Atom-Deal mit dem Iran: „Historisch“ wäre untertrieben
Die Atomeinigung mit dem Iran ist ein Erfolg, ein endgültiges Abkommen nun denkbar. Es brächte Hoffnung für die gesamte Region.
GENF taz | Die Beschreibung passte: Als „historischen Durchbruch“ feierte US-Präsident Barack Obama die Rahmenvereinbarung über das iranische Nuklearprogramm, wie sie jetzt im schweizerischen Lausanne nach langen und zähen Verhandlungen endlich beschlossen wurde.
Sollten die Eckpunkte dieser Vereinbarung auch in dem hoffentlich bis Ende Juni vorliegenden und von Teheran dann auch unterzeichneten Abkommen enthalten sein, wäre diese Bezeichnung sogar noch untertrieben. Ein solches Abkommen wäre tatsächlich „die weitreichendste Vereinbarung in der Geschichte der nuklearen Rüstungskontrolle“ (Obama).
Alle Möglichkeiten Irans, Atomwaffen zu entwickeln oder anderweitig in ihren Besitz zu kommen, würden absolut verlässlich unterbunden werden. Die Nörgler und Kritiker des Abkommens wie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, manche vornehmlich republikanischen Mitglieder des US-Kongresses oder die Kampagne „Stop the Bomb“ verbreiten über den Inhalt der Rahmenvereinbarung schlicht falsche Behauptungen. Falsch sind zum Beispiel die Aussagen, der Plutoniumreaktor Arak würde nicht geschlossen oder Irans Raketenprogramm werde in der Vereinbarung nicht erwähnt.
Noch bis vor kurzer Zeit schien eine solche Vereinbarung ziemlich undenkbar. Entscheidend zu ihr beigetragen hat eine veränderte Haltung der Führung in Teheran, worauf Bundesaußenminister Steinmeier in seinem Abschlussstatement zu Recht hingewiesen hat. Die Führung unter Präsident Hassan Rohani wisse, dass man der jüngeren Generation mehr bieten muss als die Fantasie einer künftigen Atommacht. Wichtig sei eine Zukunftsperspektive, für die wiederum der Wegfall der Sanktionen Voraussetzung sei.
Hoffnung für die gesamte Region
Über die Beilegung des jahrzehntelangen Konflikts über das iranische Nuklearprogramm hinaus könnte das Abkommen den Weg ebnen für die schon lange überfällige Normalisierung der Beziehungen zwischen der noch führenden Weltmacht USA und dem Iran, der gewichtigsten Macht an der Schnittstelle zwischen dem Nahen/Mittleren Osten und Zentralasien.
Das wäre Vorausetzung für die dringend erforderliche Kooperation zwischen Washington und Teheran zur Beendigung des syrischen Bürgerkrieges einerseits sowie zur Überwindung anderer schwelender Konflikte in der Region zwischen Afghanistan, der Arabischen Halbinsel und dem Mittelmeer. Selbst die Herbeiführung einer „gerechten Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt“, die der US-Präsident in seiner vorletzten großen Rede im April 2009 in Kairo versprochen hatte, wäre wieder vorstellbar.
Nur eine solche veränderte politische Dynamik böte auch Chancen für eine Schwächung des theokratischen Regimes und der Hardliner in Teheran selbst und damit auch für eine Ausweitung der Spielräume für demokratische Oppositionskräfte im Iran sowie eine Verbesserung der dort immer noch vorherrschenden katastrophalen Menschenrechtssituation.
Diese innenpolitischen Veränderungen wünschen sich – zumindest vorgeblich – auch die Kritiker der Rahmenvereinbarung. Doch die von ihnen geforderte Fortsetzung und Verschärfung von Sanktionen sowie die Drohungen mit dem Einsatz militärischer Mittel gegen den Iran würden genau das Gegenteil bewirken.
Manche Kritiker, zumal in der israelischen Regierung, erwecken jetzt den Eindruck, sie wollten sich den Hauptfeind Iran unbedingt erhalten. Denn der ist schließlich auch nützlich, um von der eigenen verheerenden Politik gegenüber den Palästinensern abzulenken. Dem Jubel der Massen in Teheran, doch auch den zufriedenen Reaktionen der westlichen Welt tut dies aber keinen Abbruch.
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