EU-Digitalkommissar Oettinger: Das Recht aufs Filbinger-Vergessen
Das EU-Parlament befragte die designierten Kommissare. Pech hatte Günther Oettinger. Er musste sich mit Martin Sonneborn auseinandersetzen.
BRÜSSEL afp | Die Anhörung der designierten EU-Kommissare sind keine angenehme Veranstaltung: Drei Stunden werden die Kandidaten von den Abgeordneten im Europaparlament „gegrillt“. Getestet werden die Bewerber auf ihre fachliche und persönliche Eignung – doch als Anwärter auf den Posten des Digitalkommissars musste sich Günther Oettinger (CDU) am Montagabend auch eine gehörige Portion Ironie von dem EU-Abgeordneten Martin Sonneborn gefallen lassen.
„Werden Sie sich in ihrer Funktion als Digitalkommissar für das Recht auf Vergessen im Internet einsetzen?“, fragte der frühere Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, der bei der Europawahl im Mai für Die Partei ins europäische Abgeordnetenhaus gewählt worden war. Das sogenannte Recht auf Vergessen ist einer der Kernpunkte der europäischen Datenschutzreform, die Anfang 2012 von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde und nun in den Beratungsrunden der EU-Staaten schon wieder zu veralten droht.
Oettinger muss sich jetzt mit solchen Fragen auskennen – schließlich soll er vom Posten des Energiekommissars in der künftigen EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker in das Digitalressort wechseln. Die am Montag gestarteten Anhörungen durch die Fachpolitiker im EU-Parlament sollen ans Licht bringen, ob die Kommissarsanwärter für ihre Posten geeignet sind. Das Urteil fällt das Europaparlament.
Die Vergabe des Digitalressorts an den 60-jährigen früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg war teilweise mit Überraschung aufgenommen worden. Einerseits galt Oettinger bisher nicht als Internetexperte, andererseits hatte er vor der Vergabe der Ressorts mit einem wichtigen Wirtschaftsposten etwa im Bereich Handel geliebäugelt. Doch als Sonneborn das Wort bekommt, geht es dem Spaßpolitiker weniger um Oettingers Fachkenntnisse.
„Aus Versehen gelöscht“
Wenn Oettinger für das Recht auf Vergessen sei, wie wolle er dann verhindern, dass etwa seine umstrittenen Äußerungen zu der Nazi-Vergangenheit seines Vorgängers als Ministerpräsident Baden-Württembergs, Hans Filbinger, „aus Versehen gelöscht werden“, setzte Sonneborn süffisant hinzu. Oettinger hatte den früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger im Jahr 2007 einen „Gegner des Nationalsozialismus“ genannt, obwohl dieser ins NS-System verstrickt war.
Empfohlener externer Inhalt
Doch bei der Erinnerung an diesen Fehltritt machte Sonneborn nicht halt: Was geschehe zudem mit der Information, „dass Sie mittelalterliche schwäbische Inkunabeln verhökern wollten. Was ist das überhaupt? Und dass sie ihren Führerschein mit 1,4 Promille abgeben mussten?“, fragte der Abgeordnete weiter. In Anspielung auf Oettingers berüchtigte Englischkenntnisse und seinen starken Akzent fügte Sonneborn schmunzelnd hinzu: „Können sie diese Frage bitte auf Englisch beantworten?“
Oettinger nahm die Ironie-Attacke sportlich: „Ich habe die Absicht, den Fragen zu folgen, aber ihre Befehle nur eingeschränkt zu akzeptieren“, sagte der CDU-Politiker – und antwortete auf Deutsch. Ja, er sei für das Recht auf Vergessen im Internet. Inkunabeln seien historische Gegenstände, und er habe seinen Führerschein vor einem Vierteljahrhundert verloren. „Das stimmt, dazu stehe ich. Und da dies in den Zeitungen stand, wird das nie vergessen werden können“, sagte der designierte Digitalkommissar. „Wer in der Politik ist, muss sich mit seinen Erfolgen und Misserfolgen lebenslang messen lassen.“
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