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Bus-Kontrollen nach G20Bussi von der Polizei

Acht Busse werden auf der Rückfahrt aus Hamburg von 620 Berliner Polizisten durchsucht. Demonstranten sollen als „linkes Pack“ beschimpft worden sein.

Berliner Polizisten: Hatten nach Hamburg noch nicht genug Foto: dpa

Berlin taz | Die Rückkehr aus Hamburg von den Protesten gegen das G20-Treffen wurde am Sonntag für einige BerlinerInnnen zu einer zähen – und unerfreulichen – Angelegenheit. Acht organisierte Busse mit etwa 300 Insassen gerieten am Rasthof Stolper Heide, kurz vor der Berliner Stadtgrenze, in eine stundenlange Kontrolle. Die Busse wurden auf einen Parkplatz geleitet, wo etwa 620 Beamte mehrerer Hundertschaften auf die Protestteilnehmer warteten.

Betroffen war auch ein Bus, den die Linksjugend Solid – die Jugendorganisation der Partei Die Linke – organisiert hatte. Laut ihrem Bundessprecher Lucas Kannenberg sei der Bus gegen 15 Uhr auf die Raststätte geleitet worden und konnte erst drei Stunden später die Fahrt fortsetzen. „Die Beamten haben jeden einzeln aus dem Bus geführt und dann die Personalien aufgenommen“, so Kannenberg.

Der 22-Jährige, der vor Ort Kontakt zu dem Einsatzleiter hatte, sagte der taz, dieser habe die Maßnahme mit „Gefahrenabwehr“ begründet. Demnach sei die Polizei davon ausgegangen, dass es bei der Ankunft in Berlin zu Ausschreitungen kommen könnte.

Auf Anfrage der taz teilte die Polizei mit, sie habe Erkenntnisse, dass die Fahrgäste zu der in Hamburg angemeldeten Versammlung „Welcome to Hell“ am Donnerstag angereist waren und „sich genau in dem relevanten Zeitraum in der Hansestadt aufhielten, in dem es dort zu schweren Gewaltstraftaten kam“. Die Kontrollierten kamen demnach „als „Zeugen“ in Betracht.

Sachen durchwühlt, Handy beschlagnahmt

Während die Kontrollierten auf einem bewachten Teil des Parkplatzes ausharren mussten, durchsuchten Polizisten das Gepäck – ohne dass die Betroffenen dabei sein durften. „Die haben sich noch nicht mal die Mühe gemacht, meine beiden Rucksäcke wieder zuzumachen“, so Kannenberg.

Während die Insassen des Solid-Busses, teilweise noch minderjährig, nur ihre Ausweise abgeben mussten, seien andere Demonstranten abfotografiert worden, auch Handys wurden ihnen abgenommen. Festnahmen oder Ingewahrsamnahmen gab es laut Polizei keine. Beschlagnahmt wurden jedoch „Kleidungsstücke, die zur Vermummung und Schutzbewaffnung geeignet sind“, ebenso ein Nebeltopf und ein Mobiltelefon.

Wir wurden als linkes Pack ­beschimpft

Lucas Kannenberg, Solid

Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram hatte noch während der Maßnahme telefonischen Kontakt zu mehreren Betroffenen. Sie kritisiert: „Ohne konkrete Anhaltspunkte kann man nicht ganze Reisebusse stoppen.“

Aggressives Auftreten

Kannenberg berichtet noch von einem weiteren Vorfall, der sich zuvor auf dem Rastplatz Stolpe (bei Parchim) in Mecklenburg-Vorpommern zugetragen habe. Der Solid-Bus habe dort pausiert, als Beamte der 25. Berliner Einsatzhundertschaft in ihren Wannen angefahren kamen. „Die haben schon von innen mit den Fäusten gegen die Scheiben geschlagen und waren unglaublich aggressiv“, so Kannenberg.

Die Jugendlichen, die auf einer Wiese saßen, seien umzingelt, andere gewaltvoll in den Kessel getrieben worden. Der Sprecher der Grünen Jugend Berlin, Caspar Schumacher, der sich auch im Bus befand, schilderte dieselbe Situation auf Twitter: „Ich stand in der Tanke & aus dem nichts packte ein Beamter mich am Nacken und zog mich an meinen Haaren hinter sich her.“

Anschließend sollen die Beamten, von denen mehrere T-Shirts mit der Aufschrift „Spartacus G20“ getragen haben sollen, die Umzingelten beleidigt haben. Auch andere Betroffene bestätigten dies gegenüber der taz. „Wir wurden als linkes Pack beschimpft“, so Kannenberg, der daher eine ideologische Motivation vermutet. Nach einer halben Stunde ließen die Beamten die Festgesetzten ihre Fahrt fortsetzen und begleiteten den Bus bis zur nächsten Kontrolle.

Die Polizei sprach davon, hier bereits mit den „Persona­lienfeststellungen“ begonnen zu haben, die „teilweise nur mittels Zwangsanwendung durchgeführt werden konnten“.

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9 Kommentare

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  • Wenn die Definition von Terror die ist, mit Hilfe systematischer und oftmals willkürlich erscheinender Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, in der Absicht, Menschen gefügig zu machen, dann kann und sollte man hier wohl von Polizei-Terror sprechen.

