piwik no script img

CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl und das Netz„Ich habe lang E-Mails ausgedruckt“

Früher konnte Dagmar Wöhrl wenig mit dem Internet anfangen. Doch inzwischen nutzt sie es als Gegenöffentlichkeit, wenn sie sich von Medien ungerecht behandelt fühlt.

„Ohne Vorurteile das Neue annehmen“: Dagmar Wöhrl mit 3D-Brille. Bild: ap
Interview von Frédéric Valin

taz: Im Spiegel der vergangenen Woche ist ein Artikel über Sie veröffentlicht worden, der fand, Sie hätten sich auf einer Reise durch Myanmar und Laos „zum Fremdschämen“ benommen. Sie haben noch vor Veröffentlichung reagiert und in Ihrem Blog sehr detailliert Stellung bezogen. In der Form haben Politiker das Netz bisher selten genutzt.

Wöhrl: Als die Fragen des Spiegel gegen 21 Uhr letzten Donnerstag in meinem Büro eintrafen, wurde mir schnell klar, in welche Richtung diese Berichterstattung gehen sollte. Früher wäre für mich die einzige Möglichkeit gewesen, im Nachhinein eine Gegendarstellung zu verlangen. Aber kennen Sie jemanden, der jemals eine Richtigstellung gelesen hat? Das Kind ist dann normalerweise schon in den Brunnen gefallen.

Jetzt habe ich die Möglichkeit, meinen eigenen Standpunkt zu publizieren. Also habe ich mich entschieden, Transparenz und Offenheit zu schaffen und alle Informationen und Dokumente in diesem Zusammenhang auf meiner Homepage zu veröffentlichen. So kann sich jeder einen Eindruck machen, welche Fragen mir gestellt wurden und was für ein Artikel dann daraus wurde.

Nach der Veröffentlichung nahmen Sie noch ein zweites Mal Stellung...

Als ich dann am Sonntag online den Artikel las, war ich schon überrascht, dass meine Antworten so gut wie keine Berücksichtigung in einem Artikel gefunden haben, der sich ausschließlich mit meiner Person beschäftigt. Es schien, als wäre ein Urteil gefällt worden, bevor die Angeklagte gehört wurde. Besonders interessant ist, dass bei den meisten „Begebenheiten“, über die so detailreich und schillernd berichtet wird, keine Journalisten anwesend waren.

DIE INTERVIEWTE

Dagmar Wöhrl, 57, ist im Präsidium der CSU und im Bundestag Vorsitzende des Entwicklungsausschusses. Seit dem Bundestagswahlkampf 2009 twittert sie unter @dWoehrl.

Es gab viel Zuspruch für Sie auf Blogs und bei Twitter. Hat Sie die Unterstützung überrascht?

Auf jeden Fall. Ich bin schon ein gewisses Risiko eingegangen, ich hatte keine Ahnung, wie die Menschen reagieren würden. Es gibt dazu ja noch nicht wirklich Erfahrungswerte. Bis jetzt wurden Politiker von Wellen aus dem Netz meistens an Land und aus der Politik gespült. Ich hatte nun das Glück, für ein paar Tage auf einer Welle reiten zu dürfen und wie Sie sehen, schwimme ich noch in Berlin. Ein Follower bei Twitter schrieb mir, dass dies kein Shitstorm sei, sondern ein Flauschstorm (#hach).

Sie haben mal von sich gesagt, nicht von Anfang an online-affin gewesen zu sein, und dass Sie Ihre Öffnung gegenüber dem Internet vor allem einem verdanken: Twitter. Warum?

Ich bin relativ spät digitalisiert worden und gebe auch zu, dass ich lange zu den Menschen gehörte, die Emails ausdruckten. Dann hatte ich mir ein Smartphone besorgt und damit begann auch das Twittern. Langsam und mit Neugier habe ich Twitter für mich entdeckt und so tolle Menschen kennengelernt, auch oder vor allem über Parteigrenzen hinweg, mit denen ich wohl sonst nie in Kontakt gekommen wäre. Ich kann bei Twitter keine Grundsatzrede halten, aber es schadet nicht, auch für mich selbst, den Kern einer Botschaft herauszuarbeiten.

Wie hat Ihre Präsenz online Ihre politische Arbeit verändert?

Eigentlich fast nur positiv. Ich bekomme viel schneller direktes Feedback, aber auch Kritik. Ich kann bei Recherchen für meine politische Arbeit schnell an Informationen kommen und so von überall aus arbeiten. Da meine Follower und Facebook-Freunde über alle Parteien verstreut sind, bekomme ich meist ein ganz gutes Gespür für die Stimmung und Meinungen zu bestimmten Themen. Das wäre früher in der Form nicht möglich gewesen. Wir sind inzwischen ein gutes Team.

Social Media kann auch zu einer besseren, schnelleren und vor allem differenzierteren Meinungsbildung beitragen, allerdings führen die neuen Kommunikationsmittel auch zu einer Verdichtung und Beschleunigung des politischen Alltags. Man muss schneller reagieren. Da kommt es auch mal zu Fehlern, muss man dann halt selbst für Entschleunigung sorgen.

Ihr Parteifreund Ansgar Heveling hat der „Netzgemeinde“ den Krieg erklärt. Fühlen Sie sich mit angegriffen?

(Wöhrl lacht) Sagen wir es so: Ich habe mich insoweit angegriffen gefühlt, dass ich es für geboten hielt, mir einmal in einem Kommentar grundlegende Gedanken zu meiner Beziehung, dem Verhältnis von CDU und CSU und der Politik im Allgemeinen zum Netz zu machen. Der digitale Bruch in unserer Gesellschaft geht quer durch die Bevölkerung und alle Altersgruppen. Aber wie immer im Leben hilft es wenig, Vorurteile zu bedienen.

Ich weiß, es ist oft schwieriger den Blick einmal über den Tellerrand zu werfen, aber nach all meinen Jahren in der Politik weiß ich, dass es dort in der Regel viel zu entdecken gibt. Ich würde mir einfach wünschen, dass wir uns mit Neugier, Offenheit und ohne Vorurteile des Neuen annehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • M
    Markus

    @ Jens Glauber: Vielleicht sollten Sie den Artikel doch noch einmal lesen. Es geht hier doch nicht um den Ablauf der Ereignisse in Asien, es geht um den Umgang deutscher Abgeordneter mit dem Internet. Unter diesem Aspekt finde ich das Interview durchaus interessant. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache, dass in Interviews Menschen die Gelegenheit haben, ihre persönliche Sichtweise zum Ausdruck zu bringen.

  • N
    Nao

    @Celsus

    Das Problem an der Sache ist leider, dass viele Politiker die Sache nicht so sehen. Wenn man sich manch' einen politischen Kommentar zu den ACTA Protesten anschaut, scheint man sogar zu glauben, dass das Ziel der Tod der Demokratie sei. Die Frage nur ist: Glauben diese Menschen diesen Blödsinn wirklich selbst oder versuchen sie nur die neue Freiheit der Bürger von vornherein mittels Diffamierung mundtot zu machen?

  • JG
    Jens Glauber

    Warum wird der Sachverhalt hier so extrem einseitig dargestellt? Warum wird einzig und allein

    die persönliche Sichtweise von Frau Wöhrl dargebracht?

     

    Verfallen die Medien mal wieder in das beliebte Spiegel-Bashing? Ich finde es schon sehr scheinheillig, wenn man offenbar mit diesem Artikel mit dem Spiegel abrechenen will (und sich dafür sogar mit der CSU-Abgeordneten Wöhrl verbrüdert, die sonst vor allem durch ihre unseriöse Selbstdarstellung und Mediengeilheit bekannt ist), aber dabei gleichzeitig die Kritikpunkte, die man dem Spiegel vorwirft, selber macht: Nämlich hier kein Wort von der Gegenseite zulässt, sondern nur Frau Wöhrl ein Forum bietet und auf ihre Seite verlinkt, als würde sie als einzige Person auf der Welt die Warhheit sagen und wäre ihre persönliche Sicht der Dinge die einzig richtige.

  • C
    Celsus

    Das Netz ist der letzte Rückzugsort für die demokratische Diskussion jenseits aller von meist riesigen Konzernen beherrschten Medien. Auch wenn es für die CSU bitter war unter dem Druck des Internets von Guttenberg ziehen lassen, leistet das Internet doch einen unverzichtbaren Beitrag zur Moral in der Politik und wirkt einer dortigen Verrohung der Sitten entgegen.

     

    Und wir sollten vorsichtig sein und nicht wegen menschlichen Mängeln und Fehlern gleich dem demokratischen Instrument mit seinen oft unverzichtbaren Beiträgen zur Willensbildung den Krieg erklären. Wir wollen doch eine Demokratie der Bürger udn nicht eine Demokratie der Parteibosse mit ihren Freunden aus der Wirtschaft.