Gewalt in Syrien: "Die Stadt ist total paralysiert"
Trotz eines UN-Appells rollen Panzer in Deir Essor und weitere Städte ein. Menschenrechtler sprechen von zahlreichen Toten. Der türkische Außenminister reist nach Damaskus
AMMAN/BEIRUT rtr/dapd | Die syrische Regierung zeigt sich von internationalen Appellen unbeeindruckt und geht weiter mit Panzern gegen die Protestbewegung vor. Nur einen Tag nach der direkten Aufforderung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an Präsident Baschar al-Assad, die Gewalt zu beenden, tötete die Armee nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 57 Zivilisten. Unter dem Schutz schweren Maschinengewehrfeuers rückten Anwohnern zufolge Bulldozer und ein Dutzend Panzer in die östliche Provinzhauptstadt Deir Essor nahe der Grenze zum Irak ein und räumten von Bewohnern errichtete Barrikaden beiseite.
Ein Aktivist in Deir Essor sagte der Nachrichtenagentur AP, die Streitkräfte hätten vor Tagesanbruch die Stadt von vier Seiten aus angegriffen. Die Soldaten hätten bislang acht Wohngebiete unter ihre Kontrolle gebracht. Die Örtlichen Koordinationskomitees bestätigten, dass die Truppen Teile von Deir Essor eingenommen hätten.
Die menschlichen Bedingungen in der Stadt seien sehr schlecht, sagte der Aktivist, der aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen anonym bleiben wollte. Es gebe einen Mangel an Arznei, Säuglingsnahrung, Lebensmitteln und Benzin. "Die Stadt ist total paralysiert", sagte er. Genaue Angaben zur Zahl der Toten könne er nicht machen. Viele der Verletzten könnten nicht in Krankenhäuser gebracht werden und würden in Häusern und Moscheen behandelt, die in Kliniken umgewandelt worden seien, sagte er.
Die in London ansässige Organisation Syrian Observatatory for Human Rights teilte mit, mindestens vier Menschen seien ums Leben gekommen, als Truppen die Stadt Hule gestürmt hätten. Die Örtlichen Koordinationskomitees, die die Proteste gegen die syrische Regierung dokumentieren, sagten hingegen, es seien sieben Menschen bei einem Bombenangriff auf der Stadt getötet worden.
Hama weiter eingekesselt
Die Streitkräfte von Assad kesselten am Samstag die Protesthochburg Hama weiter ein. Die Belagerung der Stadt begann vor einer Woche, nachdem die Bewohner die 800.000 Einwohner zählende Stadt eingenommen und gegen Sicherheitskräfte des Regimes verbarrikadiert hatten. Ein Bewohner aus Hama berichtete, die Stadt sei am Freitagabend bombardiert worden, dabei habe es mehrere Tote gegeben. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen kamen beim Vorgehen der Regierungstruppen in Hama bislang mindestens 100 Menschen ums Leben, andere schätzen die Opferzahl auf 250.
UN-Generalsekretär Ban sagte laut einer Mitteilung der Vereinten Nationen in einem direkten Telefongespräch mit dem syrischen Präsidenten Baschar Assad, das Land sei verpflichtet, international gültige Menschenrechte einzuhalten. Der Golfkooperationsrat forderte ein sofortiges Ende des Blutvergießens. Die sechs Mitgliedstaaten erklärten, die Gewalt müsse beendet werden und es müsse "ernsthafte" Reformen in Syrien geben. Der türkische Außenminister Ahmet Davutolu sprach von einer inakzeptablen Entwicklung und kündigte einen Besuch in Damaskus an. Die USA forderten ihre in Syrien lebenden Staatsbürger zum sofortigen Verlassen des Landes auf.
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