piwik no script img

Ermittlungen zur Neonazi-TerrorzellePikanter Fund bei NPD-Kader

Im Zuge der NSU-Ermittlungen durchsucht die Polizei die Räume eines NPD-Abgeordneten - und findet dabei einen Brief des Terror-Trios an Sympathisanten

Wusste er schon vor zehn Jahren vom NSU? NPD-Abgeordneter David Petereit. Bild: dapd

HAMBRUG/BERLIN taz | Seit einem Monat musste der mecklenburg-vorpommerische NPD-Abgeordnete David Petereit damit rechnen, dass er Besuch von der Polizei bekommt. Doch womit wohl kaum jemand gerechnet hätte: Dass sich bei einer Razzia bei ihm tatsächlich noch komprommitierendes Material finden würde, das einmal mehr Verbindungen von Kadern der rechtsextremen Partei zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) nahelegt.

Es ist ein Dankeschön im Szenemagazin „Der Weiße Wolf“, das für Petereit nun ein Nachspiel hat. In Nummer 18 des Magazins, das Petereit zeitweilig herausgab, hieß es im Jahr 2002: „Vielen Dank an die NSU, es hat Früchte getragen“. Ende März 2012 hatte ein Berliner Antifa-Archiv diese frühe Erwähnung der rechten Terrorzelle in dem Neonaziheft entdeckt. Seitdem steht die Frage im Raum: Was genau wusste NPD-Mann Petereit schon vor zehn Jahren vom Treiben des NSU?

Am Donnerstagmorgen haben jetzt Polizeibeamte auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft Wohnungen und Geschäftsräume des NPD-Kaders Petereit durchsucht. „Fünf Objekten sind betroffen“, sagte ein Pressesprecher des Landeskriminalamtes der taz. Auch das Abgeordnetenbüro von Petereit, der in Rostock lebt, wurde durchsucht. Die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) hatte der von einem Karlsruher Ermittlungsrichter angeordneten Maßnahme zugestimmt.

Brief vom NSU gefunden

Und tatsächlich scheinen die Razzien für die Ermittlungen zur terroristischen Vereinigung NSU neue Erkenntnisse gebracht zu haben. „In einer der durchsuchten Wohnungen wurde ein Exemplar des 'NSU'-Briefes sichergestellt“, sagte ein Pressesprecher der Bundesanwaltschaft.

Die entsprechende Vorlage dieses NSU-Briefs aus dem Jahr 2002 hatten die Fahnder auf einer Festplatte im Schutt der abgebrannten Wohnung des Neonazitrios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Zwickau gefunden. „Die Aufgaben des NSU bestehen in der energischen Bekämpfung der Feinde des deutschen Volkes“, heißt es in dem offenbar an Sympathisanten gerichteten Schreiben nach taz-Informationen. Die Ermittler glauben, dass das NSU-Trio dem Brief Bargeld beigelegt haben könnte. Denn unter dem NSU-Logo hieß es in der Briefvorlage weiter: „Beiliegende Unterstützung ziehen keinerlei Verpflichtungen nach sich. (...) Der Empfänger (... ) darf die Spende einbehalten und für seine Zwecke nutzen."

Peinlich für die Sicherheitsbehörden ist, dass es nicht der polizeiliche Staatsschutz oder eines der 17 Verfassungsschutzämter war, die die Spur zu NPD-Mann Petereit gelegt haben. Vielmehr war es das kleine, chronisch unterfinanzierte Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) in Berlin-Kreuzberg, das vor einigen Wochen in der zehn Jahre Magazin „Der Weiße Wolf“ den Satz fand, in dem die Taten des NSU schon 2002 bejubelt wurden. Zum damaligen Zeitpunkt hatten die Terroristen schon vier Menschen erschossen und mehrere Banken ausgeraubt.

Die SPD im Schweriner Landtag forderte nach der Enthüllung, dass Petereit „umgehend sein Landtagsmandat niederlegt“, da er „einer Mörderbande öffentlich zugejubelt“ habe.

Bisher nur Zeuge

Die Vorwürfe hat Petereit, der auch NPD-Landesvize ist, allerdings bisher abgestritten. Der Textabschnitt, in dem der Begriff „NSU“ auftauche, sei ihm „weder bekannt noch erinnerlich“, teilte er Ende März mit. Erst später will er auch presserechtlich für das Heft verantwortlich gewesen sein.

Letzteres scheinen die Ermittler ihm aber nicht abzunehmen. Nach den bisherigen Ermittlungen sei Petereit von Mai 2001 bis 2005 Herausgeber des Magazins gewesen, sagte der Pressesprecher der Bundesanwaltschaft.

Gleichwohl wurde Petereit selbst nur als Zeuge vernommen und nicht als Beschuldigter. „Es liegen keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene die terroristische Vereinigung unterstützt haben könnte“, hieß es bei der Bundesanwaltschaft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • J
    Jörn

    Offensichtlich sind die "Sicherheitsbehörden" nach wie vor unwillig den rechten Terror zu verfolgen. Einzig die Angst davor, dass eine Blokade der Verfolgung Konsequenzen haben könnte, führt dazu, dass doch wenigstens halbherzig ermittelt wird.

    Eine Verfolgung von Terroristen sieht anders aus - ob aus Sympathie für die Täter oder aus Angst vor weiteren peinlichen Enthüllungen kann dahinstehen.

     

    Es wird Zeit, dass dieser fortdauernde Skandal personelle, organisatorische und strafrechtliche Konsequenzen hat. Damit meine ich nicht die Einrichtung einer weiteren Datei, sondern die Auflösung von Abteilungen und Ämtern sowie die Strafverfolgung der beamteten Terrorunterstützer.

    Leider stehen die Chancen dafür gering, da die politisch abhängige Staatsanwaltschaft selbst bei offensichtlichen Verbrechen des Verfassungsschutzes zögert den Rechtstaat durchzusetzen.

  • M
    maoam

    Ja, 10 Jahre später dann mal "Geschäftsräume" zu durchsuchen verdeutlicht ein mal mehr die Kompetenz des Rechtsstaats.

     

    Es geht gerecht zu. Für Rechte zurecht noch geRechter.

     

    Wären die Nazis wegen Steuerhinterziehung aufgefallen, säßen sie schon im Knast.