Der Fall Uli Hoeneß: Glaubwürdigkeit ist erschüttert
Transparency International zweifelt an den Führungsqualitäten von Uli Hoeneß. Dem FC Bayern fehlen die Strukturen für gutes Wirtschaften.
Die Korruptionsbekämpfer von Transparency International haben Zweifel an den Führungsqualitäten von Uli Hoeneß. „Die Glaubwürdigkeit von Hoeneß ist sehr erschüttert“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Christian Humborg, am Donnerstag mit Blick auf die Steueraffäre des FC-Bayern-Präsidenten. „Es ist jetzt Aufgabe der Aufsichtsräte der FC Bayern München AG zu prüfen, inwieweit Uli Hoeneß überzeugend die Einhaltung von Recht und Gesetz, neudeutsch Compliance, im Unternehmen zukünftig vorleben und die Umsetzung anleiten kann“, sagte Humborg.
Generell legt Transparency International den deutschen Fußballvereinen nahe, ihre Geschäfte besser zu überwachen. „Es ist ihnen anzuraten, über Compliance-Strukturen nachzudenken“, sagte Humborg. Der Mediendirektor der FC Bayern München AG, Markus Hörwick, hatte in einem Bericht der Zeit unlängst erklärt, dass solche Regeln in dem Unternehmen bisher nicht schriftlich festgehalten wurden. Die Mitarbeiter wüssten selbst, wie sie sich korrekt zu verhalten haben.
Hoeneß bezeichnete die von ihm begangene Steuerhinterziehung in einem Interview mit der Zeit als „große Torheit“. „Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch“, sagte er der Zeitung. Er wolle seinen Fehler nun „so gut wie möglich korrigieren“. Erstmals äußerte er sich zu Hintergründen der Affäre, die ihn im Januar dieses Jahres zu seiner Selbstanzeige brachten.
Ab 2001 habe er mit einem Kredit des früheren Adidas-Vorstandschefs Robert-Louis Dreyfus begonnen, exzessiv an der Börse zu spekulieren. Er habe „richtig gezockt“ und oft Tag und Nacht mit teilweise extremen Summen gehandelt. „Das war der Kick, das pure Adrenalin“, sagte Hoeneß. Nach dem Platzen der Internetblase habe er dann schwere Verluste eingefahren. „Ich war da richtig klamm“, sagte er. Eine Verbindung zwischen diesen Geschäften und dem FC Bayern schloss er aus. „Dieses Konto war ganz allein Uli Hoeneß.“
Dauernd Angst vor Entdeckung
Dass er Steuern hinterzogen habe, war ihm nach eigener Aussage immer klar. Er habe gewusst, dass er die Gewinne seiner Börsenspekulationen versteuern musste. Darum sei er stets in Sorge gewesen, der Fall könne öffentlich werden. „Natürlich war diese Angst da, sie war immer da“, bekannte Hoeneß. Gerüchte über weitere, bisher nicht angegebene Nummernkonten in der Schweiz dementierte er.
Hoeneß reagierte auch auf die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich „enttäuscht“ vom Bayern-Spitzenfunktionär gezeigt hatte. „Ich würde mir wünschen, dass ich irgendwann die Gelegenheit bekäme, der Bundeskanzlerin in einem persönlichen Gespräch zu erklären, wie es so weit kommen konnte, der ganze Mist“, sagte Hoeneß. In dem Interview rückt sich der Bayern-Präsident selbst in die Nähe eines Spielsüchtigen. Er sei ein paar Jahre lang wohl nah dran gewesen, als krank zu gelten. „Aber inzwischen halte ich mich für kuriert“, betonte Hoeneß.
Hoeneß konnte klare Entscheidungen treffen
Strafmildernd würde sich dieser Umstand allerdings nicht auswirken. Die Fähigkeit, klare Entscheidungen zu treffen, sei bei Spielsüchtigen durchaus gegeben, sagte der Suchtforscher Hans-Jürgen Rumpf von der Universität Lübeck. Da Hoeneß offenbar immer einen Überblick über sein Verhalten gehabt habe, sei er auch voll mündig, erklärte der Professor von der Universität Lübeck. Zudem habe eine eventuell ausgeprägte Spielsucht nichts mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung zu tun, stellte Rumpf klar.
Ob zwanghaftes Spekulieren an der Börse überhaupt als Sucht gelten kann, ist bei Experten umstritten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour