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Direkte DemokratieKopf oben, Bahnhof unten

Warum es wichtig ist, den Stuttgart-21-Volksentscheid anzuerkennen: Über einen angemessenen Umgang mit unangemessenen Wahlergebnissen.

S-21-Gegner Boris Palmer im Einsatz. Bild: dapd

Stuttgart 21 bleibt ein Fehler, aber den müssen wir jetzt machen.

Die Bäume im Stuttgarter Schlosspark sind gefällt, der markante Südflügel des Bahnhofs ist bald Architekturgeschichte. Die Mehrheit im Land hat das so gewollt. Eine starke, überzeugte Minderheit will sich damit aber nicht abfinden. Aus zahllosen Briefen weiß ich, dass viele Menschen, die mit mir für den Kopfbahnhof gekämpft haben, nun Betrug und Verrat wittern. Im Kern läuft die Argumentation darauf hinaus, dass die Bevölkerung hinters Licht geführt worden sei und sich anders entschieden hätte, wenn sie nur die Wahrheit erfahren hätte. Ausgeschmückt wird diese These mit vielen zutreffenden Hinweisen auf irreführende Informationen und die finanzielle und organisatorische Übermacht der Kampagne gegen den Ausstieg aus Stuttgart 21.

Und ja, es stimmt, dass die Ausstiegskosten mit 1,5 Milliarden Euro maßlos übertrieben wurden. Ja, es stimmt, dass allein der Verband Region Stuttgart eine Million Euro in eine Kampagne investiert hat, die nur notdürftig als Information getarnt wurde. Ja, es stimmt, dass die Bahn sich um einen echten Stresstest herumgemogelt hat. Ja, es stimmt, dass die wahre Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs bewusst klein geredet wurde. Ja, es stimmt, dass die Kosten des Projekts noch immer geschönt sind und die dicke Rechnung am Ende kommt. Ja, es stimmt, dass die Planung und Umsetzung des Projekts von erschreckendem Dilettantismus geprägt ist und für wichtige Abschnitte nicht einmal eine vernünftige Planung vorliegt.

Boris Palmer

geboren 1972 in Waiblingen, saß für die Grünen von 2001 bis 2007 im Landtag von Baden-Württemberg. Seit 2007 ist er Oberbürgermeister von Tübingen. 2009 erschien von dem Gegner des Bahnhofsprojekts in Stuttgart das Buch: „Eine Stadt macht blau“. Seit 2010 ist Palmer Mitglied im Parteirat der Grünen.

All das ist im Abstimmungskampf tausendfach vorgebracht worden. Doch wer glaubt, die Leute hätten sich anders entschieden, wenn sie nur das gewusst hätten, was man selbst für die Wahrheit hält, irrt sich.

So ist auffällig, dass die Mehrheiten gegen den Ausstieg in ländlichen Gebieten Baden-Württembergs besonders groß waren. Vereinfacht gesagt, ist die Zustimmung zu Stuttgart 21 in einem Landkreis umso größer, je weniger Züge dort verkehren. Aus dieser Beobachtung wird sofort klar, dass all die guten Argumente für den Kopfbahnhof und gegen den Engpass unter der Erde gar nicht fruchten konnten, weil sie für viele Menschen im Land gar keine Rolle spielten. Wenn es aber gar nicht um den Bahnverkehr ging, dann war etwas anderes entscheidend. Und das kann nur die Aufladung des Projekts mit den Begriffen Fortschritt und Wohlstand gewesen sein. Wir haben uns als Kopfbahnhofsverfechter nicht genügend Mühe gemacht, dieses große Märchen zu entlarven, und stattdessen lieber Züge in der Spitzenstunde gezählt.

Mythische Überhöhung

Eine zweite Beobachtung: Die Zustimmung ist im oberschwäbischen Raum besonders groß. Von Ulm bis Friedrichshafen hat Stuttgart 21 eine Mehrheit von über zwei Dritteln erhalten. Andererseits gibt es Mehrheiten gegen Stuttgart 21 in ganzen Landkreisen nur im badischen, bevorzugt im südbadischen Raum. Außerhalb Stuttgarts haben die städtebaulichen Fragen Stuttgarts kaum interessiert. Das Denkmal Bonatzbau und der Park waren den meisten Menschen im Land ziemlich egal. Die badische Seite hat wenig Neigung verspürt, im schwäbischen Landesteil Geld auszugeben. Den Oberschwaben hingegen kann man zutrauen, dass sie nicht für höhere Ausgaben in Stuttgart gestimmt haben, sondern für „ihre“ Neubaustrecke. Es ist der Fraktion um Ulms OB Ivo Gönner also gelungen, die These zu verbreiten, dass die Neubaustrecke von Stuttgart nach Oberschwaben nur kommt, wenn der Ausstieg aus Stuttgart 21 abgelehnt wird.

Die dritte Beobachtung: In Stuttgart und im ganzen Land gibt es eine starke Korrelation der Ergebnisse mit den Wahlergebnissen der Grünen und der CDU. Wo die Grünen stark sind, wie im Talkessel, in Freiburg oder in Tübingen, überwiegt die Ablehnung von Stuttgart 21. Wo die CDU stark ist, in den Stuttgarter Vororten und auf dem Land, überwiegt die Zustimmung zu Stuttgart 21. Wer die CDU am Wahlabend erlebt hat, weiß, dass sie die Volksabstimmung als Revanche für die Niederlage bei der Landtagswahl begriffen und entsprechend genutzt hat. Dass die waidwunde CDU so hoch motiviert für Stuttgart 21 mobilisierte, dazu haben wir mit „Lügenpack“-Parolen selbst beigetragen.

Die vierte Beobachtung: Die Ergebnisse in den Kreisen der Region Stuttgart sind besonders deutlich für Stuttgart 21 ausgefallen. Man muss zugeben, dass schon am Kesselrand der Innenstadt die Mehrheit gegen Stuttgart 21 endet. Offensichtlich sind die Versprechungen für deutliche Verbesserungen im Regionalverkehr auf fruchtbaren Boden gefallen. Und auch in der Region waren den Menschen der Schlossgarten, das Mineralwasser und das Bahnhofsgebäude nicht so wichtig wie vielen treibenden Kräften des Widerstands in der Stadt selbst.

Und ich fürchte, es kommt noch etwas hinzu: Die teilweise mythische Überhöhung des Widerstands hat viele Menschen abgeschreckt. Ganz sicher kann man das von Demonstrationen sagen, die durch Blockaden von Hauptverkehrsstraßen den Verkehr in der Innenstadt zum Erliegen gebracht haben. So manches Nein war ein Nein zu Staus am Montagabend. Manches Gelöbnis und mancher Superlativ zum Denkmal- und Naturschutz hat außerhalb der Bewegung Unverständnis erzeugt und zur Niederlage beigetragen. Das gilt noch stärker für Unduldsamkeit und verbale Aggression. Die gab es eben auf beiden Seiten. Das heißt nun nicht, dass wir unsere Niederlage vollständig selbst verschuldet haben. Es heißt schon gar nicht, dass die Grünen in der Landesregierung alles richtig gemacht hätten. Sehr wohl zeigt diese Analyse aber, dass die Abstimmung im Ergebnis nicht anders geendet hätte, wenn alle Kritikpunkte, die aus der Bewegung bis heute unermüdlich vorgetragen werden, berücksichtigt worden wären.

Reinigende Selbstkritik

Ich greife exemplarisch ein Beispiel heraus: Dem Verkehrsministerium wird immer wieder vorgeworfen, es habe keine Studie zur wahren Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs beauftragt und damit die Abstimmung fast schon verloren gegeben. Wenn meine Analyse zutrifft, hätte diese Studie aber die Neinsager überhaupt nicht beeinflusst, weil die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs sie einfach nicht interessiert hat. Wenn es einen Zeitpunkt gab, zu dem die Debatte über die Leistungsfähigkeit eine Rolle gespielt hat, dann waren es die Minuten vor dem Schlichterspruch. Und da war es mein Fehler, nicht die reale Leistung des Kopfbahnhofs, sondern die Fahrplanleistung 2010 zum Maß aller Dinge gemacht zu haben.

Nun ist Selbstkritik immer hart. Sie hat aber auch etwas Reinigendes. Aus der Katharsis kann man neue Kraft schöpfen. Das unterscheidet sie von der Konstruktion von Verratsvorwürfen. Erschreckend finde ich, dass mittlerweile auch Unwahrheiten der Pro-Seite von der Bewegung bereitwillig weiter verbreitet werden, um die Grünen zu Schuldigen zu machen. Dazu gehört zum Beispiel die unwahre Behauptung, die Grünen hätten im Bundestag oder dem Aufsichtsrat der Bahn dem Projekt Stuttgart 21 zugestimmt. Der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahlkampf naht bereits.

Auch wenn es stimmt, dass nicht alle grünen Abgeordneten Stuttgart 21 für das Zentrum des Regierungshandelns halten (womöglich zu Recht), kann ich für den Ministerpräsidenten und den Verkehrsminister die Hand ins Feuer legen. Ich war von den Koalitionsverhandlungen bis zum Nachmittag der Abstimmung in alle wesentlichen Strategiebesprechungen eingebunden und habe viele Telefonate geführt. Winfried Kretschmann und Winfried Hermann haben das Versprechen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Projekt zu beenden, eingelöst. Sie mussten aber feststellen, dass diese Macht begrenzt ist. Und ehrlich gesagt: Darüber sollten wir froh sein, denn das ist Demokratie.

„Doch halt! Diese Abstimmung war eine Farce“, schallt es mir immer lauter entgegen. Warum durfte nicht Stuttgart selbst über seine Innenstadt abstimmen? Wie sollte man das Zustimmungsquorum überhaupt erreichen? Das sind berechtigte Fragen, doch sind auch diese durch das Ergebnis der Abstimmung beantwortet. Wenn eine Mehrheit im Land oder wenigstens in der Stadt gegen das Projekt gestimmt hätte, ließe sich darüber trefflich streiten. Ich habe trotz heftiger Kritik vor der Abstimmung immer die Auffassung vertreten, das Projekt werde in sich zusammenfallen, wenn die Mehrheit des Volkes ihm die Zustimmung entzieht, völlig egal ob das Quorum erreicht wird oder nicht. Ich bin auch weiter überzeugt: so wäre es gekommen. Ist es aber nicht. Und deshalb ist die Quorumsfrage erledigt. Gleiches gilt für die Abstimmung in Stuttgart. Hier wie da war eine Mehrheit für Stuttgart 21.

„Stimmt doch nicht, das Projekt stand doch gar nicht zur Abstimmung. Es ging doch nur um die finanzielle Beteiligung des Landes!“ Ja, aber das war eben die einzig rechtlich zulässige Fragestellung für einen Volksentscheid. Der Volksabstimmungswahlkampf wurde von beiden Seiten mit allen verfügbaren Argumenten und Aspekten bestritten. Alle wussten – und wir wollten –, dass Stuttgart 21 nicht gebaut wird, wenn das Land per Volksentscheid aussteigt. Nun muss auch umgekehrt gelten, dass es gebaut wird, weil die Mehrheit keinen Ausstieg wollte.

Kritisieren, was zu kritisieren ist

Die Volksabstimmung verliert ihre Gültigkeit auch nicht dadurch, dass die Idee von der SPD geboren wurde, um ihren inneren Frieden vor der Wahl zu finden, und von der Koalition nur übernommen wurde, um überhaupt eine Regierung bilden zu können. Die Beteiligung war so groß, besonders in Stuttgart, dass man das Ergebnis akzeptieren muss. Wenn die unterlegene Minderheit in der Demokratie nicht akzeptiert, was die Mehrheit entschieden hat, bricht unser Gesellschaftsvertrag auseinander. Und das sind mir selbst der Bahnhof, der Park und das Mineralwasser nicht wert. Deshalb erwarte ich von meiner Regierung und den Grünen, dass sie kritisieren, was zu kritisieren ist, aber das Projekt jetzt gegen meinen Willen und gegen alle Argumente umsetzen.

Stuttgart 21 kann politisch nicht mehr gestoppt werden. Aber das Projekt kann sehr wohl an seinen eigenen Mängeln scheitern. Planungsfehler und Kostenexplosionen werden immer offensichtlicher. Das hilft dem Südflügel nicht mehr. Und auch nicht den Bäumen im Park. Diese traurige Realität muss man hinnehmen, nicht still, aber friedlich. Für den Bahnverkehr besteht aber noch immer Hoffnung. Die beginnende Debatte um die Streckenführung am Flughafen Stuttgart im „Filderdialog“ zeigt, dass zumindest die teure Zerstörung der Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart nicht zwingend Realität werden muss. Das ist für alle, die den Bahnhof und den Park schützen wollten, kein Trost. Aber ein guter Grund, den Kopf weiter oben zu behalten.

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31 Kommentare

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  • DJ
    Dr. Jürgen Maier

    Den Beitrag hat Herrn Palmer in nahezu identischer Form bereits im Februar an die Bürgerbewegung gegen S 21 gerichtet. Ich habe damals eine Gegenrede verfasst, die an mehreren Stellen im www. zu finden ist (Google "Jürgen Maier Gegenrede". Hier exemplarisch ein Link:

    http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=610&tx_ttnews[tt_news]=735&tx_ttnews[backPid]=609&cHash=f817373964.

    Die Gegenrede streift auch die Thematik der "Schwarmintelligenz", die in einem der Kommentare angesprochen wird.

  • HS
    Hari Seldon

    @TAZ-Leserschaft:

     

    Bitte, hier ist die beste Zusammenfassung (aus meiner Sicht) der Ereignisse und Hintergründe der Kravallen rund um S21. Das Zitat ist leider nicht von mir (bin neidisch, dass ich einen solchen guten Beitrag nicht selber schreiben kann), aber die Analyse ist 100+% zutreffend. Boris Palmer ist einer der Egoisten (sein "Parteiname" ist "Egomonster"), und Nutznießern der Kravallen. Und jetzt das Zitat:

     

    "Daß der Protest aus der Mitte der Gesellschaft kommen würde, ist ein Mythos. Einer, den die Gegner von Stuttgart 21 selbst erfunden haben. Die Mitte der Gesellschaft hat bei der Volksabstimmung ihren Willen kundgetan. Fertig. Die Gegnerbewegung war im Prinzip eine Zweckgemeinschaft. Alte Stuttgarter Hausbesitzer, Rentner und vertrocknete Konservative sind eine Gemeinschaft mit Linken Antikapitalisten, Grünen und Protestprofis eingegangen. Ein Bündnis voll Egoisten. Die einen wollten ihre Mieteinnahmen auch in der Zukunft sichern, die anderen das Volk zur Revolution aufstacheln, die nächsten die Macht im Land. Manche auch einfach nur laut schreien, den Park vollsch...en und sich danebenbenehmen. In einem Punkt, lieber Nachbar XXX, haben Sie Recht: Stuttgart 21 dient auch dem Bau von Häusern. Ein Großteil der Stuttgarter Bevölkerung findet das angesichts steigender Mieten gut. Die Immobilienhaie von der Halbhöhe finden das natürlich schlecht, denn es bedeutet Konkurrenz. Also haben sie das grüne Deckmäntelchen der Bewegung kräftig heimlich mitfinanziert. Hinzu kamen die Grünen, vom Machtgewinn angezogen wie die Fliegen vom Haufen. Ein paar bizarre Figuren wie verhinderte Kunstmaler, geltungssüchtige Schauspieler und ewige Feinde der Bahn. Voila, die Mischung war perfekt. Doch das war ein Bündnis auf Zeit. Es zerbrach. Sie scheinen mir zum Fußvolk der Bewegung zu gehören, die den anderen nützlich waren. Tja, ist ein mieses Gefühl, wenn man von Politikern, Immobilienhaien und Kampagnenprofis ausgenutzt wurden, gell? Der Tritt in die Eier kam nämlich nicht von der Bevölkerung des Ländles, sondern von den Egoisten der Bewegung."

     

    "Halbhöhe": "Halbhöhenlage" ist ein Begriff in Stuttgart, die teuerste Wohnlage. Viele Immobilienbesitzer (Mietsobjekte, usw.) wohnen hier, und ein Teil der Halbhöhenlage wird bei S21 untertunnelt. Aus diesem Gegend besuchten die langweilenden "Ehefrauen der bürgerlichen Mittelschicht" die Anti-S21 Krawallen mit Porsche Cayenne, DB 300-500, und anderen Nobelkarossen, usw., und diese Schicht fütterte mit dicken Geldspenden (ggf über 10 000 Euro) BUND, Grünen, Parkschützer und ähnliche dubiosen Organisationen. Die andere Pole bildeten die "Revolutionäre Sozialisten" aus Mannheim: Für diese Splittergruppe (ca. 80-90 Mitglieder) ist sogar die Linkspartei eine rechtextremistische Partei, und die "Revolutionäre Sozialisten" waren diejenige, die die Jugendlichen---durch Betrug---zu den Kravallen am 30.09.2010 umgeletet haben. So war es in Stuttgart, aber mit der VA ist der Spuk vorbei, und nur der harte Kern (ca. 600 Demonstranten) randalieren weiter (Montags): "Wir sind das Volk", obwohl das Volk schon längst die rote Karte für diese dubiosen Gestalten gezeigt hat.

  • H
    hajomueller

    Bei einer Montagsdemo vor dem LBBW-Gebäude sagte Boris Palmer sinngemäß, "ich bin nur für einen Volksentscheid, wenn zwischen Gegner und Befürwortern Waffengleichheit in Sachen Öffentlichkeitsarbeit herrscht."

    Er hätte also mit aller seiner Kraft gegen den Volksentscheid kämpfen müssen.

  • FH
    Fred Heine

    Wenn ich hier so manche Kommentare lese, wird mir ganz plümerant.

     

    Wenn die Bürger von Stuttgart und BaWü für den Ausstieg aus S21 votiert hätten, dann wäre das also ein klares Zeichen gegen S21 gewesen. Da sie aber gegen den Ausstieg gestimmt haben (mit einer DEUTLICHEN Mehrheit von 60:40), ist die Volksabstimmung irrelevant?

     

    Selbst in Stuttgart haben die S21-Gegner verloren, nicht einmal alle Innenstadtbezirke wollten den Ausstieg!

     

    Wären die Gegner von S21 für Argumente zugänglich, vielleicht hätten sie einmal ihr eigenes Gegenkonzept K(opfbahnhof)21 genauso kritisch unter die Lupe genommen, wie sie es mit S21 getan haben.

     

    Sie werfen der Bahn permanent Lügen vor, wenn es um ihre eigene Unwahrheit geht (die KacK21-Lüge: "bei K21 bleibt alles so, wie es ist"), ist ihnen selbst aber keine Lüge zu schade.

     

    Besoffen von ihrer eigenen Selbstgefälligkeit haben sie nicht gemerkt, dass jede Montagsdemo mit anschließender Blockade die Leute scharenweise zu den Befürwortern getrieben haben. Dazu das arrogante Auftreten: "Wer für Stuttgart 21 ist, der hat sich nicht richtig informiert", "Wir sind das Volk" ... Irrtum: Ihr seid die Minderheit.

     

    K21 ist ein städtebauliches und ökologisches Katastrophenprojekt, das weite Teile Stuttgarts zerstören würde. Zum Glück haben es die Bürger verhindert. Für Stuttgart 21! Oben bleiben - aber nur der VfB!

  • EM
    Elisabeth Müller

    In seinem Facebook-Text hat Palmer mit dem „Respekt vor der Mehrheit“ argumentiert. Jetzt greift er zur Rousseau-Keule und behauptet, „unser Gesellschaftsvertrag“ bräche auseinander, wenn er den Mehrheitswillen („volonté générale“) nicht akzeptierte.

    Sorry, aber das geht gar nicht.

    Unser „Gesellschaftsvertrag“ beruht nicht auf Rousseau. Wir leben in einer pluralistischen, von Parteien dominierten repräsentativen Demokratie. Zu unserem „Gesellschaftsvertrag“ gehört nicht nur das Mehrheitsprinzip, sondern genau so der Schutz der Minderheit durch das Recht auf Opposition. Und am 27.11.11 wurde in BW über ein Kündigungsgesetz abgestimmt, und nicht ein Staat nach dem "Modell Rousseau" eingeführt.

    Das Grundprinzip von Rousseau ist die Selbstgesetzgebung. Nur weil „das Volk“ selbst sich seine Gesetze gibt, ist es an diese Gesetze gebunden. Im volonté générale sieht Rousseau das „Gemeinwohl“ verkörpert, dem sich die unterlegenen Einzelinteressen beugen müssen. Rousseau selbst sagt, dass sein Demokratiemodell nur funktionieren könnte in einer Gesellschaft, wo weitgehende ökonomische und soziale Gleichheit herrscht, wo es „keine Teilgesellschaften“ gibt und „jeder Bürger nur seine eigene Meinung vertritt“, wo die politische Meinungsbildung also nicht durch Medienkonzerne und Werbeagenturen gelenkt wird.

    http://www.bpb.de/izpb/9153/demokratie

    Keine dieser Grundvoraussetzungen ist vorhanden. Das Referendum über die Landesfinanzierung von S21 war kein Ausdruck der Volkssouveränität, sondern das Gegenteil: Diverse „Teilgesellschaften“, nämlich die Profiteure von S21 und die zwei Parteien, die eine gemeinsamen Regierung bilden wollten, haben mithilfe massiver Desinformation „das Volk“ dazu benutzt, ihre Partikularinteressen unter dem Schleier des „Volkswillens“ zu verstecken.

    Dass Palmer jetzt Rousseau bemüht, um dieser völlig verkorksten Volksabstimmungs-Farce den Schein der direktdemokratischen Heiligkeit und Unantastbarkeit umzuhängen, ist historisch völlig unangemessen, ein billiger und demagogischer Versuch, die Leute durch große Namen einzuschüchtern.

    Aber richtig erschrocken bin ich darüber:

    „Wenn die unterlegene Minderheit nicht akzeptiert, was die Mehrheit entschieden hat, bricht unser Gesellschaftsvertrag auseinander. Und das sind mir selbst der Bahnhof, der Park und das Mineralwasser nicht wert. Deshalb erwarte ich von meiner Regierung und den Grünen, dass sie das Projekt jetzt gegen meinen Willen und gegen alle Argumente umsetzen.“

     

    Wer spricht da? Ein Masochist? Ein Märtyrer, der seinen Willen und seine Argumente opfert für seine Glaubensprinzipien? Ein religiöser Fanatiker, der nicht nur seinen eigenen Willen, sondern Zivilisations- und Naturschätze zu opfern bereit ist, damit der „Vertrag“ erfüllt wird? Der nicht nur von sich selbst, sondern von seiner Partei und seiner Regierung die absolute Vertragstreue fordert, koste es, was es wolle? Glaubt der eigentlich, was er sagt? Oder wird er dazu gezwungen? Oder will er einfach nur provozieren?

    Seit dem 15.2., als der mittlere Schlossgarten sinnlos abgeholzt wurde, gibt es den geflügelten Spruch vom „Fluch der gefällten Bäume“, der jeden Verteidiger dieses Schwindelprojekts erwischt. Weil das Tunnelprojekt komplette Unvernunft ist, muss wohl tatsächlilch jeder S21-Gegner, der zur Akzeptanz des Projekts konvertiert, dabei entweder seinen Verstand oder seine Moral aufgeben.

    Palmer hat, so scheint es mir, noch eine weitere „Lösung“ gefunden. Sein Wissen hat er nicht aufgegeben - „Stuttgart 21 bleibt ein Fehler“. Damit er die Realisierung - „aber den müssen wir jetzt machen“ trotzdem irgendwie rechtfertigen kann, hat er so etwas wie eine neue Religion erfunden, eine Art Rousseauismus mit dem „volonté générale“ als höchstem Willen. Und damit der höchste Wille geschehe, muss halt, gegen alle Argumente, ein unterirdischer Tempel mit Glubschaugen und Tunnelarmen gebaut werden. Wer dieses Bauwerk verhindern will, zerbricht das Allerheiligste, den „Gesellschaftsvertrag“.

    Und so ein verstiegener Irrsinn kommt von einem Oberbürgermeister, der von Amts wegen dazu verpflichtet ist, sich um so profane Dinge wie Bahnhöfe, Parks und Grundwasserströme zu sorgen. Dass der nun ein quasi-religiöses Dogma konstruiert, mit dem er sich über den Schutz dieser Güter, über Sachargumente und Vernunft hinwegsetzt, ist ziemlich besorgniserregend.

  • L
    Louisiana

    Es gibt im Internet rund um die Stuttgarter Bewegung gegen S 21 seitenlange Abhandlungen über die grüne Chronologie des Nichtstuns. Das ist sicherlich nicht alles aus der Luft gegriffen.

    Hier die Antwort eines bekannten Stuttgarter Bloggers auf Palmers Äußerungen:

    http://zwuckelmann.posterous.com/23052012-der-selbstgerechte-irrtum-eines-bori#more

    Es gab unzählige Gelegenheiten für die Grünen, eben genau das zu tun, was sie so vollmundig angekündigt hatten, nämlich kritisch gegenüber dem Projekt zu sein. Nichts dergleichen ist passiert. Vor der Volksabstimmung wurden Informationen, die gegen S 21 sprachen, von den Grünen nicht aufgegriffen, teilweise bewusst zurückgehalten mit dem Hinweis darauf, dass man sonst den Koalitionspartner verärgern würde. Seit der VA sind die Grünen schlicht und einfach abgetaucht. Nicht einmal offensichtlichste Rechtsverstöße von Seiten der Bahn wurden noch in irgendeiner Weise verfolgt. S 21 wurde in Stuttgart zum rechtsfreien Raum. Werte Grüne, so geht es einfach nicht.

    In der letzten Zeit gewinnt man den Eindruck, dass einige der Grünen wohl begriffen haben, dass die S21-Gegner es ernst meinen und um keinen Preis der Welt gewillt sind, in Stuttgart einem grünen OB-Kandidaten ins Amt zu verhelfen. Im Gegenteil, Fritz Kuhn wird auch von dieser Seite bekämpft werden. Und jetzt tauchen ab und zu ein paar Grüne auf und versuchen krampfhaft, noch irgendwas zu retten, was ihnen aber keiner mehr abnimmt.

    Die andere Variante sind dann die bockig-beleidigten Grünen à la Palmer. So gewinnt man keine Sympathien.

  • C
    cassiel

    Mein Fazit zur VA:

    http://demokratie.mine.nu/read__8-1694-1694

     

    Und zur Ergänzung:

    Bei aller berechtigten Kritik an S21, den Grünen allem drum und dran und insbesondere Boris Palmer, der zugunsten eines OB Schuster und dessen Versprechen auf Bürgerentscheid über S21 seine Kandidatur zurückzog und der selbst dann noch am Kasperletheater "Schlichtung" mitgespielt hat als alle aus Protest des Saal verließen:

    Was wäre die Alternative zur VA gewesen?

    Bürgerkrieg bis zum bitteren Ende?

    Eine demokratischere Lösung, die vom Himmel fällt?

    Auf ein Erdbeben mit Vulkanausbruch hoffen das das "Problem" unter einer Schicht Lava beerdigt?

    Hätten die Grünen nach der Landtagswahl in die Opposition gehen sollen und CDU und SPD das Projekt ohne VA und mit Polizeigewalt durchziehen lassen sollen?

    Wer Kritik übt muss nicht nur realistisch aufzeigen, wie es besser geht, sondern es auch besser machen. Wer hier frei von Sünde ist werfe den ersten Stein. Wer hat sich denn hier schon seit Jahrzehnten für echte (direkte) Demokratie eingesetzt, dass er sich derartig vernichtende Kritik an Palmer und der VA erlauben kann?

    Wenn man sich hier so manche Kommentare durchliest müssten diese in der Konsequenz die RAF wiederbeleben.

    Oder wie gedenken diese ihren Worten Taten folgen zu lassen? Eine andere Partei wählen? Uhhh, da haben die etablierten Parteien aber Angst! Was ist mit selber klagen? Der Rechtsweg stünde ja offen, aber dummerweise sitzen dort ja auch nur wieder Vasallen des Systems, die die eigene "Wahrheit" ignorieren.

    Mit destruktiver Kritik ist man schnell bei der Hand. Aber wehe man soll es besser machen.

  • HS
    Hari Seldon

    @palmer,

     

    Bitte, Sie lügen wie gedruckt. Die Anti-S21 Partei hat sehr stark vor der VA mobilisiert. Sie waren auch als Redner dabei (sogar haben Sie unsere Ortschaft als Gastredner "beglückt"). Die Interesse war sehr begrenzt, und nach ca. 15 Minuten halbierte sich die Zuhörerschaft weiter: Heutzutage gibt es immer weniger Interesse fur Haustürgeschäfte. In diesem Geschäftszweig hätten Sie definitiv eine gewisse Begabung, aber ein Infrastrukturprojekt kann nicht wirklich im Haustürgeschäft erledigen. S21 war für Sie ein gefundenes Fressen, Sie konnten den nächsten Karriereschritt machen, und damit Ihren krankhaften Karrierredrang kurzfristig befriedigen. Vielleicht sollten Sie auch der Leserschaft erzählen, wie Sie eine Sozialleistung (Vaterschaftsurlaub) für politische Zwecke missbraucht haben (wie Sie in Ihrem Antrag für die Parteitag der Grünen beschrieben haben, waren Sie gerade in Brüssel beim Baby: Natürlich war es neu für uns, dass Brüssel im Rathaus Stuttgart (Schlichtung) war, aber für einen professionellen Lügner wie Sie, war es kein Problem. Dann sollten Sie hier auch die Pleite von Ihrem "Infrastrukturgrossprojekt" in Tübingen erzählen (mindestens 80% udgetüberschreitung, weil unser "Mathematiker" nicht ausrechnen konnte, wie breit eine Strasse für zwei nebeneinanderfahrenden Busse sein sollte). Damit könnte vielleicht die Leserschaft die "Seriosität" von Ihrem Beitrag und Ihren Aktivitäten bewerten. Ich wünsche Ihnen weiteren guten menschlichen und politischen Amoklauf, und Gott bewahre uns von Karrieristen und Lügnern wie Sie.

  • EF
    Eberhard Frasch

    "Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 hat die Demokratie beschädigt." Diese Aussage habe ich in meinen Antworten auf Kretschmann und Palmer schon im Februar gemacht. Die Behauptung von Palmer, der Stuttgarter Widerstand sei "mythisch überhöht" worden, kann ich als seine subjektive Einschätzung respektieren, nicht jedoch als analytische Aussage mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Natürlich gäbe es zum Themenfeld Selbstkritik, Vielfalt des Protests und Reaktionen auf staatliche Allmacht einiges anzumerken. Ich finde es viel wichtiger, auf die aus meiner Sicht erfolgte und immer weiter gepflegte mythische Überhöhung der Volksabstimmung zu achten: Die Volksabstimmung und ihr Ergebnis wird zur Rechtfertigung des Projekts S21 missbraucht - für jede beliebige Grundsatzfrage, für jedes beliebige Detail. So schweigen seither alle Parlamentarier des Stuttgarter Landtags, eine demokratische Kontrolle eines Milliardenprojekts mit unabsehbaren Folgen findet nicht statt!

     

    Meine Kritik habe ich in 7 Fragen zusammengefasst:

    1. Wie kann ein amtierender Ministerpräsident ein Projekt realisieren, das nach seiner früher geäußerten Überzeugung auf einen rechtsfehlerhaften und verfassungswidrigen Finanzierungsvertrag gegründet ist?

    2. Warum werden wesentliche Bestandteile der Koalitionsvereinbarung nicht eingehalten?

    3. Wie kann die parlamentarische Kontrolle eines milliardenschweren Großprojekts wie Stuttgart 21, das mit enormen Risiken und Auswirkungen behaftet ist, gewährleistet werden?

    4. Wo bleibt der Lenkungskreis, das für Kommunikation, Entscheidungen und Koordination zwischen den Projektpartnern eigentlich zuständige zentrale S21-Gremium?

    5. Wo bleibt der Primat der Politik gegenüber einem am Gewinn und nicht am Gemeinwohl orientierten Unternehmen wie der Deutschen Bahn?

    6. Wie können Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in Vermittlungsverfahren bei Großprojekten haben, wenn die Deutsche Bahn wesentliche Inhalte der Schlichtungsvereinbarung nicht umsetzt?

