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Entführte Libanesen in SyrienAls Geiseln bei den Rebellen

Elf schiitische Libanesen sind in den Händen der Freien Syrischen Armee. Die Entführer fordern, dass die Hisbollah ihre Unterstützung für Präsident Assad aufgibt.

Verzweifelt: Die Frau eines der schiitischen Entführungsopfer. Bild: dapd

AZAZ taz | Sie sehen aus wie ältere Männer, die sich getroffen haben, um am Vatertag Fußball zu spielen: elf Männer in legerer Kleidung sitzen auf Sofas und in Sesseln in einem Zimmer, in jeder Ecke stehen künstliche Pflanzen. Beunruhigend wirk ein junger Mann im Flur mit einer Kalaschnikow.

Die Männer scheinen in einer derart guten Verfassung zu sei, dass einer der Journalisten sich an einen Kollegen wendet und fragt: „Sind die das?“ Erst als die Männer anfangen zu sprechen, merkt man, unter welchem Druck sie stehen und dass es sich bei ihnen in der Tat um die elf Libanesen handelt, die am 22. Mai 2012 in Syrien entführt wurden. „Warum bin ich hier?“, fragt Abbas Hassan Schuwaib. „Weil ich Schiit bin? Ist das gerecht?“

Der 40-jährige, der einen Frisörsalon im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut besitzt, sagt, es sei ungeheuerlich, dass er als Geisel in Syrien festgehalten werde, einem Land, mit dem er keine Probleme habe. Er wirft der libanesischen Regierung vor, ihre verschleppten Bürger zu vergessen.

„Ich habe drei Töchter im Libanon und ich vermisse sie sehr“, fügt er hinzu und sein Ärger verwandelt sich in Schmerz. Er bedeckt seine Augen mit der Hand und seine Schultern zucken, als er schluchzt.

Geiseln oder Kriegsgefangene?

Die Freie Syrische Armee, die die Geiseln gefangenen hält, sagt, diese seien Kriegsgefangene. „Ich frage mich, warum die internationale Gemeinschaft so eine große Sache daraus macht. Bei der Festnahme dieser Geheimdienstagenten haben wir Spionageausrüstung bei ihnen gefunden“, sagt ein Koordinator der FSA in der Türkei, Ahmad Kassen, gegenüber der taz.

Eine zuvor unbekannte Fraktion der syrischen Rebellen hatte die Libanesen festgenommen, als sie mit ihren Frauen im Bus auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt in den Iran waren. Die Entführer ließen die Frauen frei und behaupteten, die Männer seien Funktionäre der Hisbollah, der schiitischen Partei, die im Libanon eine Koalitionsregierung stellt. Sie sagten, sie würden die Männer freilassen, sobald die Hisbollah die Unterstützung für den syrischen Präsidenten al-Assad einstellt. Die Kidnapper schlossen sich später der FSA an.

Im Libanon, wo die Medien regelmäßig über den Fall berichten, ist kein Hinweis auf eine Verbindung der Männer zur Hisbollah oder eine Spionagetätigkeit aufgetaucht. Und wenn die Hisbollah Agenten nach Syrien schicken würde, dann sicher nicht mit ihren Frauen im Schlepptau. Laut der libanesischen Presse sind die Männer das, was sie selbst von sich sagen: Schiiten auf einer Pilgerfahrt.

Geiseln sprechen immer unter Druck. Schuwaib und die zehn anderen sagen, dass sie nicht misshandelt oder bedroht worden seien. Das einzige Mal, dass er Angst gehabt habe, sei der Moment gewesen, als Bewaffnete ihren Bus außerhalb von Azaz sieben Kilometer vor der Grenze zur Türkei angehalten haben, berichtet Schuwaib. Die Geiseln hätten dreimal mit ihren Familien sprechen können, fügt er hinzu.

