Ex-Neonazis bei der Piratenpartei: Ringen um den rechten Umgang
Parteichef Sebastian Nerz will frühere NPD-Mitglieder in den eigenen Reihen dulden. Vizechef Bernd Schlömer sagt dagegen, sie hätten bei den Piraten keinen Platz.
BERLIN taz | Die Jubelstimmung bei der Piratenpartei wird gedämpft. Die Partei sucht derzeit nach dem richtigen Umgang mit ehemaligen NPD-Mitgliedern in den eigenen Reihen. Selbst im Bundesvorstand ist man darüber uneins. Nachdem jüngst zwei Fälle bekannt geworden waren, bei denen Parteimitglieder sich zu ihrer NPD-Vergangenheit bekannt hatten, bagatellisierte Parteichef Sebastian Nerz dies als "Jugendsünden" und sagte, man müsse ehemalige NPDler in der Piratenpartei dulden, denn ein Mensch habe das Recht, sich zu irren.
Dieser Auffassung widerspricht jetzt sein Stellvertreter Bernd Schlömer energisch. "In unserer Partei ist kein Platz für ehemalige NPD-Mitglieder", sagte Schlömer der taz. Menschen würden sich bewusst dafür entscheiden, in welcher Partei sie Mitglied werden. "Wir sind kein Sammelbecken für verfassungsfeindliche Meinungen. Wir müssen da sehr sensibel sein." Schlömer glaubt nicht, dass frühere NPDler heute die inhaltlichen Ziele der Piratenpartei vertreten können.
Der Kritik des Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck an den Äußerungen von Piratenparteichef Nerz schloss sich Schlömer ausdrücklich an. Beck hatte der Nachrichtenagentur dpa unter anderem gesagt, die Äußerungen von Nerz seien "geradezu naiv" und völlig "fehl am Platz".
In den Landesverbänden Bayern und Mecklenburg-Vorpommern hatten sich vergangene Woche zwei Piraten zu ihrer NPD-Vergangenheit bekannt. In Freising ist der betroffene Kreisvorsitzende daraufhin zurückgetreten. Auch Matthias Bahner, Mitglied im Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern, legte sein Parteiamt nach seinem NPD-Bekenntnis nieder, will sein Kreistagsmandat aber behalten.
Enormer Mitgliederzuwachs
"Das Problem ist vor allem, dass er uns angelogen hat hinsichtlich seiner politischen Vergangenheit. Weniger, dass er NPD-Mitglied war", sagte Michael Rudolph, Landeschef der Piraten in Mecklenburg-Vorpommern, der taz. Man dürfe deshalb jetzt nicht damit beginnen, jedes Neumitglied zu überprüfen. "Allerdings werden wir ab jetzt jeden Bewerber auf ein politisches Amt zu seiner politischen Vergangenheit befragen", sagte Rudolph.
Bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin Ende September hatten die Piraten knapp 9 Prozent erzielt. Seitdem erleben sie einen enormen Mitgliederzuwachs. 15.000 Mitglieder haben sie nach eigenen Angaben, täglich werden es etwa 150 mehr. Auch auf einen Einzug in den Bundestag können die Piraten hoffen. In aktuellen Umfragen liegen sie bundesweit zwischen 6 und 9 Prozent und könnten so ein mögliches rot-grünes Bündnis gefährden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos