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Bildungslobbyist über Schultrojaner"Lehrer sind wütend und enttäuscht"

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Vereins Bildung und Erziehung, über Plagiatssoftware für Schulen und Lehrer, die unter Generalverdacht stehen sollen.

Trojaner sollen Lehrer überwachen - warum nicht erst an Politikern testen? Bild: dapd
Interview von Christian Füller

taz: Herr Beckmann, man wollte Ihnen die Bedenken gegen die Plagiatssoftware wegmassieren. Kann das gelingen?

Udo Beckmann: Nein, denn ich finde der ganze Ansatz des Misstrauens und Kontrollierens ist falsch. Ich erwarte weiter eine klare Ansage von den Kultusministern, dass sie einen anderen Weg einschlagen. Unsere Dienstherren dürfen keine so genannte Plagiatssoftware zulassen, um LehrerInnen als vermutliche Raubkopierer zu enttarnen.

Das heißt: Darf die Software kommen?

Auf keinen Fall. Wir brauchen eine Alternative. Zum Glück ist der Konflikt um den 'Schultrojaner' heute entschärft worden. Ich begrüße es, dass in den kommenden Monaten zwischen den Verhandlungspartnern mögliche Alternativen zu einer Plagiatssoftware diskutiert werden. Vor allem werden wir Lehrerverbände frühzeitig eingebunden.

Wie kann die aussehen?

Wir sollten das Pferd nicht von hinten aufzäumen und nachträglich kontrollieren, ob jemand Lehrwerke kopiert hat. Die Kultusminister und die Schulträger müssen vorher die finanziellen Bedingungen schaffen, damit die Schulen die notwendigen Lizenzen erwerben können. Dass in Deutschland die Bildungsfinanzierung internationalen Vergleichen nicht standhält, ist doch in den Schulen mit Händen zu greifen.

Alternativen gesucht

Die Bildungsminister der Länder, die Schulbuchverlage sowie die Verwertungsgesellschaft VG Wort wollen noch einmal nach Alternativen zur umstrittenen Spähsoftware suchen. Auch die Lehrerverbände, die den Schultrojaner stark kritisieren, sollen eingebunden werden. Das berichtet Stefan Avenarius, Vertreter des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen, nach einem Gespräch zwischen Kultusministern und Verlagen am Dienstagnachmittag.

"Wir werten das als Erfolg, damit kehrt eine gewisse Beruhigung ein." Die Kultusminister hatten mit der VG Wort und VG Musikedition im Dezember 2010 einen Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen unterzeichnet. Darin ist unter anderem geregelt, dass die Verlage den Kommunen und Schulträgern "auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung stellen, mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können." Dieser Vertrag soll aber nicht außer Kraft gesetzt werden.

Auch die Lehrerverbände würden anerkennen, dass die Verlage eine Kontrollinstanz bräuchten, meint Avenarius. Selbst wenn es bei der Software bliebe - vor 2013 würde sie auf keinen Fall kommen, hieß es am Dienstag. Sie müsste ja zunächst programmiert und danach den Datenschützern der Länder vorgelegt werden. (ALE)

***

Udo Beckmann leitet die zweitgrößte deutsche Lehrergewerkschaft "Verband Bildung und Erziehung". Er ist von Hause aus Physik-Lehrer.

Was heißt das konkret?

Wenn Lehrer einen reichhaltigen Unterricht anbieten wollen, dann darf man sie eben nicht durch knappe Kassen dazu bringen, sich Sachen selbst zu organisieren. Sehen sie, allein wegen der veralteten Bücher oder unzureichender Klassensätze müssen Lehrer aus Aktualitätsgründen doch Kopien herstellen. Die Schulträger müssen das also bezahlen und dürfen es nicht bestrafen, so heißt unsere Maxime.

Und wie geht es weiter, wenn Verlage und KMK doch an der Lehrer-Überwachungssoftware festhalten?

Wir werden nicht locker lassen, dagegen zu kämpfen. Wir werden die Datenschutzbeauftragten anrufen, damit sie prüfen, was da eigentlich programmiert wird. Wenn Lehrer damit kriminalisiert werden oder wenn man auf ihre persönlichen Daten zugreifen kann, dann werden wir das verhindern.

Wie geht es den Lehrern mit der Kontrollsoftware?

Sie sind erbost. Sie sind wütend und enttäuscht, dass in den Schulen Methoden eingesetzt werden sollen, die sie durchleuchten und ihnen die Arbeit erschweren. Von Lehrern wird - seit Pisa umso mehr – erwartet, ihren Schülern einen spannenden und fördernden Unterricht mit vielen verschiedenen Methoden und Aufgaben zu bieten. Sie sind bestrebt, die Urheberrechte zu respektieren – und merken, dass sie dennoch unter Generalverdacht gestellt werden. Dagegen verwahren sich die Lehrer, und wir tun das auch.

IT-Experten sagen, ein Schultrojaner, der nur nach Lehrwerken sucht, ist gar nicht programmierbar. Eine solche Software muss notwendigerweise alle Textdateien in einem Rechner scannen, um elektronische Kopien von Schulbüchern zu identifizieren.

Genau da liegt das Problem. Man hätte die Datenschutzbeauftragten viel früher einbeziehen müssen. Der ganze Aufwand lohnt sich doch gar nicht, wenn eine Plagiatssoftware nicht unbedenklich programmierbar ist. Die Kultusminister müssen umkehren. Ich verstehe die Schulbuchverlage, dass sie Erlöse für ihre Produkte erzielen wollen. Dafür gibt es aber eine ganze schlichte Lösung: Gebt den Schulen das notwendige Geld, so dass sie Lehr- und Lernmittel und die Lizenzen für die Lernsoftware zur Individualisierung des Unterrichts kaufen können.

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14 Kommentare

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  • M
    M.Gatzke

    Das kann doch nicht wahr sein.

    Da will man angagierte Lehrer, gleichzeitig behindert man sie mit allen Regeln der Kunst.

    Nich zu fassen.

    Dazu fällt mir nichts mehr ein. Nur noch verrückt.

  • J
    Junglehrer

    Hier einmal eine Schilderung eines Junglehrers:

     

    Bsp: Geschichte, Bildbeschreibung:

    Nach aktuellem Urheberrecht ist es verboten Bilder aus den Schulbüchern (selbst wenn diese als Klassensatz vorliegen) einzuscannen und an die Wand zu beamen. D.h. eine Bildbeschreibung läuft steinzeitlich ab. Alle Schüler öffnen ihr Buch, schauen sich das Bild an und hören dem Beschreibenden zu. Wie ich als Lehrer nun die einzelnen Punkte aufzeigen soll (etwa bei jedem Punkt einmal durch die Klasse laufen und anzeigen, wo das ist -> Ein Bild in 90min)ist mir ein Rätsel.

     

    Bsp: BWL

    Unser Recht ändert sich nahezu täglich. Ein BWL-Buch muss jedoch 5 Jahre halten. Dazu kommt noch die Zeit, welche die Autoren brauchen, die Bücher aktuellem Recht anzupassen. Komisch ist, das solche Bücher immer erst zur Schuljahreshälte erscheinen und nicht zu Beginn des Schuljahres.

     

    Bsp: Geschichte, Quellenarbeit

    Die Schulbücher sind Eigentum der Schule. D.h. die Schüler dürfen nichts markieren oder ergänzen. Eine oberstufenwürdige Quellenkritik bzw. ausführliche Quellenarbeit benötigt jedoch optische Hilfsmittel. D.h. Markieren, Unterstreichen, Gliedern und Stickpunkte in den Text. Wie soll ich das mit dem Schulbuch realisieren?

     

    Fazit:

    Uns Lehrer wird immer vorgeworfen "schlechten" Unterricht zu halten. Man hat die letzten Jahre seitens der Schulen viel Geld in technische Ausstattung gesteckt (Foren, Lernplattformen, Beamer ...) und nun soll man das ganze vergessen. Wir wollen guten Unterricht halten und die Schüler qualifizieren. Dazu braucht es aber auch die Möglichkeit entsprechenden Unterricht halten zu können. Plattformen und Beamer müssen als integraler Bestandteil erhalten bleiben!

     

    MFG

  • D
    drubi

    Ich halte unser Urheberrecht für eine zweifelhafte Sache. Und dass sich die Verlage mit Schulbüchern eine goldene Nase verdienen ebenfalls. Dass aber Lehrer einfach generell für sich eine Ausnahmebehandlung beanspruchen, halte ich für falsch.

  • D
    drubi

    Seltsamerweise stecken wir Steuerzahler ja bereits Geld in die Entwicklung von Lehrplänen und Schulbuchinhalten. Und es ist ja nicht so, dass die Schulbücher die allerneuesten Erkenntnisse der Wissenschaft vermitteln sollen, sondern Grundlagen, auf denen eine berufliche oder akademische Ausbildung aufbauen kann.

     

    Die Aussage im letzten Satz kann dahingehend ausgelegt werden, dass die Lehrer uns vor die Wahl stellen, ihnen entweder mehr Geld zur Verfügung zu stellen oder in Kauf nehmen zu müssen, dass sie sich nicht an Recht und Gesetz halten. Sehr seltsam. Man muss wohl beim Staat - womöglich als Beamter - arbeiten, um sich eine solche Einstellung leisten zu können.

  • R
    rose

    Drehen wir Lehrer den Spieß doch einmal um!

    Ich schlage vor so lange keinen Vertreter eines Schulbuchverlages mehr an der Schule die Bücher seines Verlages zu präsentieren zu lassen, bis die Verlage sich in aller Deutlichkeit vom Vorhaben eines Trojaners distanzieren. Außerdem verzichte ich gerne mehrere Jahre! auf neue Schulbücher und mache dann eben Unterricht wie die Kollegenn in den Entwicklungsländern - mit der Kreide in der Hand an der Tafel! Wenn den Verlagen auf diese Art und Weise die Bestellungen der Kommunen / Landkreise und damit die Einnahmen wegbrechen, dann werden sie wohl sehr schnell zurückrudern. So ein Boykott sollte natürlich koordinert werden. Also ihr Lehrerverbände - zeigt, dass ihr euren Namen verdient und helft uns gegen diesen Generalverdacht.

  • A
    Abah

    Wenn der "Schultrojaner" so gut funktioniert, wie die Lehrmittel, die ich so aus meiner Schulzeit in Erinnerung habe, dann ist das sowieso nur viel Wind um nichts. Ehrlich gesagt, möchte ich wetten, dass das ganze Projekt ohnehin hauptsächlich eine PR-Aktion ist. Da wird den grösstenteils technisch unbedarften PädogogInnen mit dem bösen Trojaner gedroht, von dem auffälligerweise niemand weiss, wie er eigentlich funktionieren soll und von dem ebenso auffälligerweise bisher keinerlei technische oder konzeptionelle Details auch nur ansatzweise genannt wurden.

    FUD (Fear, Uncertainity and Doubt) - eine der beliebtesten Strategien der Helden des "geistigen Eigentums".

  • G
    Gaskopp

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht 100%ig, um was es hier genau geht. Soll der Trojaner auf Schulrechnern oder auf den Privatrechnen der Lehrer installiert werden. Letzteres ist natürlich absolut indiskutabel.

    Daß die Schul-Computer frei von Raubkopien gehalten werden, ist natürlich zu begrüßen. Zu meiner Schulzeit wurde auf den Schulrechnern alles getauscht und heruntergeladen, was natürlich auch die Internetkosten in die Höhe getrieben hat. Die verantwortlichen Lehrer wussten mangels Fachkenntnis dem nichts entgegenzusetzen.

     

    Bei den Kopien aus Schulbüchern stelle ich mir die Frage, was das überhaupt soll? Die Schüler bzw. Eltern kaufen für wahnsinnig viel Geld Schulbücher, um sie dann nicht zu benutzen.

    Zumindest war das an meiner Schule so. Stadtdessen wurde man jede Stunde (insbesondere in der Obserstufe) mit unzähligen Kopien (welche von einem anderen, offenbar besserem Schulbuch gemacht wurden) zugemüllt. Am Ende des Schuljahres wurde dann "Kopiergeld" eingesammelt. Darüberhinaus lernt es sich aus einem gebundenen und hochwertige gedruckten Buch besser als aus einer wild zusammenkopierten Loseblattsammlung.

    Warum werden nicht gleich die "richtigen" Schulbücher durch die Eltern angeschafft? Dann braucht man auch nichts mehr zu kopieren. Dinge, die in Addition zu den Schulbüchern gelehrt werden, kann der Lehrer an die Tafel schreiben oder den Schülern diktieren.

  • CC
    Creative Commons

    Ich kann das nur bedingt nachvollziehen, jeder Lehrer dieser Republik baut sein eigenes Unterrichtmaterial. Würden die Lehrer das Material teilen und unter einer freien Lizenz veröffentlichen, gäbe es keine Schulbuchverlage mehr die irgendwelche Stasi Trojaner auf den den Rechnern installieren wollen.

