Gebührenreform der Zahnärzte: Opposition attackiert Regierung
Der Alarmruf der Krankenkassen bringt die Opposition auf den Plan: Sie attestiert der FDP wegen höherer Zahnarzthonorare Klientelpolitik.
BERLIN dpa |Trotz möglicher Preissteigerungen etwa für eine Krone um 74 Euro haben Koalition und Mediziner die geplante Gebührenreform für Zahnärzte gegen Kritik verteidigt. "Die Behauptungen der Krankenkassen über finanzielle Auswirkungen sind nicht nachvollziehbar", sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Montag in Berlin. Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen hatte vor deutlich steigenden Zahnarztrechnungen gewarnt. Die SPD warf Bahr vor, er bediene die FDP-Klientel.
Für eine Vollkrone müssten Kassenpatienten künftig 74 Euro mehr zahlen, für Teleskop- oder Konuskrone sogar 237 Euro, hatte der Vizechef des Kassenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, der Nachrichtenagentur dpa gesagt. Er forderte die Politik zu Änderungen am Referentenentwurf zur Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) auf. Die neuen Regeln sollen kommendes Jahr gelten, und zwar für Rechnungen der Privatpatienten und für Kassenpatienten bei Leistungen über Kassenniveau.
Bahrs Sprecher betonte: "Mit der Novellierung wird das Honorar im Bereich der Gebührenordnung um durchschnittlich plus sechs Prozent angepasst." Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte: "Eine Erhöhung im einstelligen Prozentbereich scheint mir vertretbar, nicht zuletzt da die letzte Steigerung über 20 Jahre zurückliegt."
Private und gesetzliche Kassen warnen hingegen vor weit stärkeren Steigerungen, da die Zahnärzte selbst pro Behandlung einen Steigerungsfaktor wählen könnten. Dadurch hätten sie bereits in den vergangenen Jahren höhere Einnahmen erzielt.
Opposition nennt es "Hotelsteuer für Zahnärzt"
Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Peter Engel, warf den Kassen hingegen Irreführung vor. "Das Schüren von Ängsten für die Gesamtbevölkerung ist unverantwortlich und dient nur der Panikmache."
SPD und Grüne griffen die FDP scharf an. Als "Hotelsteuer für Zahnärzte" und "blanken Lobbyismus" kritisierte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die geplante neue Gebührenordnung. Damit zeige die neue FDP-Führung mit Minister Bahr, dass auch sie auf die Klientelpolitik der alten Parteispitze setze.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender sagte der dpa: "Den Versicherten das Geld aus der Tasche ziehen, um die eigene Klientel in der Ärzteschaft zu bedienen - dieses Strickmuster freidemokratischer Gesundheitspolitik zeigt sich auch bei den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums für die neue GOZ."
Eine Novellierung sei zwar notwendig, weil die GOZ aus dem Jahr 1988 hinter dem medizinisch-technischen Stand zurückliege, sagte Bender. Doch mittlerweile zahlten die gesetzlich Versicherten anders als damals rund 60 Prozent der Kosten des Zahnersatzes selbst. Die Reform müsse berücksichtigen, dass damit Millionen Durchschnitts- und Geringverdienenden betroffen seien. So sollten Zahnärzte ihre Patienten künftig stärker auch über die Kosten beraten müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau