Datenkraken gegen Datenschützer: Face to Face im Unterausschuss
Seit Wochen zofft sich Facebook mit Datenschützern: Was speichert das soziale Netzwerk - von Nutzern wie Nichtnutzern? Nun musste sich Facebook im Bundestag rechtfertigen.
BERLIN taz | Ein Unterausschuss des Bundestags ist nicht der Ort, an dem man allzu prickelnde Diskussionen erwartet. Und auch Raum E 800 im Paul-Löbe-Haus mit seinem funktional-nüchternen Sitzungstischrund und seinen verdunkelten Fenstern taugt eigentlich nicht für große Auftritte.
Anders an diesem Montag. Da kam es im Unterausschuss für "Neue Medien" zu so etwas wie einem Showdown. Auf der einen Seite saßen zwei Manager der als Datenkraken verschrienen US-Unternehmen Facebook und Google, Per Meyerdierks und Richard Allan, auf der anderen die beiden profiliertesten deutschen Datenschützer, Peter Schaar und Thilo Weichert.
Und dass das keine Kuschelveranstaltung werden sollte, machte der schleswig-holsteinische Datenschützer Weichert gleich klar. "Nach unserer Überzeugung sind die Zustände, die wir bei Social Communitys insbesondere aus den USA haben, rechtswidrig und daher nicht zu halten", sagte er.
Ein Minispion der Datenkrake
Schon seit Wochen gibt es Zoff zwischen Weichert und dem sozialen Netzwerk Facebook. Seit nämlich Weichert dem Unternehmen auf die Finger geklopft hat - was in diesem Fall wörtlich gemeint ist. Dem Datenschützer gefällt der "Gefällt mir"-Button von Facebook überhaupt nicht, ein blaues Logo mit einem nach oben zeigenden Daumen, das Seitenbetreiber auf ihren eigenen Internetangeboten einbinden können. Damit können Facebook-Nutzer anderen Nutzern zum Beispiel Texte auf Onlinemedien empfehlen.
In den Augen von Datenschützer Weichert ist dieser Button so etwas wie ein auf fremden Internetseiten eingebauter Minispion, der es dem US-Unternehmen ermöglicht, das Surfverhalten von Millionen von Menschen auszuspähen.
Nicht nur Daten von Facebook-Mitgliedern, sondern auch von Nichtmitgliedern würden an Facebook weitergeleitet, sobald sie auf einer Seite mit dem "Gefällt-mir"-Button landen. Und deshalb verlangt Weichert von allen Internetseitenbetreibern in Schleswig-Holstein - dem Land, für das er zuständig ist -, den Button zu entfernen. Die Folge wäre eine facebookdaumenfreie Zone von Westerland bis Lübeck.
Entscheidende Fragen bleiben unbeantwortet
Der Datenschützer aus Norddeutschland ist wild entschlossen, es mit dem weltweit 700 Millionen Nutzer zählenden Netz-Giganten aufzunehmen. Am Montag kündigte er eine "weitere Eskalationsstufe" an. Er wolle die Sache nun vor die Verwaltungsgerichte bringen.
Richard Allan, der für Facebook von Dublin aus die Europageschäfte regelt, war sichtlich bemüht, mit einem freundlichen Lächeln sein Unternehmen als um Transparenz bemüht darzustellen. Doch die entscheidenden Antworten blieb er schuldig: Welche Daten speichert Facebook wie lange und zu welchem Zweck? Wie er überhaupt zwischen seinen warmen Worten deutlich machte, dass er ziemlich genervt ist von den "mindestens 50 Datenschutzbehörden" in der EU, von denen ihm in seinen Augen eh höchstens eine etwas zu sagen hat: die in Irland, wo Facebook seinen Europasitz hat, wie Allan mehrfach betonte.
Allan hätte genauso gut sagen können: Fuck you, Peter, fuck you, Thilo. Hat er aber natürlich nicht. Dafür dementierte er aber eine Meldung, wonach sein Unternehmen sich mit Weichert auf eine Ausnahme für Schleswig-Holstein geeinigt habe.
Aber vielleicht ist es ja schon ein Erfolg, dass der Europachef von Facebook überhaupt das Gefühl hat, sich den Fragen eines Bundestagsunterausschusses stellen zu müssen. Er empfehle ihm, sich schon mal eine Zweitwohnung in Deutschland zu suchen, riet der Ausschussvorsitzende dem Facebook-Manager Allan nach der Anhörung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid