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Eklat im NSU-UntersuchungsauschussSitzung unterbrochen

Dünnhäutig und bockig gibt sich der ehemalige Verfassungschutz-Vize Fritsche im Untersuchungsausschuß. Dem Ausschussvorsitzenden platz darob der Kragen, und er bricht die Sitzung ab.

Not amused: Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsauschusses Sebastian Edathy Bild: dapd

BERLIN afp | Bei der Vernehmung des früheren Verfassungsschutz-Vizepräsidenten Klaus-Dieter Fritsche im NSU-Ausschuss des Bundestags ist es am Donnerstag zu einem Eklat gekommen.

Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) unterbrach die Sitzung am Donnerstag, nachdem Fritsche mit scharfen Worten Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der rechtsextremen Zelle NSU zurückgewiesen und Zwischenfragen von Abgeordneten abgelehnt hatte. „Es gibt Grenzen dessen, was man hier hinnehmen muss“, sagte Edathy.

Während der Sitzungsunterbrechung wollte der Ausschuss intern über das weitere Vorgehen beraten. Fritsche war zum Zeitpunkt der NSU-Mordserie Vizepräsident des Verfassungsschutzes. Heute ist er Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

In seinem Eingangsstatement vor dem Ausschuss hatte er die Preisgabe geheimer Informationen an die Medien beklagt und kritisiert, dass die Untersuchungsarbeit „von einem Skandalisierungswettstreit überlagert wird“. Ausdrücklich wehre er sich dagegen, dass „beißende Kritik, Hohn und Spott über einen ganzen Berufszweig von Polizisten und Verfassungsschützern niedergeht“.

Fritsche begründete dann ausführlich, warum es geboten sein könne, dem Ausschuss vertrauliche Unterlagen garnicht oder nur in geschwärzter Fassung vorzulegen. Dabei gehe es nicht um „mangelnde Kooperationsbereitshaft“ seitens der Sicherheitsbehörden und der Regierungen, sondern um die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen.

Fritsche lehnte es während seines Eingangsstatements mehrfach ab, Zwischenfragen von Abgeordneten zu beantworten. Ausschusschef Edathy unterbrach daraufhin die Sitzung und schloss die Öffentlichkeit aus, damit der Ausschuss über das weitere Vorgehen beraten könne.

Korrektur, 14.40 Uhr. Die ursprüngliche Überschrift „Sitzung vorzeitig beendet“ ist in die richtige „Sitzung unterbrochen“ geändert.

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15 Kommentare

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  • J
    Jörg

    Naja, was soll man da noch viel zu sagen. Bei dem Verfassungsschutz handelte es sich nach meiner Ansicht nach so immer um eine nicht demokratisch begründebare Institution. Was machen die nochmal? Achso, die beschützen die Bürger der BRD. Interessant, dass diese Institution darüber aber keine Rechenschafft ablegen muss und sich, wie sich nun herausstellte auch mit staatsfeindlichen Organen verbündet.

     

    Auf der anderen Seite ist aber genau dies, meines Erachtens nach, im Interesse des Verfassungsschutz. Denn wenn die Bürger mal keine Angst mehr haben, dann könnte sich ja jemand tatsächlich darüber Gedanken machen, ob mal so etwas wie den Verfassungsschutz in einer echten Demokratie wirklich braucht.

     

    Und überhaupt, wie kann der gute Herr Fritsche es denn eigentlich Rechfertigen sich als Beamter des Staates sich dessen demokratischen Kontrollmechanismen zu entziehen?

     

    Naja, Fragen über Fragen. Vielleicht lernt man bei Verfassungsschutz ja auch einfach nicht was in der Verfassung eigentlich drin steht. Muss man ja aber auch nicht um diese zu beschützen, wa?

  • NF
    Norbert F. Schaaf

    Geschichte scheint sich tatsächlich zu wiederholen, in Mutation natürlich. Ähnlich und direkt vergleichbar hat es angefangen in den 1920iger Jahren - hervorragend und visionär beschrieben im Roman "Erfolg" von Lion Feuchtwanger, der nichts an Aktualität verloren hat. Auch damals saßen die (Mit-)Täter von Rechts auch in Behörden und Konzern(bel)etagen.

  • S
    Steffanie

    Herr Sebastian Edathy soll sich "zusammenreißen", sonst ist er in der Position als Vorsitzender nicht mehr tragbar. Die Art und WEise wie das alles bisher ablief, ist eh schon kaum zu fassen.

  • H
    Hans

    @waldemar

    Teilweise muss ich Ihnen Recht geben, bzgl. der Profilierungssucht von Politikern, ich glaube ihr Naturell, doch die teilweise schwere Arbeit des Untersuchungsausschusses ist begründet in der mangelnden Transparenz und Koorperation. Und es ist politisch so gewollt, dass da nicht bei rum kommt.

     

    @Jan

    Ja, bedingt schon. In den Akten könnte zum Beispiel etwas über die Kontaktpersonen der NSU stehen, also nichts über die drei direkt.

    Zudem,w er glaubt denn bitte dieser Aussage. Wer kann es jetzt noch prüfen, die Akten sind ja schließlich weg.

  • J
    Jan

    Das Geständnis, das ich heute morgen im Radio gehört habe, ist ja wunderschön:

    "in den Akten waren keine Querverbindungen, deswegen konnten wir sie schreddern"

    Was steckt da drin:

    1. Wir wissen genau, wer die Täter waren und wie es abgelaufen ist.

    2. Wir haben geprüft, ob es zu diesen Tätern und Taten Querverbindungen gab.

    3. Es gab keine

    4. Dann haben wir die Akten geschreddert.

     

    Ich finde dieses Vorgehen korrekt.

     

    Und nun ab ins Gefängnis mit dem Verfassungsschutz, weil sie ja nach logischer Schlußfolgerung zugegeben haben, dass sie wissen, wie es abgelaufen ist, aber sie haben es noch nicht gesagt. Das ist bestimmt strafbar. (Vereitelung der Strafverfolgung...)

     

    Oder habe ich einen Denkfehler?

  • W
    waldemar

    Wofür Beugehaft? Weil der Zeuge es sich verbittet, ihn während seines Eingangsstatements mit Zwischenfragen zu unterbrechen?

    Ich denke, Herrn Edathy und Co wurmt es, daß der Zeuge alles andere als kleinlaut und devot daherkommt. Seien wir doch ehrlich: Untersuchungsausschüsse dienen nicht der Aufklärung von Skandalen, sondern allein der parteipolitischen Profilierung der Ausschußmitglieder.

  • O
    Oliver

    Beugehaft ist ein Guter Anfang. Des weiteren finde ich sollte der Untersuchungsausschuss Hilfe bei der UN ersuchen. Wenn dann einige hundert UN-Blauhelme einen Durchsuchungsbefehl in der Zentrale des Verfassungsschutz vollstrecken, könnte ich auch glatt wieder denke, dass es noch Politiker gibt, die ihren Job aus Überzeugung dem Volke gegenüber machen.

  • A
    Andrea

    Dazu sage ich mal auch: was bildet sich dieser Fritsche eigentlich ein?? Es reicht, Herr Fritsche!!

     

    Und an die Staatsanwälte: festnehmen und in Beugehaft bringen!! Herr Fritsche betitelt Aktenlöschung nicht als mangelnde Kooperationsbereitschaft sondern als Schutz für das überflüssige V-Leute-System!! Aber genau dass brauchen wir nicht mehr!!

     

    Und an Herrn Fritsche: die Kritik von uns Usern richtet sich explizit nur gegen die Behörden des Verfassungsschutzes und nicht gegen die Polizei als solches!! Was soll bitte dieser Blödsinn??!! Ihr "Vortrag" wie mit diesen Akten zu verfahren ist, ist überflüssig!! Die Akten sind sehr wohl vorzulegen und dass ungeschwärzt!! Denn dass ist sehr wohl mangelnde Kooperationsbereitschaft mit dem Ausschuss!!

     

    Und von daher verbitten wir User uns ausdrücklich solche dümmlichen Kommentare von Herrn Fritsche!!

     

    Abführen und in Beugehaft mit ihm!!

     

    @ Herrn Edathy: ich verstehe Ihren Unmut und Zorn vollständig. Lassen Sie sich nicht von Herrn Fritsche auf der Nase herumtanzen!! Beantragen Sie gegen diesen ehemaligen Vize vom Bundesverfassungsschutz einen Haftbefehl. Er hat die Grenze dessen, was zumutbar ist, überschritten, und dass deutlich!!

     

    Darüber hinaus möchte ich Ihnen - Herr Edathy - nochmals meine Bewunderung und Hochachtung vor Ihnen für Ihre Durchsetzungskraft und für Ihren Mut und meinen ausdrücklichen Respekt aussprechen. Denn Sie haben Recht damit, dass diese Sache öffentlich zu behandeln ist und nicht hinter verschlossenen Türen. Danke dafür. Halten Sie durch und machen Sie weit so wie bisher!! Sie machen sehr gute Arbeit, Herr Edathy!!

     

    Gruß

    Andrea

  • U
    ula61

    beugehaft für fritsche !

  • AM
    Ach Mett de Doische

    Das ist die doische Demokratie.

    Andere Länder ständig anpissen und selbst aber das preußische Staatsverständnis leben: Wir gehorchen nur dem Kaiser, dem obersten Chef, aber nicht der parlamentarischen Demokratie.

  • L
    lowandorder

    Fritsche war zum Zeitpunkt der NSU-Mordserie Vizepräsident des Verfassungsschutzes. Heute ist er Staatssekretär im Bundesinnenministerium."

    So geht das.

     

    Danke. Keine weiteren Fragen.

  • H
    Hans

    Fritsche und seine Haltung sind typisch für das, was bei den geheimdiensten falsch läuft, Sie haben einfach grundsätzlich vergessen, dass sie im Auftrag des Volkes handeln und dass das Parlament die gewählte Vertretung darstellt. Und daran, dass der Untersuchungsausschuß jedes Recht im gesetzlichen Rahmen hat, die Geheimdienste zu kontrollieren sollte man Leuten wie Fritsche einfach ggf. juristisch daran erinnern.

  • S
    spiritofbee

    Der Ausschluß der Öffentlichkeit in wichtigen staatstragenden Dingen ist einer der Grundmerkmale heutiger Demokratien.

    Für viele "Geheimnisse" sind wir Volk schlichtweg zu blöd, oder etwa nicht?

    Erkläre mir bitte ein Mensch den Unterschied zwischen Staat und Volk!

  • V
    Ver-

    faschungsschützer oder auch Amt für Verfassungsbruch, etwas anderes haben die noch nie geleistet, als alte Seilschaften zu tarnen.

    Auflösen den Saftladen, ersatzlos!

  • M
    mikael

    An einen Ausschuss in dem Politiker der linkspartei sitzen würde ich auch keine Akten mit Klarnamen weitergeben, wer weis wo die Daten landen?