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Freistaat SachsenSeltsames Justizverständnis

Woher rührt der Ruf, Sachsens Justiz sei zu regierungsnah? Vielleicht auch daher, dass viele Richter und Staatsanwälte zuvor im Justizministerium tätig waren.

Der sächsischen Justiz suspekt: zivilgesellschaftliches Engagement gegen Nazis. Bild: ap

DRESDEN taz | Auffällige Regierungsnähe, Verfolgungseifer in die linke Richtung – der sächsischen Justiz eilt ein zweifelhafter Ruf voraus. Doch woher rührt das Negativimage?

Für Beobachter beispielsweise aus dem Prozess, der seit April vor dem Dresdner Amtsgericht gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König läuft. König soll bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden im Februar 2011 Demonstranten zur Gewalt aufgerufen haben. Oder aus dem Urteil, dass im selben Zusammenhang gegen den Antifaschisten Tim H. erging. H., nicht vorbestraft, muss für fast zwei Jahre in Haft, weil er angeblich zum Sturm auf eine Polizeisperre aufrief.

Einwandfrei identifiziert wurde H. nie. Das Unbehagen rührt auch aus der massenhaften und teils für rechtswidrig erklärten Abfrage von Handydaten während der Demonstration. Und daher, dass andererseits die Schläger der kriminellen Nazi-Vereinigung „Sturm 34“ mit Bewährungs- und niedrigen Geldstrafen davonkommen.

Der Chemnitzer Anwalt Klaus Bartl, Rechtsexperte der Linken im Sächsischen Landtag, weiß, wie Kollegen aus anderen Bundesländern über den Freistaat denken. „Da ticken die Uhren anders“, heiße es allenthalben.

Ermittler abgestraft

Begonnen habe es Anfang der 1990er Jahre, als man im Zusammenhang mit den Ungereimtheiten beim Bau des Leipziger Paunsdorf-Centers merkwürdige Nachsicht mit dem Baulöwen und Biedenkopf-Freund Heinz Barth übte, so Bartl. In Erinnerung geblieben ist auch das rigorose Vorgehen wegen Geheimnisverrats gegen Staatsanwalt Andreas Ball, der 2005 wegen Korruption gegen den damaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) ermittelte. Ball soll einen Journalisten über eine bevorstehende Durchsuchung bei Schommer informiert haben. Das Gericht lehnte die Eröffnung eines Verfahrens gegen Ball aber ab.

Ähnlichen Ärger hat derzeit Simone S., die als Referatsleiterin beim Verfassungsschutz im „Sachsensumpf“ ermittelte. Es war die CDU, die die Aufgabe, eventuelle Verstrickungen von Justiz und Politik in die Kinderprostitution zu beobachten, dem Geheimdienst zuschob. Doch als gegen hochrangige Justizbeamte 2007 der Verdacht von Filz und Rechtsbeugung aufkam, wurden die Vorwürfe von der Dresdner Staatsanwaltschaft und der Staatsregierung für nichtig erklärt. Gegen S. hingegen wird bis heute wegen der Verfolgung Unschuldiger ermittelt.

Dennoch treffen die Vorwürfe, für die sächsische Justiz stehe der Hauptfeind links oder sie verschone die Eliten, nicht alle Richter und Staatsanwälte. „Es gibt keine typisch sächsische Justiz“, sagt der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Schär ist in Sachsen der einzige Ostdeutsche in solch exponierter Position, er gilt als konsequenter Verteidiger des Rechtsstaats. Als Leiter der Staatsschutzabteilung leitete er zwar regelmäßig Ermittlungsverfahren gegen Blockierer und Randalierer bei den Dresdner Anti-Nazi-Demonstrationen ein. Aber er verfolgt mit Leidenschaft auch Straftaten der Rechten. Mit den „Skinheads Sächsische Schweiz“ konnte er erstmals in der Bundesrepublik eine rechte Gruppe als kriminelle Vereinigung anklagen.

Nach der Wende wurde Personal aus dem Westen importiert

Mit seiner Bemerkung über die sächsische Justiz könnte Schär aber auch auf ihre personelle Zusammensetzung anspielen. Als die Justizbeamten im April in Leipzig zu einem Festakt zusammenkamen, wurde deutlich, dass man von einer sächsischen Justiz nicht sprechen kann. 1991 wurden von 531 Richtern und Staatsanwälten aus DDR-Zeiten 343 übernommen. Gerichtspräsident oder leitender Oberstaatsanwalt ist keiner von ihnen geworden, unter 25 Amtsgerichts- und 5 Arbeitsgerichtsdirektoren finden sich nur 3 ostdeutscher Herkunft.

Die Importe kamen fast ausschließlich aus Bayern und Baden-Württemberg – und schafften teils steile Karrieresprünge. Besonders pikant: Zuvor hatten viele von ihnen eine Zeit lang im sächsischen Justizministerium gearbeitet. Beobachter monieren, der sächsische Justizapparat lasse deshalb oftmals als die nötige Unabhängigkeit vermissen.

