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Arbeiten auf der FlughafenbaustelleHaufenweise miese Jobs

Der Flughafen Berlin Brandenburg wird zum Hort prekärer Arbeitsverhältnisse, sagen Gewerkschafter. Das liege auch an der geplatzten Eröffnung, erwidert ein Unternehmer.

Der Flughafen ist echt noch 'ne Baustelle Bild: dpa

Der Glanz des Prestigeprojekts Hauptstadtflughafen verblasst immer mehr: Viele der am neuen Flughafen Berlin Brandenburg BER tätigen Unternehmen nutzten den geplanten Umzug, um Leiharbeit, Werkverträge und befristete Beschäftigungsverhältnisse auszudehnen, sagen Gewerkschafter. „Dieser Flughafen entwickelt sich zu einem Versuchslabor für immer prekärere Arbeitsverhältnisse in der Region“, sagte Ver.di-Sekretär Max Bitzer auf einer Konferenz am Dienstag.

Betriebsräte diverser am Flughafen tätiger Unternehmen waren zu einer Tagung zusammengekommen, um Strategien gegen die Prekarisierung zu entwickeln. Gekommen waren rund 45 Teilnehmer, obwohl Veranstalter Ver.di mit der doppelten Anzahl gerechnet hatte. „Aber wegen der BER-Verzögerungen ist die Arbeitsbelastung in Tegel dermaßen hoch, dass viele Kollegen von dort absagen mussten“, sagte der Ver.di-Fachbereichsleiter Verkehr, Jens Gröger, der taz.

Die Erfahrungsberichte der Anwesenden ähnelten sich: „Ich entdecke unter den Kollegen immer mehr neue Gesichter, die ebenso schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind“, sagte ein in Schönefeld Beschäftigter über die Sicherheitdienste an der Flughafenbaustelle.

Debatte im Parlament

Die Zukunft der Großbaustelle in Schönefeld, aus der einmal Berlins Single-Airport BER werden soll, ist am heutigen Donnerstag zentrales Thema im Abgeordnetenhaus. Dort kommt das Parlament zu seiner ersten Sitzung nach der zweieinhalbmonatigen Sommerpause zusammen. In der für 14.45 Uhr angesetzten Debatte soll sich auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) äußern, der Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft ist.

Der von der Opposition beantragte BER-Untersuchungsausschuss wird voraussichtlich nicht sofort beschlossen, sondern erst in zwei Ausschüssen diskutiert und frühestens in der nächsten Sitzung am 13. September eingesetzt.

Nicht auszuschließen ist, dass die SPD-CDU-Koalition noch die Aufsichtsratssitzung am 14. September abwartet, nach der es Klarheit über den für März geplanten Eröffnungstermin und zusätzliche Kosten geben soll. (sta)

Zum Beispiel GlobeGround

Kaum anders geht es laut ArbeitnehmervertreterInnen beim Flughafen-Dienstleister GlobeGround Berlin zu. Das Unternehmen, zu dessen Tätigkeiten das Abfertigen von Flugzeugen auf dem Vorfeld oder der Check-in gehören, stelle kaum neues Personal ein – und wenn, dann nur befristet und zu geringeren Löhnen über die eigene Leiharbeitstochter. Außerdem spalte die kürzlich vorgenommene Aufteilung des Unternehmens in rechtlich eigenständige Bereiche für Werkstatt, Passagier- und Flugzeugabfertigung die Arbeitnehmerschaft und erschwere deren Vertretung.

Anlass für diese Aufgliederung seien die neuen Strukturen und Prozessen am BER, rechtfertigte sich GlobeGround-Geschäftsführer Bernhard Alvensleben gegenüber der taz. Den Anstieg der Leiharbeiter führt er auch auf die geplatzte Eröffnung zurück: „Wir mussten unsere Planungen in Rekordzeit der Terminverschiebung anpassen und haben heute keine belastbare Planungsgrundlage, wann der neue Flughafen in Betrieb geht und wie lange der Flugbetrieb noch an zwei Standorten aufrecht erhalten werden muss.“

Leiharbeit, die die Gewerkschaften kritisieren, weil sie unbefristete, tarifgebundene Beschäftigungsverhältnisse zurückdrängt, gewinnt in der gesamten Luftverkehrsbranche an Bedeutung. Auch deshalb treten Beschäftigte der Lufthansa dieser Tage in den Streik. Eigentlich schreibt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den lediglich „vorübergehenden“ Einsatz derartiger Modelle vor. Doch bei vielen der am BER künftig operierenden Fluggesellschaften sei sie mehr und mehr die Regel, so Gewerkschafter Bitzer. Der Billigflieger Easyjet etwa habe 90 Prozent seiner Kopiloten über eine Leiharbeitsfirma angestellt.