Alle wollen Freiheit

Der 48-jährige Abbas Hammud Abu Ali, ein ehemaliger Soldat aus der südlibanesischen Stadt Tyros, deutet an, er respektiere den Kampf der FSA gegen Assad, aber die Rebellen sollten konsequent sein: „Sie sagen, sie kämpfen für Freiheit, aber wir wollen auch unsere Freiheit.“

Die Geiseln leben in einer Wohnung in einem Gebäude gegenüber dem Medienzentrum des Revolutionsrates von Azaz, ein Gremium, das die FSA ins Leben gerufen hat, nachdem sie den Ort am 20. Juli erobert hat. Der Kommandant der FSA in Azaz, Abu Ibramin Ammar Dadikhee, lehnt es ab, zu sagen, wann oder unter welchen Bedingungen die „Gäste aus dem Libanon“, wie er sie nennt, freigelassen werden.

Doch der FSA-Koordinator Kassem erläutert die Bedingungen: Das Assad-Regime entlässt alle Gefangenen, vor allem Hussein Harmusch, einen in der Türkei verschleppten FSA-Führer, und die Hisbollah ändert ihre Position gegenüber der syrischen Revolution. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass diese Bedingungen erfüllt werden.

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10 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    @toyak:

     

    Das mit den 20.000 Soldaten hatte ich schon gelesen... aber dazu müsste das Regime dem ja auch zustimmen.

    Ich sehe nicht, dass Assad dies tun würde - was lässt Sie hierzu anderes vermuten?

     

    Wenn das Regime tatsächlich nicht zustimmt... was denn dann?

    Sehen wir dann weiter zu und harren der Dinge die da kommen mögen --> sehen zu, wie das Regime mit seinen Reserven die gewalttätige Lösung vorantreibt?

     

    Zugegeben - man sollte einen Vorschlag nicht schon für gescheitert erklären, bevor er überhaupt mit den Beteiligten diskutiert worden ist... aber die Erfahrung der letzten 40 Jahre mit den Assads und insbesondere der letzten 16 Monate lassen mich arg an der Lauterkeit dieses Clans zweifeln.

  • T
    toyak

    an: Ant-iPod

     

    Wenn Sie meinen Kommentar nochmal lesen würden, würden Sie dort feststellen, dass ich dort von 20.000 Soldaten gesprochen habe, die die Waffenruhe überwachen sollen.

     

    Daher fände ich doch nicht so schlecht, wenn man 20.000 UN-Soldaten oder mehr nach Syrien entsendet.

  • A
    Ant-iPod

    @toyak:

    Wenn man die Waffenlieferungen an beide Seiten stoppt, verfügt Assad's Armee noch über hinreichend Reserven, um noch monatelang weiter zu kämpfen. Warum sollte er auch damit aufhören, denn seine Amtszeit hat ihn und seine erweiterte Familie sehr reich gemacht.

    Ihr Vorschlag würde das Regime einseitig bevorzugen und beschreibt nicht, wie der Despot danach zum Einlenken bewegt werden soll. Wenn dies seine Absicht wäre, könnte er jeden Tag politische Schritte zur Lösung des Konflikts einleiten, worauf er ja offensichtlich verzichtet.

     

    Sie unterstellen zudem, das die FSA nicht den Willen des Volkes vertritt... was halt nur zum Teil richtig ist.

    Das ist ja genau eines der Probleme, dass dieser große Bevölkerungsteil derzeit mit Waffengewalt das eigene Leben verteidigen muss.

  • T
    toyak

    indem man die Waffenlieferung an beiden Seiten stoppt,

    der Westen seine Doppelmoral aufgibt und mit Russland und China eine Resolution ausarbeitet, in dem 20.000 UN-Soldaten zu Überwachung der Waffenruhe nach Syrien entsandt werden, die Grenzen von UN-Soldaten kontrolliert werden, dass keine Waffen gemuggelt werden.

    Danach können Wahlen unter Beobachtung der UN-Gesandten stattfinden, damit ein PArlament und neuer Präsident gewählt wird, wobei der Präsident al Assad ebenfalls kandidieren darf.

     

    Diese Lösung würde jedoch dem Westen nicht zufriedenstellen. Man will die Macht einfach an die "F"SA übergeben, ohne dabei zu berücksichtigen, was das syrische Volk will.