Der prominente Anwalt Ulrich Sommer aus Köln bestätigt, dass es bei der Rechtsauslegung immer deutliche regionale Unterschiede gebe. Der Süden verfolge rigoroser als der liberale Norden. Das heißt aber nicht, dass alle bayerischen Justizbeamten eine konservative Ader nach Sachsen mitgebracht hätten. Bei Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann schimmert manchmal noch seine rebellische Münchener Studentenzeit durch. Und nicht zuletzt gilt der seit 2009 amtierende Justizminister Jürgen Martens (FDP) nicht nur wegen seiner Parteizugehörigkeit als Liberaler.

Der Kölner Anwalt Sommer hat der sächsischen Justiz ohnehin nicht viel nachzutragen. Die Freispruchquote, die er erziele, sei wegen der „miserablen Qualität der Anklageschriften“ außerordentlich hoch, sagt er.

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4 Kommentare

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  • MT
    mike tietz

    diese justiz ist eine zusammen setzung faschistischen gedankenguts aus bayern und stasiseilschaften der ehemaligen ddr, umsonst konnten triebtäter aus der bayrischen missbrauchsbande in zusammenarbeit mit ex stasiseilschaft de maiziere nicht ungesühnt ihr unwesen treiben und minderjährige sexuell missbrauchen, dieser gesamte faschistoide stasi christen aparat und bayrische missbrauchsfilz gehört bis ins tiefste detail entlaust entkernt und beseitigt, so das endlich mal demokratie rein kommt,denn diese diktatorischen machenschaften sind schlimmer wie bei geschichtlich allbekannten und besagten diktaturen

  • M
    mike

    Warum "Verfolgungseifer in die linke Richtung" ein negativ merkmal von Staatsanwalten sein soll erschliesst sich mir nicht, oder sind Linke sakrosant? Gelten für die Gesetze nicht? Oder gelten für die nur bestimmte Gesetze? Dürfen sich Linke aussuchen welche Gesetze für sie gelten? Fragen über Fragen....

  • L
    lowandorder

    Lieber Herr Bartsch,

     

    Seltsames Justizverständnis. Ja.

    Ihren Ausführungen würde ich gerne mit etwas weniger Skepsis folgen.

    Gut - Sie sind kein Jurist, schreiben aber über die Justiz Sachsens und reden ständig von "Justizbeamten", wenn Sie vorrangig Richter meinen.

     

    Diese sind - auch und vor allem nach dem erklärten Willen der Mütter und Väter des Grundgesetzes in bewußter Absetzung zur Nazi-Zeit - ausdrücklich keine Beamten.

     

    Das keine Petitesse, sondern Ihre Wortwahl spiegelt ein bestimmtes Verständnis wider; was nebenbei vielleicht gar mehr die sächsische Justiz erklärt, als Ihnen bewußt ist.

     

    Egal. Richter, die Dritte Gewalt, als unabhängig, das war in Dunkeldeutschland vor der Wende sehr anders. Dort waren Richter

    jenseits des Ideologieanspruchs -

    "Sheriffs der Partei."

    Davon konnte ich mir mit einer größeren Zahl von KollegInnen einschließlich einigen aus Staatsanwaltschaften kurz vor der Wende mit DDR-Richtern einschl.

    ( sächsischen JuMi-Aufpasser)

    einen bleibenden Eindruck in

    - heute - Berlin-Mitte verschaffen.

    Die uns damals zugänglich gemachten Gerichtsverhandlungen stellten sich im Nachhinein als reine extraordinäre Inszenierungen heraus.

    Dieser Eindruck bestätigte sich nachhaltig - bei aller persönlicher Wertschätzung im Einzelfall - in persönlichen Diskussionen mit

    einer Vielzahl Ex-DDR-Richter auf Richterratschlägen; u.a. zudem auch

    mit Michael Distel und dem Vors. des Anwaltkollektiv.

     

    Um so erstaunter bin ich nach Ihren Zahlen, daß in Sachsen derart viele

    Alt-Kader als Richter übernommen worden sein sollen.

    "1991 wurden von 531 Richtern und Staatsanwälten aus DDR-Zeiten 343 übernommen."

    Wenn doch - dürfte das in den Neuen Ländern nicht Weltniveau - aber doch Spitze gewesen sein.

     

    Daß in Sachsen so viele Richter und Staatsanwälte südlich des Weißwursthorizontes beheimatet sind/waren, erklärt sich ja ganz platt aus der politischen Verantwortung nach der Wende dieser Länder für eben Sachsen; und so auch die zeitweilige Tätigkeit dieser " Ostlandreiter" im Justizministerium.

    Eine Justiz, die den Maßstäben des Grundgesetzes genügen sollte, mußte ja erst aufgebaut werden und das geschieht in eben diesem Ministerium.

     

    Der Befund von Sommer und der Ablauf des Prozesses gegen König machen ja mehr als deutlich, daß da noch einiges rein handwerklich im Argen liegt.

    Für Richter kein einfacher Job, Akten ständig mit spitzen gichtigen Fingern und Holzauge sei wachsam bearbeiten und die Verhandlungen auf solcher

    Wackelbasis führen zu müssen.

    Und Anwälte wie Sommer oder Eisenberg finden sich auch nicht an jeder Straßenecke.

  • H
    Hans

    Nein? Doch! Oh!

    Nett zusammengefasst, aber nix Neues.

    Es ist bekannt, dass die CDU hier ihre eigene Justiz geschaffen hat. Komischerweise hat das keine rechtsstaatliche Konsequenz.