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Extremismusklausel für SpitzensportlerHöher, schneller, demokratischer

Die Beziehung der Olympia-Ruderin Drygalla sorgt weiterhin für Streit in der Politik. Das Bundesinnenministerium prüft die Einführung eines Demokratiebekenntnisses für Sportler.

Hat weiterführende Debatten ausgelöst: Nadja Drygalla Bild: reuters

BERLIN/SCHWERIN dapd/dpa | Das Bundesinnenministerium will seine Förderrichtlinien für Spitzensportverbände überarbeiten. Geprüft wird auch die Einführung eines sogenannten „Demokratiebekenntnisses“, wie ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur dapd am Dienstag in Berlin bestätigte.

Mit der Debatte über die politische Gesinnung des Partners der Olympia-Teilnehmerin Nadja Drygalla habe diese Überlegung allerdings „ausdrücklich nichts zu tun“. Die Idee, Spitzensportlern durch ihre Verbände ein Demokratiebekenntnis abzuverlangen, liege bereits seit Ende 2011 auf dem Tisch.

In der Politik sorgt die Beziehung Nadja Drygallas zu dem ehemaligen NPD-Mitglied Michael Fischer weiterhin für Streit. Das Landeskabinett von Mecklenburg-Vorpommern befasste sich am Dienstag mit dem Fall. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) kritisierte das Bundesinnenministerium und den Deutschen Ruderverband für deren Umgang mit der Ruderin.

Der Ruderverband hätte aus seiner Sicht hinter der Sportlerin stehen müssen. „Dann kann man sie nicht aus London nach Hause schicken und diesem Mediensturm überlassen, sondern dann muss man auch sagen: Nach unserer Auffassung ist ihr nichts vorzuwerfen“, sagte der SPD-Politiker in Schwerin.

Überzogene Wertung des Innenministeriums

Er habe zudem vom Bundesinnenministerium gehört, „dass sie den Fall Drygalla für so schlimm halten, dass sie sich ihn in seiner Extremheit gar nicht vorstellen konnten“, sagte Sellering. Das sei eine völlig überzogene Wertung.

Sellering plädierte zudem für eindeutige Regeln, wann ein Athlet nicht zu Olympischen Spielen geschickt werden darf. Sport und Politik müssten die Nominierungsvoraussetzungen gemeinsam festlegen und regeln, welche Verbände oder Behörden sich gegenseitig auf rechtsstaatlicher Grundlage über die Sportler informieren dürften. Es dürften nicht hinter dem Rücken „irgendwelche Mutmaßungen“ ausgetauscht werden, warnte der SPD-Politiker.

Wie bereits am Verteidigungsminister de Maizière (CDU) am Vortag, rief nun auch SPD-Innenexperte Sebastian Edathy zum besonnen Umgang mit der Ruderin auf. Wenn Drygalla nicht selbst in der rechtsextremen Szene agiere, sei es eine Privatangelegenheit, mit wem die Rostockerin liiert sei, sagte Edathy am Dienstag im Deutschlandfunk. Es gebe Persönlichkeitsschutzrechte, die man respektieren müsse.

Die Sportlerin hatte das Olympische Dorf in London verlassen, nachdem ihre Beziehung zu einem früheren NPD-Direktkandidaten bekanntgeworden war. Eine wachsende Zahl von Politikern hat die 23-Jährige mittlerweile in Schutz genommen, nachdem sich die Rostockerin klar von rechtsextremen Gedankengut distanziert hatte.

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8 Kommentare

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  • RA
    ralf ansorge

    werter waldgänger und weöheimfahrer,ich bin wirlich auchder meinung daß nach allem was man weiß frau drygalla ungerecht behandelt wurde,habe mich auch in der debatte zu dem anderen artikel (rufmord oder...)demensprechend geäußert.aber eure vergleiche sind dann doch ziemlich daneben,ihr begebt euch auf das niveau von denen,die Ihr- so wie ich auch- kritisiert.es reicht schon wenn manche linke(nicht alle )jeden andersdenkenden als nazi bezeichnen.

    zum gesinnungs-tüv für sportler: eine richti dumme idee,weil dies einfach nur zur heuchelei einladen würde,also diejenigen die TATSÄCHLICH ein problem mit der demokratie haben.sportler sind abhängig beschäftigte,wie die meisten von uns auch.wer seinen job zum leben braucht wird nicht in die suppe pinkeln die er ißt.außerdem hätte das einen dicken stasi-geschmack.

