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EnergieSmells like Rekommunalisierung

In Berlin naht der nächste Volksentscheid: Mehr als 200.000 Bürger haben das Energie-Volksbegehren unterschrieben.

Unterschriftensammlerin für das Volksbegehren "Neue Energie für Berlin" am Alexanderplatz in Berlin. Bild: Ralf Hirschberger/dpa

Noch zieren sie sich: Vor seiner Bilanzpressekonferenz an diesem Dienstag will der Energietisch nicht die Gesamtzahl der gesammelten Unterschriften nennen. Doch es steht fest: Das Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“ war erfolgreich. Ihre Zielmarke 200.000 hatten die Unterschriftensammler am Montagnachmittag überschritten. „Wir haben es definitiv geschafft“, sagte Energietisch-Sprecher Stefan Taschner der taz.

Das amtliche Endergebnis des Volksbegehrens will //www.wahlen-berlin.de/Abstimmungen/VB2013_NEnergie/AllgemInfo.asp?sel1=5059&sel2=1000:die Landeswahlleiterin spätestens am 24. Juni vorlegen. //www.wahlen-berlin.de/wahlinfos/recht/Abstimmungsgesetz.pdf:173.000 gültige Unterschriften sind für einen Erfolg nötig. Selbst wenn 15 Prozent der Signaturen ungültig wären: Die 200.000 würden ausreichen. Zudem sind die direkt in den Bürgerämtern geleisteten Unterschriften noch gar nicht eingerechnet.

Damit naht nach Pro Reli, Tempelhof und Wassertisch der vierte Volksentscheid Berlins. Wäre dieser im Herbst erfolgreich, hätte der Vorschlag des Energietisches Gesetzeskraft: Genau nach dem Konzept des Bündnisses müsste der Senat dann ein eigenes Stadtwerk und einen Stromnetzbetreiber aufbauen.

Wann ist Volksentscheid?

Am 5. Juli wird das Gesamtergebnis des Energie-Volksbegehrens im Amtsblatt veröffentlicht. Innerhalb von vier Monaten, also spätestens Anfang November, muss dann der erzwungene Volksentscheid stattfinden.

Grüne und Linke warnten den Senat am Montag vor „Termintricksereien“. Die Fristen sprächen für einen Volksentscheid zeitgleich zur Bundestagswahl am 22. September, so Grünen-Landeschef DanielWesener. „Das hat den Vorteil, dass eine hohe Beteiligung an der Abstimmung zu erwarten ist und Berlin das Geld für einen separaten Termin spart.“

Zwar kann das Abgeordnetenhaus den vorgelegten Gesetzentwurf nun auch unverändert annehmen und so einen Volksentscheid vermeiden. Doch das Parlament verabschiedet sich diese Woche in die Sommerpause, und eine Einigung mit Rot-Schwarz scheint ausgeschlossen: Während die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt am Montag ankündigte, Vattenfall in Zukunft auch große Teile des Fernwärmenetzes streitig machen zu wollen, wäre der CDU ein Scheitern des Volksbegehrens zweifellos entgegengekommen. So sagte der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Michael Garmer, vergangenen Mittwoch bei einer Vattenfall-Veranstaltung: „Wir wollen das Stromnetz nicht übernehmen.“ Zwar stehe die CDU zu den mit der SPD gefassten Beschlüssen. Aber die sähen lediglich vor, dass sich Berlin überhaupt um die Konzessionen für Strom- und Gasnetz bewirbt. „Ich möchte nicht, dass das Berliner Stromnetz in fünf Jahren so aussieht wie das Straßennetz heute“, sagte Garmer. In den Händen der Privaten seien die Netze gut aufgehoben. Dieser Meinung ist zweifellos auch Vattenfall: Wie der Energietisch hatte der schwedische Konzern zuletzt seine Werbemaßnahmen intensiviert. Tägliche Zeitungsanzeigen, Informationsveranstaltungen, Plakate in der ganzen Stadt, mit klarer Botschaft: „Sicherheit durch Kompetenz“.

Beschäftigte reden mit

Doch mindestens 200.000 BerlinerInnen trauen diese Kompetenz auch einem kommunalen Betreiber zu. Zwar wird sich das Konzessionsverfahren unabhängig vom Volksentscheid frühestens 2014 entscheiden. Doch schon in den kommenden Wochen wird ein heiß diskutiertes Thema die Handhabung eines möglichen Betriebsübergangs sein: Von welcher Vattenfall-Tochtergesellschaft würden welche Beschäftigten zu welchen Konditionen von einem neuen Netzbetreiber übernommen? Die Vattenfall-Betriebsräte werden in der Kommunalisierungsdebatte deshalb ein gewichtiges Wort mitreden.

Dem Energietisch bescheinigte die Betriebsratsvorsitzende der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin GmbH, Cosima Vinzelberg, bei einer Podiumsdiskussion der Linksfraktion am vergangenen Freitag „hochprofessionelle Arbeit“. Die Initiatoren des Volksbegehrens hätten die Interessen der Vattenfall-Beschäftigten bei ihren Plänen so gut wie möglich berücksichtigt. „Das ist nicht selbstverständlich.“ Mit welchem Konzept die verantwortlichen Landespolitiker die Kommunalisierung des Stromnetzes angehen wollen, sei bisher völlig unklar.

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8 Kommentare

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  • PS
    Peter S.

    @Thomas Ebert: Ich musste schmunzeln, als ich las, dass Thyrow und Ahrensfelde mit im Überraschungsei liegen sollen. Eigentlich richtig fies von Vattenfall, schön fies aber ich finde es gut. Wo ist der Aufschrei der selbsternannten Energieexperten? Herr Artzt, über dieses Angebot von Vattenfall sollten Sie einmal reflektieren.

     

    @the real günni: Vattenfall hält sich an geltendes Recht, so tragisch das auch für die Betroffenen ist.

     

    Ihr Zitat:

    "oder koennte es auch sein, das der durschschnittsbrandenburger noch nicht das noetige staatsempfinden entwickelt hat...oder weil ein volksbegehren fuer den betroffenen suedostzipfel auf das ganze bundesland ausgedehnt wurde? oder weil viele nicht genuegend informiert waren?"

     

    Zur Not muss ebend den renitenten Brandenburgern im Umerziehungslager das richtige "Staatsempfinden" eingebläut werden. Sie sind mir ein feiner Demokrat.

  • TR
    the real günni

    @thomas ebert

     

    sie haben wirklich zweifel, dass sich was aendert? sie haben nichts gegen heuchelei, die vattenfall, ein schwedisches staatsunternehmen, in seinem heimatland betreibt und schoen den eigenen buergern etwas von nachhaltigkeit und oekologie weismachen will?

     

    sollten sie noch zweifel haben, schauen sie sich den bericht des MDR vom braunkohletagebau in der lausitz an, sendung vom 26.03., ein mehr als erschreckender bericht:

     

    http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/a-z/echtdasmagazinzumstaunen100_letter-E_zc-80da7807_zs-dea15b49.html

  • TE
    Thomas Ebert

    Was soll eine kommunalisierte Stromversorgung besser machen? Das Gerede von "grüner" Energie ist doch dem Wunschdenken entsprungen. Oder sollen auf Alex und Ku´damm Windmühlen installiert werden, das Tempelhofer Feld wird Solarpark und alle Schrebergärtner haben Biogasanlagen zu unterhalten?

    Haben denn die Unterstützer der Kommunalisierung wenigstens komplett auf E-Mobilität umgestellt?

    Sicher kann auch ein kommunales Unternehmen ein Stromnetz betreiben, aber irgendwelche positiven Änderungen sind nicht zu erwarten. Nebenbei bemerkt: Vattenfall strukturiert die Kraftwerksgruppe Gas neu, wer das Netz haben will, der muss auch die Kraftwerke in Ahrensfelde und Thyrow mitkaufen und betreiben, incl. der Verluste.

