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Datenaffäre in DresdenHandy-Ausspähung war illegal

Sachsens Datenschutzbeauftragter rügt in seinem Bericht: Staatsanwaltschaft und Polizei sind bei der Erfassung von Telefondaten weit übers Ziel hinausgeschossen.

Wurden illegal belauscht: Gegendemonstranten in Dresden. Bild: dpa

DRESDEN taz | Bei der umfangreichen Handy-Funkzellenabfrage im Zusammenhang mit Demonstrationen in Dresden am 13. und 19. Februar ist mehrfach gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen worden. Zu dieser Einschätzung kommt der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig in seinem Prüfbericht, den er am Freitag dem Landtag übergab.

Schurig hat deswegen das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft förmlich beanstandet. Eine Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei nicht erkennbar, das Ausmaß der erhobenen Daten unangemessen, heißt es im Bericht.

Die taz hatte im Juni aufgedeckt, dass rund eine Million Handydaten, darunter die von Anwohnern, Journalisten und Abgeordneten, erfasst worden waren. Die Polizei begründete dies mit gewalttätigen Ausschreitungen am 19. Februar und Ermittlungen gegen eine angebliche kriminelle Vereinigung im linken Milieu. Nach heftigen Debatten um die Rechtmäßigkeit dieser Erfassung hatte der Sächsische Landtag den Datenschutzbeauftragten mit einer Prüfung beauftragt.

Spionieren kommt in Mode

Nach Schurigs Erkenntnissen ist eine solche Massenerhebung im Zusammenhang mit Demonstrationen bisher einmalig in der Bundesrepublik. Allerdings komme dieses Instrument zunehmend in Mode. Beobachter führen den Trend zum Einsatz technischer Mittel auch auf die personelle Ausdünnung speziell der sächsischen Polizei zurück.

Die bundesdeutsche Strafprozessordnung erlaubt die geheime Funkzellenabfrage nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung und nach Ausschöpfung aller anderen Beweiserhebungsmittel. Dem Bericht zufolge sind Rechte unbeteiligter Anwohner und geschützter Berufsgruppen wie Abgeordnete, Anwälte oder Journalisten und die Verpflichtung zu zeitlicher und räumlicher Begrenzung in Dresden ungenügend beachtet worden. Einem "Einschüchterungseffekt" müsse entgegengewirkt werden, heißt es im Bericht.

Zweifel kamen dem Datenschutzbeauftragten auch an der Unabhängigkeit des zuständigen Richter. Im Zuge seiner Ermittlungen entdeckte Schurig, dass der erforderliche richterliche Beschluss für die Funkzellenabfrage schon im Wortlaut von der Staatsanwaltschaft Dresden ausgearbeitet worden war. Der Richter unterschrieb nur noch.

Schurig forderte, die etwa 40.000 namentlich Betroffenen der Funkzellenabfrage unverzüglich zu benachrichtigen. Der angehäufte Datenbestand solle auf das zur Strafverfolgung notwendige Maß reduziert werden. Dafür hat Schurig eine Richtlinie ausgearbeitet. Bis Jahresende gab er Staatsanwaltschaft und Polizei Zeit, diese Forderungen umzusetzen.

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14 Kommentare

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  • LA
    lemures adamas

    Da war doch vor 10 jahren mal was in ner Dessauer Polizeiwache, da hat sich doch einer mit 3 promille und gefesselt mit ner unbrennbaren matratze selbst angezündet, was bei rausgekommen ist kennt man ja:

    Freispruch für die diensthabenden Vollzugsbeamten des "Rechts"staates

    Ne interna die 56 von 60 min Tatortfilm wegen technischem Defekt verschwinden lässt, ein rotes Feuerzeug, dass bei 800grad kaum verbrannt & erst 3 Tage später auftaucht

    nen Richter der in der mündlichen Urteilsbegründung von schwerem Versagen der Beamten und vorsätzlicher Falschaussage der Beamten redet, wovon in der schriftlichen Begründung nichts zu finden ist, etc

    zum Glück wurde das Urteil jetzt gekippt, (alles im deutschlandfunk nachzuhören)

    In anbetracht solchen Fällen des Versagens von Exekutive & Judikative in enger Klüngelei ist das ausspähen von 40k Demonstranten eher noch nen nebensächliches Problem,

    naja die illegale Geruchsprobenentanhme vor Heiligendamm war wohl gerde noch Verhöltnisgemäß, zumindest hatts trotz bedenken der Datenschutzbeauftragten keinen der Verantwortlichen den Job gekostet

    In den Talaren der Muff von Tausend Jahren, leider gut gerüstet mit den cyberwaffen von morgen... jetzt neu Hau den Lukas auf Facebook...

  • K
    Karl

    Nachklapp: Demoteilnehmer sollten Anträge auf Löschung ihrer Handy-Daten bei der Polizei stellen. Möglichst massenhaft, um der gern genommenen " Individualisierung" vorzubeugen . Und um einen rechtsmittelfähigen Bescheid ersuchen. Um sodann das VG Dresden zu testen. Viel Glück und - der Rechtsweg endet bekanntlich nicht in Dresden!

  • RE
    Rah Ering

    Sächsisches ppp im Auge behalten!

     

    Mich persönlich treibt hierbei die Frage um, warum gerade in Sachsen so viel “Schmu“ möglich ist? Aus anderen Ost-Bundesländern hört man solch negative Nachrichten, in dieser ausgeprägten Form, nämlich nicht! “Sachsensumpf“ und die aktuellen Geschehnisse; bei diesen Themen kommen die sächsischen Behörden – allem voran die “Strafverfolgung“ – nicht sonderlich gut bei weg.

    Und auch bei der Privatisierung der “öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (z. B. privatisierte kommunale Ordnungsaufgaben, sog. “public private security“) werden im Bundesland Sachsen Sachen praktiziert, wie sie für andere Bundesländer undenkbar sind.

    Vor einigen Jahren gab es in Sachsen sogar Pläne, im Rahmen von “police private partnerschip“ (ppp), die öffentliche Videoüberwachung zu privatisieren: Das Sächsische Innenministerium, Polizei und Sicherheitswirtschaft waren sich damals „...einig, das bei einer Überwachung durch Private, verfassungsrechtliche Bedenken, die bei einem staatlichen Einsatz bestünden, geringer seien...“.

    Insidern dürfte bekannt sein: Der Informations- und Datenaustausch zwischen Polizei und Sicherheitswirtschaft läuft – infolge intensiv praktiziertem ppp - in Sachsen so gut wie in keinem anderen Bundesland!

  • W
    @Westbehörde

    Ich finde es auch eine sehr interessante Frage, die ich mir hier in Dresden schon oft gestellt habe:

     

    Einerseits erkläre ich mir viel mit dem Aufwachsen der BeamtInnen und BürgerInnen in der DDR, andererseits steht außer Frage, dass es hier auch etliche Behörden-Westimporte gibt!

     

    Vielleicht ist die Konstellation ehemalige Bürger/Beamte der DDR in Sachsen mit importierten Westrichtern und -beamten etc. folgendermaßen:

     

    Die ostsozialisierten kennen es nicht anders und die westsozialisierten im jetzigen Sachsen möchten es gerne so, wie es in Deutschland auch vor der DDR schon war: Diktatorisch, unterwürfig, etc.

     

    Die anderen halten es wohl kaum so lange in solchen Verhältnissen aus und gehen wieder, sobald es ihnen möglich ist (aus der Verwaltung/Politik in Sachsen).

     

    Mich würde die Recherche zu dem Anteil der Ost/West-Mitarbeiter der beteiligten Ämter etc. auch wirklich sehr interessieren!

     

    Herr Bartsch, sie sind doch vor Ort und würden das sicherlich gut recherchieren können. Wir warten und sind gespannt!

  • KK
    Karl K

    Zwei Anmerkungen.

    Harry Mulisch hat recht: Das Chaos hinter der chinesischen Mauer ist mindestens so groß, wie das vor der chinesischen Mauer. Anders gewendet : die Polizei ist - wie andere Organisationen grundsätzlich auch - eine latent kriminelle Vereinigung.

    Wie bei den Notstands-No-, Anti-AKW-Demos, den Ostermärschen und der Friedensbewegung so auch hier :, was gemacht werden kann, macht die Polizei auch !  Rechtliche Bedenken scharf gegen null. Rechtschutz wenn überhaupt nur zögerlich und nach mehrfacher Verurteilung.

    Von  der früheren Massenfotographiererei - z.B. auf der Hofgartenwiese in Bonn sobald die Sonne richtig stand, einschließlich anschließender Einzelkopfauswertung - also nun zur flächendeckenden Handymassenerfassung. 

    Kurz: Der Leviatan zeigt keine Ermüdungserscheinungen!

     

    Anmerkung 2.

    "Zweifel kamen dem Datenschutzbeauftragten auch an der Unabhängigkeit des zuständigen Richter. Im Zuge seiner Ermittlungen entdeckte Schurig, dass der erforderliche richterliche Beschluss für die Funkzellenabfrage schon im Wortlaut von der Staatsanwaltschaft Dresden ausgearbeitet worden war. Der Richter unterschrieb nur noch."

    Jung gelernt ist alt getan - auch hier. 

    Nürnberg, die Stätte der Bewegung läßt grüßen.

    Dort hatten Richter in den 70er für die Verhaftung von ca 140 Jugendlichen im Zusammenheng mit demcJugendzentrum KOMM massenhaft Blankohaftbefehle ausgestellt.