     

    Aber natürlich ist man in rechtskonservativen Kreisen wohl weitaus besorgter um das vermeintliche Seelenheil der Mülltonnen im Schanzenviertel und der geparkten KFZ von Altona (oder deren Besitzer?), als um die Folgen der Repression gegen echte Menschen.

     

    Das sind ja "nur" politisch weniger genehme. So, wie Flüchtlinge, Nichtdeutsche oder Hartz4-Empfänger. Die können alle ruhig "weg".

  • 2G
    2830 (Profil gelöscht)

    Selbstverständlich! Die Polizei ist schuld und schuld ist das Schweinesystem und schuld ist die CDU und schuld ...

    'Ja, ja, gebt mir ein Feindbild!' (Laibach)

    Ich? Nö, ich doch nicht.

  • Passt in das (die) BILD.

    Forderung:"Härteres Vorgehen gegen (islamistische oder linke) Extremisten

    Folge: Die gefährlichen Extremisten der Grünen Jugend und von Solid werden Erkennungsdienstlich behandelt.

    LOGISCHE KONSEQUENZ!

     

    Treppenwitz der Geschichte:

    Bis 1989 hat der "Unrechtsstaat" die DDR Menschen auf dem Weg nach Berlin, sehr ähnlich, aber in der Regel dabei wesentlich freundlicher behandelt.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Staatsterror gegen Demokrat*innen!

  • Hass auf Linke (generell) unter Polizisten in Berlin und Brandenburg ist kein Geheimnis.

     

    Ein Fussballkollege und Polizist hat zuletzt auf der Teamfeier vor versammelter Mannschaft davon geredet wie gern er nach HH beordert worden wäre um den schwarzen Block "so richtig wegzuklatschen".

     

    Krawallgeile Polizisten sind ein offenes Geheimnis. Das lohnt schon fast garnicht mehr darüber zu schreiben.

     

    Der Bericht in der RBB-Abendschau über die Buskontrolle fernab von Berlin, wundert mich nicht, schockiert aber dennoch.

     

    Erfunden ist daran nach meinem Gefühl und Erfahrung nichts.

  • Es ist sehr bedenklich, wenn eine Front zwischen Polizei und Linken aufgebaut wird. Das sorgt nur für eine Verstärkung des Hasses und der Aggresionen auf beiden Seiten.

    Wenn der Staat nicht eingreift und die Polizei nicht deeskalations und freundlich so wie würdevollen umgang lehrnt, wird sich diese Gewaltspirale zwischen Polizei und Demonstration nur noch weiter steigern.

    Die Polizei hingegen unterliegt jetztschon der garantenpflicht, hat sich also vorbildlich zu Verhalten. Wenn sie aber ungeschollten beleidigen und willkürlich Macht demonstrieren darf, so ist das Zeichen, was man als Vorbild setzt, nicht das was das friedliche Zusammenleben garantiert.

     

    Ich will endlich in einer Weld leben, in der die Polizei mein Freund und Helfer ist! Immerhin garantiert mir die Verfassung dieses Recht.

  • Die Bullerei hat schlicht nicht gecheckt -

    Balin ist nicht mehr 4 Sektoren Stadt! &

    Der "Antifaschistische Schutzwall" -

    Ist - Geschleift mit der Wende!

     

    Nach dem hier zu Lesenden -

    Ein durch nichts gerechtfertigter

    Weiterer Skandal der "Ordnungskräfte!"

  • Ich hoffe auf Klagen gegen die Polizisten — wobei die Beweislage ohne Handyvideos schwierig werden dürfte, das haben die belegten Lügen der Polizisten bei der Klage wegen Gewalt bei der Freiheit statt Angst gezeigt.

     

    Die einzige wirkliche Hoffnung sind wohl aufrechte Polizisten, die lieber ihren ethischen Grundsätzen und ihrem Eid auf die Verfassung treu bleiben als dass sie kriminelle Kollegen decken.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Der Bruder eines Freundes von mir hat bei der hessischen Polizei aufgehört, da er das Gefühl einer Bandenzugehörigkeit hatte. Da wurden zum Teil (meist schwerkriminelle) Straftäter misshandelt und eingetreten.

      Er hat gemeint, was ihm am meisten erschüttert hat war der Rückhalt der Polizisten untereinender und die Ausgrenzung von welchen, die nicht mitgemacht haben.

      So wurden wohl auch Kolegen, welche sich gegen die Misshandlung von Straftäten gestellt haben (yo wie er) stark gemobbt, bis sie den Diesnt verlassen.

      Von daher sehe ich für ihre Hoffnung schwarz. Die einzige Hoffnung meinerseits ist, dass die Rechte der Polizei massiv eingeschnitten werden, es öffentlich zugängliche überwachung der Polizei gibt, Strafen für Polizisten deutlich höer ausfallen wie für Zivilisten und, ganz wichtig, es eine unabhängige behörde gibt, welche gegen die Polizei ermitteln kann, so dass die polizei nicht gegen sich selber ermittelt und solche kumpanen struckturen greifen.