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Brandschutz-KlageCDU brennt fürs Tacheles

CDU-Baustadtrat fühlt sich im Streit um die Touristen-Attraktion vom Zwangsverwalter instrumentalisiert. Auch in Kreuzberg sieht man sich von Eigentümern "missbraucht". Das Tacheles ist geschlossen - und soll im September geräumt werden.

Geschlossen: das Kunsthaus Tacheles in Mitte. Bild: DPA

Von einem CDU-Mann in akkuratem Anzug ist ja nicht unbedingt Sympathie für Ex-Besetzer zu erwarten. Am Dienstag aber sitzt Carsten Spallek, Christdemokrat und Baustadtrat in Mitte, im Rathaus Wedding und sagt, er habe den Eindruck, er werde gerade „instrumentalisiert“.

Und zwar vom Zwangsverwalter des Tacheles. Der hatte die letzten Nutzer des Kunsthauses in Mitte am Donnerstag angezeigt, weil diese den Brandschutz verletzen würden. „Dem müssen wir nachgehen“, sagt Spallek. „Sonst geht einer in den Knast, wenn was passiert.“ Bereits am Montag verhängte die Bauaufsicht ein Nutzungsverbot fürs Tacheles – bis die Mängel behoben sind. Eigentlich, sagt Spallek, müsse der Zwangsverwalter dies selbst mit den Künstlern klären. „Ich finde es unglücklich, dass wir in den Konflikt reingezogen werden.“ Auch sei es verwunderlich, dass der Zwangsverwalter erst jetzt klage, so kurz vorm Ende des Kunsthauses.

Seit einem Landgerichtsurteil von Mitte Juni ist klar: Das Haus soll am 4. September geräumt werden, komplett. Tacheles-Sprecher Martin Reiter bezeichnet die Brandschutz-Anzeige als eine weitere Schikane, um die Räumung durchzusetzen.

Seit 2007 ist die HSH Nordbank Zwangsverwalterin des Kunsthauses, eine Versteigerung platzte im April 2011. Anwälte hatten seitdem Künstler mit Abfindungen aus dem Haus gelockt, wohl um mit einem leeren Haus einen höheren Verkaufspreis zu erzielen.

Am Dienstag haben nun die Künstler einen Tisch samt Wachmann vor ihr Treppenhaus gestellt. Davor stehen ratlose Touristen. „It‘s closed“, sagt der Mann. „Security reasons.“ Dahinter tragen Künstler Müllsäcke aus dem Haus. Die Nutzer, betont Stadtrat Spallek, hätten weiter Zugang. „Wie sollen sie sonst die Brandschutz-Auflagen erfüllen?“

Zuletzt hatte der Bezirk vor zwei Jahren den Brandschutz des Tacheles geprüft und eine Nutzung des Theatersaals untersagt, mangels Rettungswegen. Nun müssen die Künstler zugestellte Fluchttüren freiräumen, Rettungswege markieren, Rauchmelder und Beleuchtungen anbringen. Stadtrat Spallek gibt sich mild, auch hier: Ein Besuch am Vormittag habe gezeigt, dass die Künstler die Probleme schnell beheben könnten. Dann dürften auch wieder Besucher ins Haus. Ein Ende des Tacheles nannte Spallek „einen Verlust“.

Dass Eigentümer mittels der Bezirksämter missliebige Nutzer loszuwerden versuchen, kennt man auch in anderen Bezirken. Franz Schulz, Grünen-Bürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg, berichtet von Situationen, „in denen ich das untrügliche Gefühl hatte, dass Grundstückseigentümer die Bau-Aufsicht gegen die jeweiligen Nutzer instrumentalisieren“.

Schulz nannte als Beispiel den Kulturstandort LA 54 an der Landsberger Allee 54. Dort habe sich ein Nachbar beschwert, worauf die Nutzung eines Gebäudes untersagt werden musste. Ebenso seien die Initiatoren der soziokulturellen Projekte auf dem RAW-Gelände derzeit damit beschäftigt, die Mängelliste eines Brandschutz-Gutachters abzuarbeiten – zuvor hätten sich die Grundstücksverwalter beim Bezirksamt beschwert. „Man fühlt sich missbraucht“, klagt Schulz. „Weil klar ist, dass das primäre Interesse der Eigentümer nicht der Brandschutz ist, sondern das Ziel, die Nutzer loszuwerden.“

Michael Schultz, Anwalt des Zwangsverwalters im Fall Tacheles, nennt Instrumentalisierungsvorwürfe „nicht nachvollziehbar“. Brandschutz sei eine zentrale Aufgabe von Behörden. „Das Tacheles ist doch kein rechtsfreier Raum“, so Schultz.

Die noch etwa 40 Tacheles-Künstler wollen bis Donnerstag ihre Auflagen erfüllen. Bis zum 4. September sind‘s dann nur noch vier Wochen. Die Brandschutz-Anzeige, sagt Sprecher Reiter, habe die Künster nur saurer gemacht. Nach einem freiwilligen Auszug sehe es derzeit nicht aus.

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7 Kommentare

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  • LK
    Ludo Kamberlein

    Na, klasse. Das heißt wohl im Klartext, die unkonformen Künstler, die den Ort erst bekannt gemacht haben, werden mit Duldung von Kultursenator Klaus Wowereit aus dem Tacheles herausgeschmissen und danach kommt dann eine Schickimicki-Postergalerie mit Segen der HSH-Nordbank hinein ... armes Berlin, solche unfähigen Kulturpolitiker hast Du nicht verdient !

  • AD
    auch das noch

    berlin hat verloren und arm, aber sexy, heißt nix weiter, wie, es muß ausssehen wie freiheit, bunt. mit meinem vorherigen eintrag habe ich wohl die netiquette oder lobby-zugehörigkeit verletzt. dieser erschien bis jetzt nicht. wer arm ist und sexy sein soll, kann mensch sich am besten in taihland und co anschauen. diese bemerkung war für mich, sofort, ohne lange nachzudenken, sexysmus, typischer politiker zynismus. aber deutsche verstehen wohl immer wieder nur bahnhof, ohne zu verstehen wohin die reise geht.

  • E
    elShoggotho

    Ist dieser komische Kaufvertrag eigentlich überhaupt gültig? Da wurden doch von Seiten der Eigentümer und der Zwangsverwaltung so massiv Auflagen verletzt, dass das Tacheles von Rechts wegen dem Land Berlin gehören müsste. Schade, dass unser regierender Bürgermeister für Kultur nichts als Lippenbekenntnisse und Arschtritte übrig hat.

  • S
    Sprotte

    @Stupfel: Die südwestdeutschen "Neubürger" sind ja schon so etwas wie ein Klischee, das man gerne mal auf den Tisch packt, um sich an Veränderungen in der Stadt zu reiben. Allerdings ist auch was Wahres dran: Denn sie brachten auch die südwestdeutsche Enge mit, der sie zu entfliehen suchten. Und das hatte sich schon auf das Nachtleben ausgewirkt.

     

    Die Hochglanzunternehmen bringen ebenfalls ihre Welt und Werte mit. Und je mehr Hochglanz es in Berlin gibt, desto weniger wird es das Berlin sein, das sie so hip und lebendig finden. Was bleibt, ist die hippe Fassade und einige Reservate, konserviert für Touristen und Corporate People. Und das ist es, was sie gut finden. Denn sonst würden sie sich hier nicht wohl fühlen. Der Trost: Es wird immer neue Städte geben, die im Umbruch sind. Wo Hochglanz und Kehrwoche noch keine Rolle spielen. Aber noch ist Berlin ganz lebenswert.

  • S
    Stupfel

    In den Neunzigern galt Berlin als die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, in der eine Million Menschen friedlich zu wummernden Techno-Beats durch die Strassen zuckten, und im Anschluss mit dem ÖPNV in das Nachtleben zu starten, welches damals einen legendären Ruf genoss - das war, bevor sich die neuen Nachbarn mittels Polizei und Lärmprotokollen die Ruhe ihrer südwestdeutschen Heimat in den Bergmannkiez importierten.

     

    Mit dem Tacheles, einem Relikt aus dieser Zeit, verliert Berlin eine weitere Perle an die Säue. Eine Oase weniger in einer sich ausbreitenden Wüste des Spiessertums und der Hochglanzfassaden, die alternatives Leben nur ausserhalb des S-Bahn-Rings duldet.

     

    S-Bahn? Nun, die Älteren erinnern sich vermutlich.

  • G
    Gregor

    Ouh Felix, das war ein ganz wichtiger Beitrag von Dir zur Debatte um: Wem gehört die Stadt, wer bestimmt was Kultur ist, wieviel Freiheit braucht die Gesellschaft, etc. Scharf und pointiert gedacht, man merkt, da kommentiert ein Kenner der Verhältnisse. Zudem gefällt mir, wie offen und radikal Du Deine ideologischen Fundamente darstellst, auf denen Du Deinen Beitrag aufbaust. Bitte, mehr von diesen Kommentaren!

  • F
    felix

    Was bitteschön soll so toll am Tacheles gewesen sein? Bei den Parties musste man aufpassen, dass man nicht von den Abrisskanten aus den Stockwerken rausgefallen ist. Erst später wurden dort Fenster eingebaut. Die Treppenaufgänge rochen so erbärmlich nach Urin, dass es einem schier den Magen umgedreht hat.