    7. Wie ist die Durchsetzung eines Bauprojekts mit Hilfe einer geradezu militärisch agierenden Polizeigroßmacht inmitten einer Großstadt mit den Prinzipien der versprochenen Zivilgesellschaft zu vereinbaren?

    Die vollständige Version ist unter dem Titel "Wo Kretschmann recht hat, irrt er!" (auf dem Stand Febr.2012) nachlesbar unter

    http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=610&tx_ttnews[tt_news]=736&tx_ttnews[backPid]=609&cHash=d13b99d61d

    Es bleibt die Frage, warum Palmer jetzt seinen Text vom Febraur aufwärmt???

  • P
    Platane

    Dem Mathematiker Boris Palmer verdanken wir, dass 49 Züge bei mangelhafter Betriebsqualität für sich noch verdoppelnde 4,5 Milliarden € mehr sind, als 54 Züge bei guter Betriebsqualität, die der Bonatz-Bahnhof schon heute leisten kann.

    Die Gleichung 54+30%=49 ist ein Rückbau der Schieneninfrastruktur, eines der wichtigsten Bahnknoten in der BRD.

    Die Bahnhofsruine mit lebensgefährdendem Dach und mit angrenzender Schlammwüste ist das Ergebnis grüner Machpolitik.

  • S
    Stuttgarterin

    Ich weiß zwar auch nicht, was das jetzt soll, diesen alten Facebook-Eintrag wieder abzudrucken, aber nichtsdestoweniger hat Palmer recht. Ich habe als S21-Gegnerin lange genug versucht, in den einschlägigen Foren den "Parkschützern" und anderen beizubiegen, dass den Leuten die Überhöhung des Widerstandes und die ständigen Demonstrationen auf die Nerven gehen. Natürlich wurde ich niedergeschrieen. Überhaupt die Entwicklung dieser Widerstandsbewegung. Am Anfang eine kreative und fröhliche Bürgerbewegung wurde sie immer mehr von hasserfüllten Gegen-Alles-Aktivisten und frustrierten Linke-Anhängern instrumentalisiert. Ich fand es nur noch zum Davonlaufen. So kann man die eigene Basis auch kaputtmachen.

     

    Und nein, ich glaube auch nicht, dass noch mehr Information über die Defizite des Stresstests und Kapazitäten des Kopfbahnhofs irgendetwas am Abstimmungsergebnis geändert hätten. Die meisten hat das alles überhaupt nicht interessiert. Ausschlaggebend war auf der sachlichen Ebene das Ausstiegskostenargument, das nicht treffend genug widerlegt werden konnte, und gewiss sind auch ein Teil auf die Fortschrittsrhetorik reingefallen. Der Anteil der Gegner-Gegner, die einfach gegen den Ausstieg gestimmt haben, weil sie die Nase voll hatten von Demonstrationen, weil ihnen das Gehabe einiger Protagonisten auf den Wecker ging und nicht zuletzt, weil man sich als CDU-Anhänger für die verlorene Landtagswahl rächen wollte, dürfte aber beträchtlich sein.

  • VD
    Valentin Dübbers

    Als Antwort zu diesem Text, den Boris Palmer in ähnlicher Form bereits Anfang Februar vor den Baumfällungen im Schlossgarten auf Facebook veröffentlicht hat, möchte ich auf meinen offenen Brief vom 23.2. hinweisen, der unter dem Link http://bit.ly/yGha41 zu finden ist.

     

    Das Problem ist nicht, dass der Gesellschaftsvertrag auseinanderbricht, weil eine Minderheit eine Mehrheitsentscheidung nicht akzeptiert, sondern dass diese Volksabstimmung bereits den Demokratiegedanken ad absurdum führte, weil eine notwendige Voraussetzung der Abstimmung nicht gegeben war: eine sachliche einwandfreie Klärung, welcher Bahnhof mehr leistet, lag nach eigener Aussage der Regierung und liegt bis heute aufgrund des von der Bahn verweigerten gleichwertigen Stresstests für den Kopfbahnhof nicht vor! Somit ist diese Frage bis heute eine Glaubensfrage, die impliziter Bestandteil der Abstimmung wurde - denn man darf davon ausgehen, dass der Mehrheit für S21 die Leistungsfrage nicht egal ist, sondern dass sie eben den Aussagen der Bahn und der Befürworter glaubte, die mit dem Stresstest einen 30-prozentigen Leistungszuwachs für erwiesen ansahen. (Und selbst wenn die Leistungsfrage der Mehrheit egal wäre, dann wäre dies kein Grund, eine Entscheidung unter dieser Voraussetzung akzeptieren zu müssen!) Bei einer demokratischen Abstimmung kann es nur um die Abwägung und Gewichtung verschiedener Argumente gehen, die allgemein als wahr anerkannt sind, nicht aber um die implizite Entscheidung, welche "Wahrheit" bei einer Frage wie derjenigen des Leistungsvergleichs eines bestehenden und eines geplanten Bahnhofs "gelten" soll.

     

    Die Haltung der Grünen und von Boris Palmer ist unter machtpolitischem Gesichtspunkt verständlich, aber die Zementierung dieses illegitimen Volksentscheids kommt einer Verabsolutierung des angeblichen Volkswillens und einer Relativierung jeglicher Wahrheit gleich, bzw. indirekt einer Gesinnungsdiktatur: um die Entscheidung, S21 wie geplant zu bauen, guten Gewissens akzeptieren zu können, müsste man gezwungen werden, die "Wahrheitsversion" der Befürworter zu glauben. Alles andere grenzt an Schizophrenie.

  • CL
    Christof Leibbrand

    Gut gebrüllt Löwe! Nur: Selbstgeiselungsprozessionen verfehlten noch immer ihr Ziel. Hätten die Grünen nach der Landtagswahl kommuniziert, dass eine Ablösung der Baden-Württembergischen Staatspartei nur unter Aufgabe der Forderung auf S 21 zu verzichten zu haben sei, da nur unter diesen Bedingungen eine Koalition mit der Blockflöte SPD möglich sei, hätten viele Grünen Wähler dieses Verhalten nachvollziehen können und würden sich nun nicht enttäuscht von der Partei abwenden. Wähler haben doch ein bisschen Grips im Kopf: sie spüren genau wann sie hinters Licht geführt werden sollen und von den Grünen wurden sie hinters Licht geführt: das Vorhaben , S 21 über eine Volksabstimmung (übrigens über ein Haushaltsgesetz) zu Fall zu bringen gleicht dem Vorhaben mit einer unerfahrenen Seilschaft einen bisher noch nicht bezwungenen Berg zu besteigen. (oder war den Grünen etwa nicht bekannt, dass es zuletzt der zweiten Regierung Teufel gelungen war, eine 30 % Zustimmung innerhalb der Wahlbevölkerung zu finden?)

    Was geschah als die Bahn den Finanzierungsanteil für S 21 vom Land einforderte? Habe ich da nur geträumt, als es hieß, das Land hätte bezahlt, obgleich die Grünen im Wahlkampf tönten, es flösse kein Geld? Gelobt sei die Mischfinanzierung. Wo kein Kläger da kein Richter. Amen

    P.S. in ländlich geprägten Regionen Baden-Württembergs steht das Kürzel KBW auch für Katholischer Bund Württemberg. Also nicht verwechseln. Gell Winfried

  • N
    Nico

    Boris Palmer will die OB-Wahl fermentieren. Das wird so kaum gelingen. Ein Grüner (Kretschmann) in Stuttgart ist fürs Land ausreichend.

    Nun geht es um banlance of power, für die es in

    Schwaben eine Sensibillität gibt.

    Vor allem der Verkehrsminister Hermann mit seinen

    verkehrsbehindernden Vorstellung erweckt nicht

    die Vorstellung, daß man die Grüne Phalanx in Stuttgart verstärken sollte.

    Richtig sieht Palmer die "mythologische Überhöhung"

    Zum Beispiel die das Protestzeltlager der "Baumschützer" im Schloßgarten und die regellmäßigen eveangelischen Gebetstreffen unter der

    Blutbuche. Schön, das Palmer erkennt, daß nicht alles

    was man auf die Straße lockt der Wahrheitsfindung

    dient.

  • UM
    Uwe Mannke

    Ein grosser Teil der Gegner von Stuttgart 21 hat die Volksabstimmung als Möglichkeit gesehen, das Projekt zu stoppen. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Abstimmungsniederlage eben eine Zustimmung zum Projekt ist. Man kann das jetzt Demokratie nennen, man muss aber nicht.

    Wenn wir wissen, wie bei der Schlichtung und beim Stresstest gelogen und betrogen wurde und darauf aufbauend auch bei der Volksabstimmung, dann beruht das VA-Ergebnis eben auf Unwahrheiten. Wir wissen auch, dass diese Lügen von denen verbreitet wurden, die dadurch Macht und Geld erreichen. Man kann diesen Wettbewerb mit Übermacht und Reichtum auf der einen Seite und dem noch zu schwachten Protest auf der anderen Seite immer noch Demokratie nennen, man muss nicht.

    Boris Palmer muss das nicht.

    Das Wesen der Demokratie muss sich nicht darauf beschränken, dass eine Mehrheit über die Rechte einer Minderheit (in Stuttgart oder die Bahnfahrer) bestimmt. Demokratie hat mit Selbstbeherrschung zu tun und mit Einigkeit einer größeren Gruppe im vernünftigen Denken über das Gemeinwesen. Durch Parteien und Lobbies wurde aber durch Angstschüren genau das Gegenteil von Vernunft erreicht.

    Aber Palmer gehört eben zu den "guten" Demokraten.

  • GO
    Gottfried Ohnmacht-Neugebauer

    Boris Palmer zeigt vor allem, dass er den grünen "Neusprech" perfekt beherrscht. Er schreibt:"Stuttgart 21 kann politisch nicht mehr gestoppt werden." Genau so habe ich das von anderen grünen Lokalpolitikern auch schon vor Monaten gehört: ´natürlich, wir sind weiter gegen das Projekt, wir waren immer gegen das Projekt, nur können wir leider, leider Nichts gegen das Projekt unternehmen.´ Das Projekt, so der grüne Neusprech, könne allenfalls an seinen eigenen Widersprüchen scheitern. Aber welch ein eingeengter Begriff des Politischen ist denn das ??? Wäre es etwa nicht politisch gewesen, wenn Herr Kretschmann erklärt hätte, er fühle sich an die Zusage des Ministerpräsidenten gebunden, und deshalb könne er das Fällen der Bäume leider nicht befürworten, sondern er müsse darauf bestehen, dass die Bäume wie von Heiner Geißler versprochen und von allen Beteiligten zugesagt, verpflanzt werden ??? Statt dessen hat der FaktenSchlichtungsTeilnehmer Kretschmann mit jahrelanger Verspätung entdeckt, dass er von dem Schlichtungsspruch völlig überrascht worden ist.

    Und als ein Vermittlungsangebot eines hohen Kirchenvertreters vorgelegt wurde, hat Kretschmann dann etwa mit dem Prälaten dafür gekämpft, dass die Bäume im Schlossgarten wenigstens für eine weitere Vegetationsperiode erhalten bleiben ??? Nein. Kretschmann und die Grünen haben die Bäume ihrem Machtkalkül geopfert, und sie haben anscheinend noch nicht gemerkt, wie viel Glaubwürdigkeit sie damit verspielt haben.

  • RB
    Roland Beck

    und wenn Herr Palmer schon bei Selbstkritik ist: wer hatte denn die "glorreiche" Idee, für den Stresstest von Stuttgart 21 nicht die tatsächliche Leistungsfähigleit des Kopfbahnhofs anzusetzen, die bei rund 50 Zügen in der Spitzenstunde liegt, sondern den aktuellen Fahrplan von 37 Zügen?

     

    Herr Palmer muss sich leider vorwerfen lassen, wohl den größten Fehler im gesamten Widerstand begangen zu haben. Denn 37 + 30% = 49 Züge war für S21 gerade noch machbar, 50 + 30% = 65 Züge hätte S21 niemals geschafft.

  • D
    Dieter

    Also in Heidelberg und Mannheim wurden wohl scheinbar zwei Städte von den Pro ST21 Anhängern vergessen, da gabs an jeder Stelle nur Werbung für den Ausstieg und das dreimal soviel wie bei ner Wahl.

    Aber vielleicht haben die Wutbürger deswegen ja auch verloren, weil sie ihren Mitmenschen irgendwann nur noch auf die Nerven gegangen sind. Mir als neutralen Beobachter zum Beispiel auch ;)

  • T
    Tigerstripe

    Ihr lieben Grünen:

     

    wenn ihr genauso verbissen um die Friedfertigkeit Deutschlands im Ausland und um die Soziale Gerechtigkeit im Inland zanken würdet...

    ...dann, aber nur dann, könnte ich mir vorstellen euch zu wählen.

     

    Statt dessen streitet ihr um euren Vorgarten, hübsche Bäume und die Fassaden alter Gebäude.

     

    Das entzieht sich meinem Verständnis: ihr habt eindeutig andere Prioritäten als ich.

     

    mfg

  • EM
    Elisabeth Müller

    Es ging doch nur um die finanzielle Beteiligung des Landes!“ Ja, aber das war eben die einzig rechtlich zulässige Fragestellung für einen Volksentscheid. Alle wussten – und wir wollten –, dass Stuttgart 21 nicht gebaut wird, wenn das Land per Volksentscheid aussteigt. Nun muss auch umgekehrt gelten, dass es gebaut wird, weil die Mehrheit keinen Ausstieg wollte"

    -----

    Hier liegt wirklich der fast unglaubliche Fall vor, dass eine Partei eine Abstimmung zu ihren Ungunsten auslegt, weil sie anscheinend unbedingt verlieren will.

    Das Referendum ist gescheitert, es gibt kein Ergebnis. Die Regierung wurde nicht zur Kündigung verpflichtet, es wurde ihr aber auch nicht verboten, und selbstverständlich könnte sie jederzeit kündigen, wenn sie wollte.

    Hier die rechtliche Würdigung der Wahlleiterin:

    „Gegenstand der Volksabstimmung war ausschließlich das S 21-Kündigungsgesetz mit dem Inhalt, dass die Landesregierung verpflichtet wird, Kündigungsrechte zur Auflösung der vertraglichen Vereinbarungen mit Finanzierungspflichten des Landes bezüglich des Bahnprojekts Stuttgart 21 auszuüben (Ja = dafür, Nein = dagegen). Anderslautende Medienberichte beruhen auf der Pressefreiheit und sind rechtlich irrelevant. Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben.“

  • BS
    Bügerin S:

    Sehr geehrte Herr Palmer:

     

    Ihr Artikel ist sehr gut geschrieben - Gratulation

     

    Die Volksabstimmung hat nur aus einem Grund stattgefunden: um die Koalition Grün - Rot zu ermöglichen. Herr Hermann saß bei uns im Büro und hat genau dies gesagt, Herr Wölfle hat das auch schon mal erwähnt. Da gibts nicht zu deuteln.

     

    Über die Zerstörung eines funkionierenden Kopfbahnhofes hätten - wenn überhaupt - nur die Stuttgarter abstimmen dürfen - und das zu einem deutlich früheren Zeitpunkt

     

    Damit wird ihre Wahl-Verhaltens-Was-wäre-wenn-Analyse in Kombination mit dem ewig Grünen-Argument "Das Volk hat gesprochen", obsolet.

     

    Über dieses Projekt hätte überhaupt keine Abstimmung stattfinden müssen, sondern eine Landesregierung, hat die verdammte Pflicht, Schaden von Land und Volk abzuwenden. Und nicht dafür zu sorgen, dass die Bahn und ein paar Investoren ihre "Steuergelder in private Taschen"-Spielchen in Ruhe spielen können.

     

    Wir alle wissen, dass es sich mit S21 um einen Rückbau von einem funktionierenden Bahnknoten handelt.

     

    Wenn es mit rechten Dingen zugehen würde, müsste schon längst eine Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von Steuergeldern, Betrug und Schikane (Fällung und Zerstörung von einem Naturdenkmal zu unnötigem Zeitpunkt - unsere Bäume) gegen die Bahn und die verantwortlichen Politiker ermitteln. Unsere Staatsanwltschaft kann man in Stuttgart aber knicken - warum eigentlich?

