Bürgerinitiative über Duisburgs OB Sauerland: "Dieser Mann ist unwürdig für das Amt"
Ein Jahr nach der Loveparade-Katastrophe treibt eine Bürgerinitiative die Abwahl von Adolf Sauerland voran. Gründer Werner Hüsken bezweifelt die Glaubwürdigkeit des CDU-OB.
taz: Herr Hüsken, Duisburgs CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat am Montag erstmals öffentlich von eigener moralischer Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe gesprochen. Reicht Ihnen das?
Werner Hüsken: Welche Glaubwürdigkeit hat eine Person, die eine Betroffenheitserklärung emotionslos vom Blatt abliest? Er hat nur seine Betroffenheit herausgestellt, kein Wort von persönlicher Schuld, von politischer Verantwortung oder gar politischen Konsequenzen. Wir können damit nicht zufrieden sein, im Gegenteil. Er lebt in einer Scheinwelt. Das ist einfach nur unerträglich.
Ändert es etwas für die Geschädigten und Hinterbliebenen, wenn Sauerland sie jetzt um Verzeihung bittet?
WERNER HÜSKEN, 59, ist Krankenpfleger in Duisburg. Er hat die Initiative "Neuanfang für Duisburg" mit gegründet und sammelt Unterschriften zur Abwahl von Adolf Sauerland.
Nein. Eine derartige Reaktion zu diesem späten Zeitpunkt ist eine Farce. Die Leute werden sagen: Jetzt muss er erst recht weg. Dieser Mann ist unwürdig für dieses Amt. Er glaubt, durch seine Erklärung zur Normalität zurückkehren zu können. Das ist absurd. In seiner Person vereint sich alles, was man an Politikern verachtet. Das muss ein Ende haben, und ich glaube, dass so ein Großteil der Duisburger fühlt.
Warum hat sich Sauerland gerade jetzt entschuldigt - beinahe zwölf Monate nach der Katastrophe?
Er sieht einfach seine Felle davonschwimmen. Wir sammeln die Unterschriften gegen ihn direkt vor seiner Geschäftsstelle in der Duisburger Innenstadt. Er sieht also jeden Tag den Zulauf zu unserem Stand. Dazu kommt der mediale Druck.
Sie sind Mitbegründer der Bürgerinitiative "Neustart für Duisburg", die Unterschriften sammelt, um Oberbürgermeister Sauerland zu stürzen …
… es geht uns nicht in erster Linie darum, Herrn Sauerland zu stürzen. Wir wollen ein positives Image für diese Stadt. Und dieser Mann hat das Image der Stadt stark beschädigt. Er hat die Stadt führungslos gemacht und dafür gesorgt, dass von Seiten der Verwaltung unwürdig mit den 21 Opfern und ihren Hinterbliebenen umgegangen wird. Wenn er nicht den Anstand hat, endlich selbst zu gehen, dann werden wir ihn aus dem Amt holen müssen.
Wie ist bisher die Resonanz auf die Unterschriftenaktion?
Sehr gut. Wir werden bis zum Ende der Frist in gut drei Monaten wohl 100.000 Unterschriften gesammelt haben, doppelt so viele wie nötig.
Wie geht es danach weiter?
Wenn der Oberbürgermeister dann nicht von selbst zurücktritt, werden die Bürger darüber abstimmen. Ein Viertel der Wahlberechtigten, also etwa 92.000 Duisburger, müsste dann für seine Abwahl stimmen. Dann wäre er weg. Und wir hoffen auf eine einmalig hohe Wahlbeteiligung, damit es ein klares Votum gibt und Herr Sauerland von seinen eigenen Bürgern aus dem Amt geschickt wird.
Sie haben das schon einmal letztes Jahr versucht. Dafür war aber die Zustimmung des Stadtrats notwendig …
… der den Antrag leider verhindert hat. Das ist alles ein schäbiges Machtspiel seiner Fraktion, die ihn bis heute stützt. Leider haben ihm damals auch Teile der Grünen die Gefolgschaft zugesichert. Erst durch eine Änderung der Gemeindeordnung durch die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist die Zustimmung des Rates jetzt nicht mehr nötig.
Die Staatsanwaltschaft Duisburg kommt laut Zwischenbericht zu dem Schluss, dass die Loveparade nie hätte genehmigt werden dürfen. Wer trägt die Schuld dafür, dass sie dennoch stattfand?
Die Frage der Schuld war für uns nie ein wirkliches Thema. Wir haben immer nach Moral, nach politischer Verantwortung gefragt. Den Rest wird die Staatsanwaltschaft mit großer Sorgfalt und hoffentlich den richtigen Ergebnissen ermitteln. Es ist juristisch ein komplexes Thema.
Am 24. Juli jährt sich die Katastrophe zum ersten Mal. Es wird eine Trauerfeier geben, ein jährlicher Gedenktag ist im Gespräch. Wie präsent ist das Thema noch bei den Duisburger Bürgerinnen und Bürgern?
Nicht zuletzt durch das unerträgliche Agieren von Herrn Sauerland ist die Katastrophe noch jeden Tag präsent. Zum Glück sind aber auch die Medien drangeblieben. Es vergeht also kein Tag, an dem wir nicht daran erinnert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren