlägt ihm Misstrauen entgegen.

Ungleiche Kommissare machen gemeinsame Sache

Doch bei der Präsentation der Herbstprognose passte kein Blatt zwischen die beiden ungleichen Kommissare, die künftig eng zusammenarbeiten sollen. „Konsolidierung ist eine Notwendigkeit, ohne Entschuldung gibt es kein Wachstum“, sagte Moscovici. Dies gelte für alle EU-Länder – also auch für Frankreich.

„Die Wirtschaftslage verbessert sich nicht schnell genug“, ergänzte Katainen. Die neue Kommission arbeite daher mit Hochdruck am geplanten Investitionsprogramm, das 300 Milliarden Euro aus privaten und öffentlichen Mitteln mobilisieren soll. Neue Schulden, so betonten beide, sollten dafür aber nicht gemacht werden. Juncker will das Investitionspaket noch vor Weihnachten vorstellen.

Erstaunlich kritisch äußerte sich Katainen zu Deutschland. Die deutsche Wirtschaft wachse zwar immer noch schneller als der Durchschnitt. Um die Krise zu überwinden, brauche die Eurozone aber „nicht eine, sondern mehrere Lokomotiven“.

Zudem müsse auch die Bundesregierung Reformen einleiten. Dazu gehöre auch die Förderung von Investitionen. „In Deutschlands eigenem Interesse, die Wirtschaftskraft in der Zukunft zu stärken, ergeben Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur Sinn.“

Paris bleibt ungeschoren

Allerdings ging die EU-Kommission nicht so weit, die geplante „schwarze Null“ im Bundeshaushalt 2015 zu kritisieren. Auch die französische Regierung blieb ungeschoren – obwohl das Pariser Budgetdefizit bis 2016 auf 4,7 Prozent anschwellen dürfte.

Allerdings könnte die Kommission Paris im Laufe des Monats noch einmal zur Ordnung rufen. Die Prüfung des französischen Haushaltsentwurfs für 2015 ist nämlich noch nicht beendet. Erst danach dürfte man auch wissen, welchen Kurs die neuen Wirtschaftskommissare steuern.

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7 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    ['Schland am Rande der Rezession.] - Die Agenda 2010 Sklavengesetze helfen nicht mehr? Aber irgendwie habe ich das Gefühl, gerade die sind schuld an der Misere.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Besser : Verstand einschalten als nach Gefühl Schuldige suchen .

      Andere Länder rings um Deutschland stecken auch ohne Agenda 2010 noch tiefer in der Kacke .

      • @APOKALYPTIKER:

        Hallo, versucht es bitte ohne Beleidigungen.

        • 7G
          774 (Profil gelöscht)
          @Moderation:

          Wir könnten Beleidigungen leicht vermeiden, wenn die taz alle Kommentare, die die Intelligenz oder die soziale Stellung schmälern, löschen würde.

      • 7G
        774 (Profil gelöscht)
        @APOKALYPTIKER:

        Apropos Verstand: Wenn Sie einen hätten, dann wüßten Sie auch, warum die Nachbarländer in den Miesen sind.

  • Es klappt eben nicht, einerseits Wachstum anzustreben und andererseits politische Wachstumsbremsen (Sanktionen) zu installieren...

  • " Erst 2016 soll die Konjunktur spürbar anziehen – mit einem Wachstum um 1,7 Prozent."

     

    Jaja , das sollte sie wohl . Dass sie's tun wird (oder nicht) , dafür sind die Horoskopiker nicht haftbar zu machen . An solche Prognosen glauben eh nur noch berufsbedingte Berufsoptimisten . Es ist auch kein Zufall , dass dem breiten Publikum noch nie laienverständlich in ca 15 bis 20 Sätzen die tragenden Gründe für solche Prognosen erläutert wurden :-- die fehlende Kohärenz und Validität der Argumente könnte ja möglicherweise noch jedem auffallen , der bis drei zählen kann .

     

    Und hierfür brauchten die sicher nicht mal einen feuchten Daumen in den Wind zu halten :

    " Für einen spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit dürfte es aber nicht reichen. "

    Ja klar , Strukturreformen und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ( so sie denn kommen) bringen ja erst mal m e h r Arbeitslose und n i c h t m e h r Wachstum .

    Aber Junckers 300-Milliarden-Investitionsprogramm , die dicken Überraschungseier zu Weihnachten , die werden's bringen . Sozusagen vom Weihnachtsmann direkt auf die EU-Gabentische .