  • J
    Jan

    Super, dass es geklappt hat! Nun brauchen wir auch auf Bundesebene direktdemokratische Verfahren! Dafür lohnt es sich dieses Jahr zu kämpfen: www.volksentscheid.de

  • TR
    the real günni

    @ Peter S.

     

    gescheitert woran? was ist denn ihre meinung? weil alle brandenburger fuer den tagebau sind? weil kohle ja wieder so schoen billig ist? weil es einfach die beste energiequelle ist? weil eigentlich alle so heizen sollten? weil CO2 gar kein thema mehr ist? weil brandenburg zwar ganz vorne beim ausbau der wind- und solarkraft in deutschland ist, aber das nur so nebenbei macht und lieber an alten traditionen festhaelt?

    oder koennte es auch sein, das der durschschnittsbrandenburger noch nicht das noetige staatsempfinden entwickelt hat...oder weil ein volksbegehren fuer den betroffenen suedostzipfel auf das ganze bundesland ausgedehnt wurde? oder weil viele nicht genuegend informiert waren?

     

    des volkes wille....ich weiss nicht, ob sie sich bewusst sind, was sie da sagen. wir sprechen hier von enteignung, raub der heimat, massive zerstoerung von landschaften und urwaeldern, eingriff in riesige flaechen, dessen auswirkungen in 50 jahren noch zu spueren sein werden? waren sie mal im spreewald und haben sich die rote bruehe angeschaut, die jetzt aus den uralten tagebauen ausgeschwemmt wird?

    des volkes wille: 1919 wurde ein gesetz verabschiedet, dass aus ganz logischer konsequenz eigentum schuetzt. von umweltschutz war damals noch gar nicht die rede. dieses gesetz wurde 1937 von den nationalsozialisten ausgehebelt, um fuer die ruestungsindustrie an die kohle zu kommen. wenn sie das im namen des volkes nennen wollen - bitte

  • PS
    Peter S.

    @ the real günni: In Brandenburg ist vor nicht allzulanger Zeit ein Bürgerbegehren gegen die Braunkohleverstromung grandios gescheitert. Sie wollen doch nicht Volkes Wille ignorieren, oder?

  • TR
    the real günni

    ja herr garmer, danke fuer diesen klugen satz von „Ich möchte nicht, dass das Berliner Stromnetz in fünf Jahren so aussieht wie das Straßennetz heute“, sie scheinen ja wirklich etwas von administration auf der einen und strassenbau auf der anderen seite zu verstehen. erschliesst sich ja auch jedem drittklaessler sofort, wie das kausal zusammenhaengt. vielleicht denken sie beim naechsten einkauf im discounter um die ecke: ´ich moechte nicht, dass das berliner energienetz so aussieht, wie dieses netz mit orangen´ oder sagen beim obligatorischen CDU-fest im naechsten altenheim: liebe greise, bei aller gebrechlichkeit, ich moechte aber nicht, dass eure haarnetze so aussehen, wie das berliner strassennetz, das wollt ihr doch bestimmt auch nicht - disziplin muss sein!´

     

    davon mal ab, in der grossen hoffnung, dass vattenfall bald in berlin abgeloest wird durch eine transparentere, nachhaltigere lenkung mit einer ethischen grundhaltung, und dann hoffentlich auch bald in sachen in der lausitz -

     

    hier erschreckende bilder des raubbaus (MDR sendung ECHT vom 26.03. in der mediathek) -

     

    http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/a-z/echtdasmagazinzumstaunen100_letter-E_zc-80da7807_zs-dea15b49.html

     

    und eine petition zum unterschreiben eines betroffenen:

     

    http://www.change.org/de/Petitionen/stoppt-enteignung-durch-kohlelobby-sorbendland-retten

  • H
    Hans

    Ein großer Dank an die Initiatoren, freiwilligen Helfen, etc. sowie auch allen, die mitgezeichnet haben.

     

    Jetzt muss nur noch die Politik mitmachen ^_^