     

    Beste Grüße

  • A
    Ant-iPod

    @toyak:

     

    Sie sagen, es sei Zeit beide Seiten an den Verhandlungstisch zu zwingen. Mich würde interessieren, wie dieses erzwingen in der Praxis ablaufen soll?

    Aufforderungen gab es ja mehr als genug - wie also soll dieses Ansinnen in die Tat umgesetzt werden?

  • T
    toyak

    Ach was??? Begehen unsere "Rebellen" solche Vergehen? Sie waren doch vor einigen Tagen so friedfertig, demokratisch, menschenrechtsliebend. Sie wollten die Menschen in Aleppo und Damaskus befreien. TAZ und fast alle westliche Medien unterstützten bis jetzt die „F“SA-„Rebellen“.

    Bereits die Tatsache, dass diese Zivilisten am 22.Mai.2012 (vor fast 3 Monaten und vor dem Massaker in Hula (25/26.Mai.2012)) als Geisel genommen wurden, verrät uns, welche Haltung die TAZ und vor allem der „Journalist“ Mortimer.

    Warum haben Sie über die Entführung nichts geschrieben und erst nach fast 3 Monaten schreiben Sie darüber etwas?

    Nennt man dies Journalismus? Bald erhält dieser „Journalist“ noch einige Preise für seinen Einsatz für Menschenrechte. Allerdings unterscheidet man die Menschen in wertvolleren und wertlosen.

    Einige würden jetzt behaupten, dass die "F"SA mittlererweile verrohen und deshalb diese Menschen entführt haben. Zur Erinnerung: 22.Mai 2012 wurden diese Menschen entführt.

    Es ist die Zeit, beide Seite dazu zu zwingen, die Waffen zum Schweigen zu bringen und eine Übergang einzuleiten, bei dem die Syrer das Sagen haben und nicht die Hintermänner, denen das Leben der Syrer am Arsch vorbeigeht und nur ihre Interessen durchsetzen wollen.

  • A
    Ant-iPod

    zu spät.....

     

    wie mir gestern von Syrern gesagt wurde, sind bei den Luftangriffen auf Azaz alle libanesischen Geiseln und mindestens 80 weitere Menschen getötet worden.

     

    Azaz ist derzeit gar nicht umkämpft - Assads Armee ist dort gar nicht vor Ort und Gefechte gibt es dort gar nicht.

    Die einzige Möglichkeit für Assad's Streitkräfte dort überhaupt hin zu kommen, ist aus der Luft.

     

    Das kann man nicht mehr mit "aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung" oder so etwas rechtfertigen.

    Diese Luftangriffe sind schlichtweg Mord.

     

    Schade um jedes Menschenleben.

     

    Es ist, als bettelte Assad um eine Flugverbotszone oder die weitere Aufrüstung der FSA mit Luftabwehrwaffen. Dies wird wohl nun geschehen... und um eine politische Lösung der Situation kümmert sich überhaupt keiner.

    Totalversagen der Politiker allenthalben...

  • HL
    hans leichtlein

    wahrscheinlich ist es euch bei eurer Freiheitspropaganda durch die Lappen gegangen...

     

     

    Free Syrian Army commander Riyad Al Asaad

    Syrian National Council president Abdel Basset Sayda

     

    cc: "Friends of Syria"

     

    Paris, 14 August 2012

     

    Subject: Increasingly frequent attacks on government media and their staff

     

    Gentlemen,

     

    Reporters Without Borders, an international organization that defends freedom of information, would like to share with you its deep concern about the growing number of acts of violence against Syrian journalists, including government and pro-government journalists.

     

    As you undoubtedly know, our organization has been drawing attention to the Assad family’s tight grip on news and information in Syria for the past two decades. And we have been forcefully condemning the attacks on foreign and local journalists, both professional and netizen, by the Assad regime’s troops and militias since the start of the uprising in March 2011.

     

    We have also been providing moral and material support to those who have been trying to do their duty as news providers to break down the regime’s media blockade. We have repeatedly alerted the international community to the massive scale of human rights violations in Syria, especially the level of censorship imposed by the authorities.