    Erst die anschließende Prozebeobachtung durch Richterratschläger machte den Skandal öffentlich.http://www.richterratschlag.de/pic/Geschichte.pdf

     Das Verhalten des Richters in Dresden  - lediglich Unterschrift unter einen fremden Text setzen, dürfte mit geltendem Recht nicht vereinbar sein. 

    Anzeige sowie dienstrechliche Maßnahmen wären Mittel der Wahl.

     

    Was ich gern gewußt hätte : welche rechtlichen Normen sind es denn, gegen die verstoßen wurde. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allein hieße ja, bißchen kleiner, etwas weniger flächendeckend wäre schon ok.

    Und ich denk mal, das war nicht gemeint.

  • DA
    Der Analogist

    1. Wer ist der Vorgesetzte des Polizeipräsidenten?

     

    Dieser Vorgesetzte muss seinem Angestellten zumindest eine Abmahnung geben.

     

     

    2. Wer ist der Vorgesetzte des verantwortlichen Staatsanwalts?

     

    Dieser Vorgesetzte muss seinem Angestellten zumindest eine Abmahnung geben.

     

    Die zuständigen Politiker sind aufgefordert ihrer Pflicht nachzukommen!

     

    Alles andere wäre eine Missachtung unseres demokratischen Systems und eine Ermutigung an seine Bürger, in Zukunft ebenfalls das Gesetz eben nicht zu beachten. Es ist also wichtig, dass Konsequenzen folgen, so dass die Bürger Vetrauen ins System behalten.

  • A
    axtinsgesicht

    Super bildzeitungshaft irreführende Überschrift. Man sollte in der Überschrift darauf hinweisen, dass es nur die (nicht maßgebliche) Meinung des Datenschutzbeauftragten ist. Ob etwas legal oder illegal ist, entscheidet das Gericht und nicht ein der Exekutive zugehöriges Organ.

  • K
    Ökomarxist

    Endlich ein Erfolg für die Ausgespähten während der Demo in Dresden.

  • JU
    Ja und?

    Na, wer hätte das gedacht?! Wird es Konsequenzen für die Verantwortlichen haben? Kaum. Wie immer. Die wissen, dass sie machen können, was sie wollen. Würden sie für ihren Bockmist gerade stehen müssen, würden sie sich vorher überlegen, was sie machen.

  • M
    Martin

    Ja und sonst? Also die etablierte Macht bricht das Gesetz, und dann heisst es nur, oooh, ihr poooeeehsen, nu sacht aber den Leuten Bescheid, dass ihr sie vergewaltigt habt.

     

    Verliert da jemand seinen Job? Wird das System hinterfragt? Geht etwa der zustaendige Verantwortliche (Polizeichef, Innenminister) in den Knast?

     

    Nope!

  • K
    K.M.Enzer

    "Eine Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei nicht erkennbar, das Ausmaß der erhobenen Daten unangemessen [...]"

     

    Die Staatsanwaltschaft dazu:

    "Es sei nicht Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, die Entscheidungen unabhängiger Gerichte zu überprüfen, sagte Sprecher Lorenz Haase [...]"

     

    http://www.dnn-online.de/dresden/web/dresden-nachrichten/detail/-/specific/Staatsanwaltschaft-Dresden-weist-Datenschuetzer-Kritik-an-Handydatenerhebung-zurueck-2213403812

  • R
    Rainer

    Bis Jahresende Zeit geben??? Was soll das denn? Wenn die Polizei mich auffordert meinen Ausweiß vorzuzeigen, habe ich dann auch Zeit bis zum Ende des Tages? Die haben ILLEGAL ihre Kompetenzen überschritten, Rechte der Bürger mit Füßen getreten und sich aufgeführt als seien sie die Alleinherrscher. Schnellstmöglich, dass ist das was gebot sein sollte, nicht wenn es denen mal in den Kram passt.

  • A
    alcibiades

    Bis Jahresende haben die Herrschaften also Zeit, sich durch die illegal beschafften Daten durchzuarbeiten. Scheint mir ja etwas zahnlos, die Massnahme des Datenschützers. Immerhin sagt's mal einer. Schön wäre es auch, den Polizisten da mal ein Unrechtsbewusstsein zu schaffen.

  • W
    Westbehörde

    Interessant ist noch zu wissen, wieviele der Behördenmitarbeiterspitzel/innen in Dresden Westimporte waren zum Zeitpunkt der Aufzeichnungen von den Mobiltelefonen, und wieviele angepasste Ossis, die in der DDR gebuckelt haben und jetzt in dem Stil den Kotau vor den aus dem Westen importierten Beamten dritter Garnitur. Da bitte ich die taz noch um eine investigative Recherche und Veröff. der Recherche-Ergebnisse.