Ermittlungen lüften immer mehr Details: Verdacht gegen fünften Mann
Möglicherweise hatte die Zwickauer Zelle mehr Unterstützer als angenommen. Nach Haftbefehl gegen Holger G. gerät fünfter Mann ins Visier - der streitet ab.
BERLIN/HANNOVER taz | Mehr und mehr verdichtet sich, dass das Trio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) bei seiner Mordserie von mehreren Personen Unterstützung erhielt. Nun gerät ein möglicher weiterer Helfer in den Fokus: der 34-jährige Matthias D. aus dem sächsischen Johanngeorgenstadt. Er soll zwei Wohnungen an Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. untervermietet haben – auch die, die Z. am 4. November in die Luft sprengte.
Die Staatsanwaltschaft Zwickau hat nach Informationen der taz Matthias D. bereits kurz nach der Explosion befragt - ohne einen Haftbefehl zu beantragen. Eine Sprecherin der Behörde wollte sich am Dienstag nicht dazu äußern. Der ARD zufolge soll der 34-Jährige der Hauptmieter einer Wohnung in der Zwickauer Polenzstraße gewesen sein, in der Beate Z. von 2001 bis 2008 gewohnt habe.
Auch die Wohnung in der Frühlingsstraße, in der Z. bis zum Schluss lebte, soll unter seinem Namen gelaufen sein. Gegenüber stern.de bestritt D. eine Verbindung. Er habe mit dem Trio "nichts zu tun". Die Bundesanwaltschaft äußerte sich nicht.
Kenner der sächsischen Neonaziszene sagten der taz, D. sei ihnen bisher nicht bekannt. Matthias D. trägt den gleichen Nachnamen, den auch Beate Z. zeitweilig als Alias verwendete. Laut Medienberichten soll D. die Hausverwaltung einst um Umbauten der letzten Zwickauer Wohnung gebeten haben: inklusive Stahltür und Schallschutzdecke. Die Miete soll von einem Konto unter dem Namen von Matthias D. eingegangen sein.
Ein offensichtlich verwirrter Mann mit Hakenkreuzbinde am Arm hat in Rheda-Wiedenbrück (NRW) am Dienstag Schüsse auf ein türkisches Lebensmittelgeschäft abgefeuert. An seinem Körper habe der 27-Jährige mit Klebeband befestigte Sprengstoffpakete getragen, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft in Bielefeld. Der Mann habe psychische Probleme und nach eigenen Angaben auf diese Weise Selbstmord begehen wollen. Andererseits habe er die Tat der Polizei angekündigt und dabei gebeten, ihn nicht zu erschießen.
In Berlin-Charlottenburg wurden vor einem Wohn- und Bürohaus eine Plastiktüte mit Flüssigkeit und ein Blatt mit rechtsextremen Parolen gefunden. Ob die Flüssigkeit brennbar gewesen wäre, blieb am Dienstag unklar. (dpa/epd)
Sicher scheint dagegen, dass der Niedersachse Holger G. dem Trio half. Der Bundesgerichtshof erließ am späten Montagabend Haftbefehl gegen den 37-Jährigen. Er stehe in dringendem Verdacht der Unterstützung der NSU, so ein Sprecher.
Die Bundesanwaltschaft hatte G. noch eine Mitgliedschaft in der Terrorgruppe vorgeworfen. Der Mann aus Lauenau soll mit Böhnhardt, Mundlos und Beate Z. bereits Ende der neunziger Jahre in Jenaer Kameradschaftskreisen verkehrt haben.
Ab 2007 habe er den 1998 Untergetauchten seinen Führerschein und Reisepass überlassen. Diese mieteten damit Wohnmobile an, darunter auch das, in dem sie sich nach dem Mordanschlag auf eine Heilbronner Polizistin geflüchtet haben sollen.
Stefan Hachmeister, Anwalt von Holger G., bestritt, dass sein Mandant der NSU geholfen habe. G. habe "zu keinem Zeitpunkt" die Taten "wissentlich oder willentlich unterstützt" noch davon Kenntnis gehabt. Die rechte Szene habe G. vor "einigen Jahren" verlassen.
Niedersachsens Verfassungsschutz war Holger G. zwischen 1999 und 2004 als Mitläufer aufgefallen. Im Jahr 2004 hätten die Aktivitäten aufgehört. Fünf Jahre später löschte die Behörde die Daten zu G. - so wie es die gesetzliche Frist vorsieht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?