     

    However, our organization has also unfortunately been registering a growing number of violations of freedom of information by the anti-government forces in recent weeks. The employees of Syria’s pro-government media are becoming the targets of abduction and murder with increasing frequency.

     

    The Islamist group Al-Nosra announced on 3 August that it had executed Mohammad Al Saeed, a TV presenter who was kidnapped from his home in mid-July. Syrian government TV cameraman Talal Janbakeli was kidnapped in Damascus on 5 August by the Free Syrian Army’s Haroun Al-Rasheed militia.

     

    A crew working for Al-Ikhbariya, a privately-owned pro-government TV station, was captured by another FSA unit on 10 August. According to the information currently available, one of its members is now dead, while his colleagues have been forced to make on-camera "confessions." Ali Abbas, a journalist with the government news agency Sana, was killed at his home in the Damascus suburb of Jdaidet Artouz on 11 August. The premises of several government or pro-government media have also been the targets of bombings since late June.

     

    Several foreign journalists have told us they were the targets of death threats from opposition groups. Some were kidnapped by small jihadist groups. Such practices sadly resemble those used by the Assad regime against opposition journalists.

     

    We are aware of the Syrian opposition’s diversity. However, we call on you, as the overall leaders of its main components, to publicly condemn these abuses and to carry out the necessary investigations.

     

    Your current status as a belligerent, and your desire to facilitate a transition in Syria, require you to respect international law and to impose it on the various opposition forces, civilian and military. International conventions and regulations, including UN Security Council Resolution 1738, require all parties to a war to protect journalists.

     

    We strongly condemn the publication or broadcasting of propaganda messages inciting hatred or violence against the civilian population. Nonetheless, neither professional nor netizen journalists should ever be targeted. Their physical integrity and dignity should be respected in order to protect freedom of information itself.

     

    The FSA and other components of the opposition must immediately and unconditionally release the journalists and media workers they are holding, including the Al-Ikhbariya crew members captured on 10 August. They must also immediately stop filming statements extracted under duress, a degrading practice to which many detained journalists have been subjected.

     

    Such behaviour is not only a violation of human rights and your international responsibilities but is also counter-productive, as it can only damage the Syrian opposition’s image in the eyes of the public and its international supporters.

     

    I thank you in advance for the attention you give to this letter.

     

    Sincerely,

     

    Christophe Deloire

    Reporters Without Borders director-general

  • A
    Ant-iPod

    Ich habe verschiedentlich die FSA und die Zustände in Azaz gelobt - aber das muss ich nun in aller Deutlichkeit relativieren.

     

    Zwar bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Syrer die Demokratie verdient haben und dass so einiges in den bereits befreiten Städten wie Azaz auf dem richtigen Wege ist - aber ich kann nicht hinnehmen, dass sich die Opposition genau der Mittel bedient, die sie durch den Regimewechsel gerade abzulösen sucht.

     

    Sicher, das Verhalten ist nicht auf demselben Niveau, wie das der Schabiha oder der Geheimdienste - aber dies kann nicht entschuldigen, das völlig Unbeteiligte aufgrund ihrer Religion und/oder Staatsangehörigkeit festgehalten werden.

    Ich bin weisgott nicht mit Frau Merkel einverstanden - wenn mich jemand entführen würde, nur weil bsw. Deutschland Soldaten in Afghanistan hat, so wäre ich wohl genauso fassungslos wie die beschriebenen Libanesen.

     

    Die syrische Opposition muss begreifen, dass sie nur obsiegen kann, wenn sie einen besseren Gegenentwurf zur Regierung Assad bildet.

    Ich denke, dies tut sie in der Masse auch - deswegen ist es um so fataler, wenn solche Einzelaktionen den gesamten Widerstand gegen den mordenden und raubenden Despoten in Verruf bringen.

     

    Das geht gar nicht - ich verurteile dies in aller Form und hoffe, dass dieses Verbrechen alsbald beendet und die Gefangenen frei gelassen werden.

  • P
    pauli

    herr mortimer war also zu gast bei den geiseln und deren geiselnehmern?! anscheinend stirbt im krieg nicht nur die wahrheit zuerst, sonndern auch die journalistische ethik - vorallem bei der taz!