Haasenburg-Untersuchungskommission: Fälschungsvorwurf abgewehrt
Der Jugendheim-Betreiber wirft dem Ministerium vor, den Bericht der Untersuchungskommission verändert zu haben. „Unsinn“, kontert der Vorsitzende.
HAMBURG taz | Nachdem Brandenburgs Jugendministerin Martina Münch (SPD) entschieden hat, im Rechtsstreit über die Schließung der Haasenburg nicht auf einen Vergleich einzugehen, erhebt der Anwalt des Betreibers Vorwürfe gegen die Ministerin. „Die Untersuchungskommission hat keinerlei Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls festgestellt“, zitiert die Nachrichtenagentur dpa den Rechtsanwalt Jens Hennersdorf. Dieses Fazit sei jedoch aus der Veröffentlichung des Berichts entfernt worden. Das sei in den Akten belegt.
Der taz liegt ein Schreiben des Anwalts vor, das dieser am Dienstag an Journalisten versandte. Darin zitiert er ein „Resümee“ der Untersuchungskommission, das in dem gedruckten Endbericht fehle: „Das Vorliegen einer akuten Kindeswohlgefährdung in den Einrichtungen der Haasenburg GmbH war zur Zeit unserer Untersuchung nicht zu belegen.“
Aus dem Umstand, dass ein Mitarbeiter des Ministeriums die Endversion des Untersuchungsberichts an die Kommission schickte und nicht umgekehrt, folgert der Fachanwalt für Verkehrsrecht, dass das Ministerium den Bericht der unabhängigen Kommission verändert hat.
In der entsprechenden Mail aus dem Ministerium heißt es: „Liebe Mitglieder der Untersuchungskommission, Kolleginnen und Kollegen, ich übersende den Bericht der Untersuchungskommission als pdf-Datei in der Fassung, wie er morgen in der Pressekonferenz um 11:00 Uhr (als Drucksache) vorgestellt wird und ab dann veröffentlicht ist.“
Lediglich technisch verändert
Münchs Sprecher Stephan Breiding wies den Manipulationsvorwurf zurück: „Wir haben an dem Bericht nichts geändert.“
Auch der Kommissionsvorsitzende Martin Hoffmann sprach gegenüber der taz von „völligem Unsinn“. Das Ministerium habe „zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle versucht, unseren Bericht in irgendeine Richtung zu manipulieren.“ Das 124-Seiten-Dokument sei so veröffentlicht worden, wie die sechsköpfige Kommission es verfasst habe, „einschließlich der Rechtschreibfehler“.
Es handle sich lediglich technisch um eine andere Fassung: „Wir haben eine Word-Datei eingereicht, die für den Druck in eine PDF-Datei umgewandelt wurde“. Darauf beziehe sich die Mail aus dem Ministerium.
Das Zitat zur Kindeswohlgefährdung habe so nie in dem Bericht gestanden, weil es nicht zu den zehn Fragestellungen gehörte, sagte Hoffmann. Es stand in einer Zusammenfassung der Kernaussagen, die Hoffmann auf der Pressekonferenz verteilte und die die Potsdamer Neuen Nachrichten (PNN) auch //:online dokumentierten.
Schließung vertretbar
Darin räumt er ein, dass eine „akute“ Kindeswohlgefährdung bei den Besuchen nicht belegbar war. Allerdings schreibt er dann im Folgesatz: „Die möglichen körperlichen Zwangsmaßnahmen stellen allerdings eine permanente Gefahrenquelle und potentielle Gefährdung dar und sollten umgehend unterbunden werden.“
Aus diesen und weiteren Feststellungen der Kommission leitet Martina Münch her, dass eine „latente Kindeswohlgefährdung“ die Schließung erfordere. „Jugendliche mussten in der Haasenburg immer damit rechnen, Opfer von übergriffigen Erziehungsmaßnahmen zu werden“, sagte sie im taz-Interview.
Auch Hoffmann hält die Schließung für vertretbar. „Ein Betrieb ginge nur mit neuer Leitung, einem neuen Träger und einem neuen Konzept“, sagte der Psychologe. Zwar habe die Kommission bei der Untersuchung keine akute Kindeswohlgefährdung durch Übergriffe festgestellt. „Aber in den Akten waren unglaubwürdige Darstellungen etwa über Therapien während der Fixierung von Bewohnern enthalten“, sagte Hoffmann. „Man kann den Dokumenten dieser Einrichtung nicht trauen.“
Er hat seine Erläuterungen bereits im März bei dem nichtöffentlichen Erörterungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) vorgetragen. Dieses wird nun binnen einem Monat eine Entscheidung treffen, nachdem aus dem Vergleich nichts wird.
Petition einer ehemaligen Insassin
Wie berichtet, hatte das Gericht vorgeschlagen, dass die Haasenburg mit einem neuen Konzept, das auf Zwangsmaßnahmen verzichtet, wieder eröffnen kann. Münch lehnte dies ab, weil es auch in der Vergangenheit eine Diskrepanz zwischen „Konzeption und gelebter Realität“ in den Heimen gegeben habe. Deshalb wäre das Kindeswohl dort in Zukunft nicht „durchgängig verlässlich gesichert“.
Sie traf sich am Mittwoch mit der ehemaligen Insassin Christina Witt. Die 17-Jährige hatte vor einer Woche eine Onlinepetition gegen die Wiedereröffnung gestartet, die über 39.000 Unterstützer fand.
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