  • K
    kroete

    Aha, diese Überlegungen sollen nichts mit der Beziehung von Frau Drygalla zu einem jetzt Ex - NPD -Anhänger zu schaffen haben?

    Gedanken sind frei, in jede Richtung. Gesinnungsprüfungen oder gar Gewissensprüfungen wie seinerzeit bei Wehrdienstverweigerern, die wie Staatsfeinde behandelt wurden, entlarven totalitäre Haltungen.

    Wer Deutschland international repräsentiert, sollte sich selbstredend zu unserem Grundgesetz bekennen, was auch diejeniegen gerne machen, die es eben nicht achten.

    Ob Athletinnen und Athleten totalitärer Staaten sich systemimmanent zu äußern haben, wird ohnehin angenommen, gelangen dort mutmaßlich nur die Angepassten in die Kader.

    Die Jagd auf gläserne Sportler/innen ist eröffnet, die lupenreinen Jäger sind da sicher makellos wie willfährig.

  • W
    Waldgänger

    Volle Zustimmung, Wochenendheimfahrer, und sie sind sogar noch besser als ihre Lehrer, denn erstens verbreiten sie ihre Menschenverachtung und ihren Haß unter dem Deckmantel einer vermeintlich höher stehenden Moral und bezeichnen sich selbst als Menschenfreunde, und zweitens zerstören sie das Leben von ihnen nicht genehmen Leuten "nur" sozial. Diese Leute heute kommen ganz ohne KZ aus, das Leben ihrer Gegner ist dennoch zerstört. Alexis de Tocqueville hat das bereits im 19. Jahrhundert vorausgeahnt (siehe "Über die Demokratie in Amerika").

  • W
    Wochenendheimfahrer

    Diese Hetzkampagne gegen Drygalla ist ein unerträglicher Skandal und zeigt, dass Deutschland jeglichen Anspruch, eine Demokratie zu sein, verloren hat.

     

    All jene, die gegen Drygalla hetzen, wären die besten Schüler von Joseph Goebbels gewesen, sie wären die besten Anhanger von Heinrich Himmler gewesen. Diese Leute sind die besten Nazis, die es je gegeben hat.

  • C
    Celsus

    Mich wunedert die Argumentation, dass sie erst 23 sei. Da erinnere ich mich zurück, was ich mit 23 tat und siehe da: Alles weit entfernt von Menschenverachtung und fester Einbindung in entsprechende Vereine und Parteien.

     

    Und selbst dann würde ich rückschauend nicht auch noch erwarten, dann in einer PR-trächtigen Tätigkeit tätig sein zu dürfen, bei Verfehlungen. Da kann sie dann später dankbar sein, wenn sie die Einsicht überkommt, dass das alles falsch war.

     

    Später soll alles besser werden? Wann denn, wenn ich nachhaken darf? Wenn ich das ernst nehme, sollten Menschen mit 23 noch nicht volljährig sein.

  • L
    lorenz

    @D. J.:

     

    ...und ich vermute fast, dass das ganze Absicht ist - die Retourkutsche sozusagen.

     

    Sollte sich allerdings, nachdem sich die Aufregung um die junge Frau etwas gelegt hat, die Einsicht durchsetzen, das sich "Extremismusklauseln" und "Gesinnungstests" nicht mit einer offenen demokratischen Gesellschaft vereinbaren lassen, kann das der Demokratie in Deutschland nur gut tun.

  • K
    Katharina

    Vielleicht sehe ich das ja ein bisschen zu pragmatisch, aber ich sag es trotzdem mal: Frau Drygalla ist 23! Wer von uns nie in den/die Falsche/e verliebt war, jetzt bitte melden!!!

     

    Und mal abgesehen davon: Die Frauenhäuser sind voll von Frauen, die sich ganz Anderes antun lassen als neben einer falschen politischen Gesinnung her zu leben. Und die kommen oft genug auch noch zu ihren "Liebsten" zurück. Darüber soll nun also eine 23jährige moralisch-ehtisch-gesellschaftlich-politisch-emotional erhaben sein (können und müssen), so das sie ihr junges Herz ausschließlich an den edlen Ritter mit wahrhaftiger Gesinnung und Tugend verschenkt? Und sonst darf sie nicht RUDERN? Wovon reden wir denn hier eigentlich ...

  • D
    D.J.

    Oh, nun sind die Linken in einem Dilemma, wenn ich bedenke, wie gegen Frau Schröders Extremismusklausel vor kurzem gewettert worden ist.