     

    Auch würden die Eltern viel Geld sparen, weil die teuren Lizenzzahlungen an die Verlage wegfallen würden. Unterrichtsmaterial könnte von örtlichen Druckereien einmal im Jahr gedruckt und gebunden werden.

     

    Alle wären glücklich, und es wird Geld gespart.

     

    Kommt doch einfach mal im Internetzeitalter an.

  • SK
    Strg+C KTG

    Da sollten die Oberleerkörper mal die selbst gestrickten Socken hochziehen, die Nasenfahrräder fixieren und sich zum nächsten Schutzmann begeben.

     

    Eine Anzeige wg. :

     

    § 202a

    Ausspähen von Daten

     

    (1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

     

    wäre mindestens drin. (evtl. sogar wg.

    § 263a Computerbetrug

     

    (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.)

     

    Grüß Dr. Copie

  • S
    Stefan

    Ich finde die ganze Argumentation ein Skandal: da wird ja wohl unverhohlen die Benutzung von Raubkopien und illegalen Kopieren von geschützten Werken zugegeben.

     

    Gründe, etwas verbotenes zu tun, hat schließlich jeder. Und wenn das Geld an den Schulen nicht reicht, um die Inhalte legal zu erwerben, dann kann es nicht die Lösung sein, sie zu stehlen - und auch keine Rechtfertigung.

     

    Ich bin beileibe kein Freund der Verlage: aber bei einer solchen Argumentation haben sie doch recht, wenn sie auf solche Maßnahmen bestehen - nur dann haben sie die Chance, dass sich etwas ändert.

     

    Ansonsten kann ich Norbert nur zustimmen, Lehrinhalte nach dem Wikipedia-Prinzip selbst zu erstellen. Die Ferienzeit (die ja keine Urlaubszeit ist), bietet sich dafür beispielsweise hervorragend an...

  • S
    Sauerbraten80

    Erbärmlich, dass die Politik privaten Unternehmen erlaubt, Lehrer und Schüler zu überwachen. Da haben die Lobbyisten mal wieder ganze Arbeit geleistet.

     

    Wäre ich Lehrer, würde ich einfach keine Schul-PCs mehr benutzen, sondern nur mit meinem privaten Laptop arbeiten (und diesen bei Bedarf an den schulischen Beamer anschließen).

  • N
    Norbert

    Schüler werden für MP3 Downloads mit absurden Beträgen bestraft. Aber Lehrer verlangen eine Generalamnesty, wenn sie aus Geldmangel gegen geltende Gesetze verstoßen? Tipp: Einfach mal die Gehälter der verbeamteten Lehrer mit den Lehrern im Ausland vergleichen und schon weiß man, worum für Lehrmittel kein Geld mehr da ist. Das mindeste jedoch ist doch wohl, dass vor dem Einsatz der entsprechenden Software die illegalen Kopien gelöscht werden. In anderen bereichen dürfen Raubkopien ja auch nicht verwendet werden. Übrigens wäre es problemlos möglich, sich aus der Abhängigkeit der Schulbuchverlage zu lösen, wenn nach dem Wikipedia-Prinzip Lehrinhalte selbst erstellt und verteilt würden.

  • C
    Christian

    Sollte einem Verlag den begründeten Verdacht vorliegen, seine Urheberrechte seien in einem konkreten Fall verletzt worden, dann gibt es für diesen Fall genügend Rechtsmittel die eingelegt werden können, die der Staat dann umsetzt, nicht der popelige Verlag!

     

    Focus, online zitiert dazu Christoph Bornhorn von VdS Bildungsmedien: "Wir haben keine konkreten Zahlen, wir gehen davon aus, dass diese Kopien existieren."

     

    Hier wird ein Generalverdacht geäußert, der als Grundlage einer stichprobenartigen Überprüfung dienen soll.

    Jeder ist schuldig, sofern er nicht seine Unschuld beweisen kann. Ein schönes Mantra.

     

    Es gibt auch Kinderpornographie, Terrorismus und dergelichen. Bisher hat es die Politik jedoch nicht geschafft, pauschal wegen eines Generalverdachtes gegen alle Bundesbürger, einen Staatstrojaner unter das Volk zu streuen. Aber wir haben auch nicht mehr '1984'.

  • S
    Saugnapf

    Es werden sich doch hoffentlich sicher ein paar findige Schüler finden die der Spionagesoftware der Contentmafia etwas entgegenzusetzen haben.