     

    Stuttgart 21 ist ein kriminelles und für die Stuttgarter Bürger gefährliches Projekt, das leichtsinnig mit den Naturschätzen einer Stadt spielt (aktuell anstehend: Grund- und Mineralwasser). Kein Volksentscheid kann kriminelles Vorgehen legitimieren.

     

    Dieses Verstecken hinter einem durch und durch faulen Volksentscheid nehme ich den Grünen übel. Sie schaden damit massiv dem Projekt Bürgerbeteiligung.

     

    Ich werde - und mit mir sicher viele andere auch - keinen grünen OB-Kandidaten mehr wählen. Ich habe das zweimal gemacht. Jetzt ist mal ein anderer dran.

     

    Frage an die taz: Warum kopiert ihr den Facebook-Eintrag von Herrn Palmer aus dem Februar 2012?

  • W
    wahnan

    was soll denn das?

    fällt der taz nichts besseres ein als einen mehrere monate alten artikel von palmer (den er im januar auf facebook veröffentlicht hat) jetzt nochmals zu drucken???

    einmal mehr entpuppt sich die taz als unkritsches grünes sprachrohr!

    plumpe wahlkampfhilfe zur ob wahl!

     

    ich habe damals eine erwiderung im netz auf palmer gefunden, die ich hier veröffentlichen will.

    leider weiß ich nicht wer sie geschrieben hat. man möge mir verzeihen:

     

    "Lieber Herr Palmer,

    so sehr Sie auch versuchen in Ihrem Schreiben für die Bewegung gegen S 21 zu neuer Zuversicht aufzurufen, bleibt dieses Schreiben doch das Dokument einer Kapitulation. Ich will eine kurze Erläuterung dieser Einschätzung geben, eine erschöpfende Begründung könnte nur im ausführlichen Gespräch erfolgen.

    Zunächst eine Richtigstellung: Die Kritik an Kretschmann und den übrigen Grünen in Regierung und Landtag geht nicht darum, dass ihnen S21 nur Vorwand zur Machteroberung gewesen sei, sondern dass sie das Thema nach der Wahl dem Ziel der Machtsicherung und des Machterhalts untergeordnet haben. Das begann lange vor der Volksabstimmung und hat inzwischen so weit geführt, dass selbst die Stuttgarter Zeitung Kretschmanns Haltung gegenüber der Bahn heute mit dem Begriff „devot“ in Verbindung bringt. In demselben Kommentar wird allerdings auch ganz richtig festgestellt, dass schon bei der kommenden OB-Wahl diese Strategie gewaltig in die Hosen gehen könnte.

    Was nun den Vorwurf der Kapitulation betrifft – ich stelle mir ganz einfach vor, es hätte eine Volksabstimmung zur Finanzierung des Ausstiegs aus der Atomenergie gegeben (ich weiß, das gibt es bei Bundesgesetzen nicht, aber einfach mal angenommen) und die Mehrheit hätte „Nein“ gestimmt, die Regierung soll den Ausstieg nicht finanzieren. Würden die Grünen von da an den weiteren Ausbau der Atomenergie „kritisch begleiten“? Ich glaube nicht – und wenn doch, würde sie die Verachtung treffen, deren Kretschmann sich derzeit bei der Bewegung gegen S21 sicher sein kann.

    Verrat eigener Grundsätze oder Missachtung der Demokratie – wie kommt es zu dieser Zwickmühle? Es liegt an der maßlosen Überbewertung der Volksabstimmung. Die S21-Betreiber betrachten sie einfach als Gottesurteil mit dem man alle früheren und künftigen Rechtsbrüche und sonstige Sauereien rechtfertigen und jede kritische Stimme mundtot machen kann. Aber auch viele S21-Gegner, darunter offenbar die gesamte Führungsriege der Grünen samt Ihnen, Herr Palmer, überhöhen die Bedeutung der Volksabstimmung gewaltig und messen ihr eine weit über allem anderen stehende normative Kraft bei. Zumindest argumentieren sie so, wenn es darum geht, die eigene Untätigkeit oder Hilflosigkeit gegenüber dem immer unverschämteren Gebaren der Bahn zu rechtfertigen (s. denselben Kommentar in der Stuttgarter Zeitung wie oben). Dabei hat Kretschmann in seinem Offenen Brief doch selbst ganz richtig festgestellt, was die Volksabstimmung war: Ein Beschluss mit Gesetzeskraft – nicht weniger, aber auch nicht mehr! Und dabei wurde noch nicht einmal Neues beschlossen, sondern lediglich die Abschaffung bestehender rechtlicher Bindungen abgelehnt, d.h. diese in ihrem Bestand bestätigt. Dass daraus ein solcher Popanz gebildet wurde, liegt natürlich teils an politischen und wirtschaftlichen Interessen, teils aber auch an der bei uns fehlenden Übung im Umgang mit Plebisziten.

    Schauen wir doch mal in unser Nachbarland, das diesen Umgang seit vielen Generationen kennt. Die Schweizer gehen viel nüchterner mit ihren Plebisziten um – so käme dort keiner auf die Idee, dass nach dem Minarett-Beschluss niemand mehr für generelle Religionsfreiheit kämpfen dürfe, auch wenn „im Grunde“ die Mehrheit dieses Grundrecht zunächst empfindlich eingeschränkt hatte. Noch besser zeigt sich dieser nüchterne Umgang an einem Vorgang, den Sie, Herr Palmer, gut kennen müssten – der Schweizer Bahnreform. Dort hatte man in einem jahrelangen Prozess ein sicher besser als S21 geplantes Vorhaben mit viel neuen Bahnstrecken, Bahnhöfen und Tunneln durch alle regional notwendigen Volksabstimmungen legitimieren lassen – und dann festgestellt, dass das Ganze viel zu teuer wird. Die Konsequenz war eine total neue, völlig abgespeckte Planung, die wieder in meist denselben Kantonen sich der Volksabstimmung stellen musste und erneut bestätigt wurde. Das Ergebnis ist mit „Integralem Taktfahrplan“ und vielen anderen segensreichen Modernisierungen ja hinreichend bekannt.

    Wenn aber – wie im Augenblick bei uns – eine Volksabstimmung eine ganz einmalige, alle anderen rechtlichen Bindungen übertreffende Qualität zugeschrieben bekommt, fördert das keineswegs die demokratische Qualität eines Gemeinwesens – ganz im Gegenteil. Mit der Methode, Volksabstimmungen mit eher banalem Inhalt, der aber stark emotional aufgeladen ist, zur politischen Machtausübung zu nutzen, haben in der Vergangenheit eine Reihe totalitärer Regime „beste“ Erfahrungen gemacht, sie ist in der Geschichtswissenschaft unter „Bonapartismus“ wohlbekannt. Es kann mir niemand weismachen, dass interessierte Kreise bei uns immun gegen eine solche Verführung wären – also wehret den Anfängen! Ich nehme nicht an, dass man Kretschmann, Schmid usw. zu diesen Kreisen zählen muss, aber die Art, wie von dieser Regierung gegenwärtige Rechtsbrüche und künftige Erpressungen unter Verweis auf die Volksabstimmung bemäntelt werden, zeigt zumindest eine gewisse Anfälligkeit.

    Als Beispiel möchte ich abschließend den ungeheuerlichen Vorgang um die Entlarvung des Stresstest-Betrugs durch die „Ingenieure gegen S21“ anführen. Vom „womöglich größten technisch-wissenschaftliche Betrugsfall der deutschen Geschichte“ spricht Dr. Christoph Engelhardt, der Ihnen ja aus der Schlichtung bekannt sein dürfte, und S21 wird – bisher unwiderlegt – als illegaler Rückbau angeprangert. Wenn das alles wirklich nur „Wahlkampfgetöse“ gewesen wäre, wie die übliche voreilige Abqualifizierung lautete, hätte die Bahn ja wohl kaum auf die angedrohte Klage verzichtet. So aber müssen wir erleben, wie ein Verschweige-Kartell, gedeckt durch das Volksabstimmungsgetöse es bisher verstanden hat, diesen für die Bahn gefährlichen Nachweis tatsächlich zu ignorieren. Der Stresstest war ja Ihr Spezialgebiet – kann es sein, dass ich Ihre Stellungnahme zu dieser Ungeheuerlichkeit überhört oder überlesen habe?

    Auf solchen Wegen können keine heilsamen Lehren aus Niederlagen entstehen – und Sie werden, wie alle Grünen im Land die unangenehmen politischen Konsequenzen aus der empörenden Kehrtwende im Fall S21 tragen müssen. Das hilft zwar niemandem mehr, ist aber nicht zu ändern – wie die Niederlage im Volksentscheid.

    Mit freundlichen Grüßen"

  • UM
    Ulli Müller

    Wo bin ich denn hier?

    Die Abstimmung und ihr Ergebnis sind ein weitere Beleg, dass das mit der Schwarminteligenz so beim Menschen nicht ist.

    Hier trifft, nicht erst seit der bekannten Rede (HG) im Berliner Sportpalast, die feststellung, dass es nichts Dümmeres als die Masse gibt!

    Sie ist um so dümmer, je verdummender Abstimmungstexte sind!

  • S
    sillything

    Ich sage nur, die taz hat sich beim Thema S21 nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Tiefgehende Recherche: absolute Fehlanzeige. Was ich schon deshalb nicht verstehe, weil viele Abokunden aus der Region Stuttgart kommen. Ich lese die taz sehr gern, aber ich habe meine Achtung vor der journalistischen Leistung doch etwas verloren, denn ich weiß nicht, ob nicht andere Themen genauso oberflächlich untersucht werden wie S21.

  • J
    joe

    Wie peinlich ist das denn???? Dieser unsägliche "Wir haben verloren"-Text, der im Februar im fratzenbuch veröffentlicht wurde, um den Widerstand gegen Skandal 21 UND die zu "kritischen Begleitern" der Untätigkeit konvertierten Grünen©™® zu brechen. Jetzt also bundesweit das alte Märchen neu aufgetischt. Als der Autor den Text schrieb, wären der Bonatz-Bahnhof und das Kukturdenkmal Schlossgarten noch zu retten gewesen, nicht aber mit einem Herrn Palmer, der es mit der Bahn auskungelte, dass 30% mehr Leistung (statt 100%) für den Stresstest ausreichend seien, auf der Basis des gefahrenen Fahrplans, nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Deshalb sind nun 49 Betrugszüge mehr als 54 nachweisbare, bereits in der Vergangenheit, fahrbare Anbindungen. Aber der Grüne©™® Verkehrsminister Hermann verweigerte die Veröffentlichung eines Gutachtens zur Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofes, den Nachweis, dass S21 ein Schienenrückbau ist. Bis heute. Die von der Grün©™® geführten Regierung VOR der Volksabstimmung versprochene Kostentransparenz, notwendig für eine Abstimmung über die Kündigung eines Finanzierungsmodells (mehr war diese VA nicht), wurde nicht durchgeführt - eine Abstimmung über Luftbuchungen.

    Eine derart untätige, kontraproduktive Grüne©™® Regierungsmannschaft hat ein zum Weltkulturerbe taugliches Bauwerk geopfert, ein herausragendes Kulturdenkmal mit bis zu 300 Jahre alten Bäumen zerstören lassen, interessiert sich nicht für dabei vernichtete geschützte Tierarten, sieht tatenlos der Vernichtung des zweitpünktlichsten Bahnknotens der BRD zu, setzt das zweitgrößte Mineralwasservorkommen Europas aufs Spiel - untergräbt aktiv eine bedeutende Demokratiebewegung, nur um an der Macht zu bleiben. Für was eigentlich? Mit Demokratie hat diese Schuldausteilung von Herrn Palmer nichts zu tun. Die gelenkte Demokratie des lupenreinen Demokraten Putin hätte diese sogenannte Volksabstimmung nicht besser inszenieren können.

  • V
    vic

    Es kommt selten vor, aber hier bin ich derselben Ansicht wie Boris Palmer.

    S21 wird scheiten, aber den angerichteten Schäden nutzt das nichts mehr.

  • S
    Stuttgarterin

    Wir brauchen keinen "Trost" von grünen Wendehälsen, die sich nun vor der anstehenden Bürgermeisterwahl in Stuttgart wieder ins rechte Licht rücken wollen.

     

    Sie, Her Palmer, wissen ganz genau, was hier abgelaufen ist. Dazu braucht es keine weiteren Erklärungen und warmen Worte.

    Und Sie wissen, dass wir es wissen. Aber so leicht kommt diese Partei, die sich so schnell und bequem in die weichen Sesselchen der Macht und des Geldes fallen ließ, dieses Mal nicht mehr davon.

     

    Für diese verlogene Kampagne und die brutalste Stadtzerstörung seit Kiregsende gegen die eigenen Bürger wird diese Partei stehen. Wir werden sie immer daran erinnern. Und wenn hier die Milliardenschäden und weitere gnadenlose Stadtzerstörung ansteht, dann werden wir diese Partei dafür in Haft nehmen: Neben der CDU und der FDP. Aus dieser Nummer kommen Sie nicht mehr raus, wir bleiben dran.

    Und wenn es Jahrzehnte dauert. Jeden Krümel Dreck (auch den der Grünen) unterm Teppich werden wir vorkehren, denn warum sonst hat sich diese Partei schweigend und feige schon Wochen nach der Wahl vom Thema S21 abgewendet.

    Womit hat man denn die Grünen in der Hand? SO hätte man nicht mit den Bürgern umspringen dürfen, alles hat seinen Preis.

    Mappus ist weg, ihr seid als nächstes dran, versprochen. Alles ist dokumentiert, da wird sich keiner mehr rauslügen.

  • AH
    Aus Haching

    Seitenweise eitle Selbstdarstellung nach dem Muster: Aber wir (und vor allem ICH) hatten doch recht.

     

    Am Abend der Volksabstimmung war auch das wahre Gesicht eines Herrn Palmer zu sehen. Als er mit einem kleinen Hauch dessen konfrontiert wurde, womit er und seine Spießgesesseln die Pro-21 Fraktion über Jahre hinweg angegriffen haben, fiel ihm nichts weiter als autoritäres Brüllen ein.

     

    Hoffentlich hat diese Person nie ein höheres Amt als Bürgermeister einer Studentenstadt.

     

    P.S. Einfach mal bei youtube "Boris Palmer" eingeben. Der eigene Eindruck ist immer der beste.

  • PS
    Peter S.

    Ich gehe mal davon aus, dass vielen Beführwortern von S21 klar ist, dass das Ganze teurer und später fertig wird. Siehe jüngst Berlin.

    Es ist aber ein schönes Beispiel für dieses Land, dass nicht unbedingt diejenigen, welche am lautesten schreien, auch in der Mehrheit sind. Die TAZ hat dieses antidemokratische Gehabe der Gegner als Bürgeraufstand tituliert.

    Zum Glück gibt es in diesem Land noch Menschen, welche sich nicht dem Meinungsdiktat der Gutmenschen unterwerfen wollen.

  • I
    imation

    Was ist den ein "unangemessenes Wahlergebniss"?

  • A
    Andi

    Meiner Meinung nach zeigt diese Volksabstimmung auch ganz gut daß man sich überlegen muß, wen bezieht man eigentlich wie mit ein in so eine Volksabstimmung.

     

    Hier hat ein ganzes Bundesland über etwas abgestimmt was haupsächlich zwei Gruppen betrifft. Zum einen die Einwohner Stuttgart, die von den baulichen Maßnahmen direkt betroffen sind. Zum anderen die Bahnfahrer die die enssprechenden Vor- oder Nachteile durch den Umbau haben.

     

    Durch die Landtagswahl wurde das Thema zu Landesangelegenheit und somit eine Volksabstimmung auf Landesebene, was eigentlich recht beliebig ist.

     

    Wenn ich das richtig weiß gibt es daher in der Schweiz Volksabstimmungen teilweise mit Gewichtungen, wenn z.B. ein neuer Tunnel gebaut werden soll, haben die Stimmen der Leute die von diesen Baumaßnahmen unmittelbar betroffen sind, ein höheres Gewicht.

     

    Aber direkte Demokratie ist halt etwas neues, da wird die Politik hoffentlich noch dazu lernen. Nachhilfe von den Piraten gibts bestimmt gerne.