Zudem zierten sich viele Firmen, wegen des Umzugs von Tegel nach Schönefeld mit ihrer Belegschaft über Interessenausgleiche zu verhandeln. Dabei geht es darum, dass Beschäftigte Zuschläge oder Pauschalen für Umzüge bekommen. Etliche Kollegen aus Tegel seien schon in Richtung Südosten umgezogen, so ein in Schönefeld tätiger Betriebsrat. Bis zum unabsehbaren BER-Eröffnungstermin müssen sie nun pendeln – nach Tegel.

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4 Kommentare

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  • L
    Luise

    @ Karl Gernholz

     

    Vielen Dank für den hochinteressanten Auszug aus dem Buch von Prof. Butterwege "Armut in einem reichen Land"!

     

    Zitat:

    "Die Spaltung der Arbeitswelt in reguläre sozialvericherungpflichtige Arbeitsplätze und prekären Beschäftigungsverhältnissen, erzeugt in unserer Gesellschaft ein Klima von Hass, Abgrenzung und Sozialrassismus."

     

    Solche zutreffenden Worte zu den unerträglichen sozialen und politischen Verhältnissen in Deutschland kriegt man u.a. in der mainstream-taz ja leider nicht zu lesen.

  • GA
    Gegen Ausbeutung

    "Leiharbeit, Werkverträge und befristete Beschäftigungsverhältnisse (...) Dieser Flughafen entwickelt sich zu einem Versuchslabor für immer prekärere Arbeitsverhältnisse in der Region“

     

    Ja, und was machten und machen der Spezialdemokrat Herr Wowereit, Aufsichtsratsvorsitzender und Berliner Bürgermeister und seine Politker-Kollegen als politisch Verantwortliche für den Flughafen Berlin Brandenburg, um solche Sklaven-Arbeitsverhältnisse u.a. auf Fluhäfen zu verhindern?

     

    Garnichts.

     

    Danke für die Sklavenverhältnisse. Auch der frühere Berliner Wirtschaftssenator Wolf ("Linkspartei") hat versagt.

     

    Kein Wunder. SPD und Grüne haben diese Horror-Ausbeutungs-Arbeitsverhältnisse ja erst durch ihre Agenda 2010 und Hartz-Iv-Gesetze etabliert! Für die Ausweitung der Leiharbeit, der Minijobs, der Niedrigstlöhne und der prekären Arbeitsverhältnisse können wir uns alle bei der SPD und den Grünen beadanken.

     

     

    Und die Gewerkschaften wie ver.di haben sich damals auch kaufen lassen, oder? Jedenfalls haben sie, als es darauf ankam damals nichts gegen die Agenda 2010 und Hartz IV gemacht. Und heute quatschen sie auch nur und machen nichts ernsthaft gegen die immer schlimmer werdende Ausbeutung.

     

    Dabei gefährdet diese strukturell geplante Lohndrückerei durch Leiharbeit auch die Löhne der Stammbelegschaften.

  • KG
    Karl Gernholz

    Die gespaltene Gesellschaft

     

    Seitens der Politik und der Wirtschaft, wird durch die eigenen neoliberalen Presseorgane, eine Spaltung der Gesellschaft nicht gesehen, lediglich ein auseinander driften der Einkommensverhältnisse wird eingeräumt, da die Folgen nicht mehr weg zu manipulieren sind. Die zunehmende soziale Spaltung aber wird verharmlost, schön geredet oder ganz verleugnet. Die Armut wird mit einem Regelsatz 4,37 Euro pro Tag auf engstem Raum weggesperrt. Die Betroffenen verlassen nur noch ihre Wohnverschläge, wenn es unbedingt sein muss, da der bürgerliche und mediale Sozialrassismus, der ihnen entgegengebracht wird, unerträglich ist. Der deutschen Öffentlichkeit bleiben die Folgen der Rot – Grünen Agenda Politik verborgen. Die Wahrheit wird von den mehrheitlichen Sozialrassisten zugekleistert.

     

    Der norwegische Politologe, Soziologe und Mathematiker Johan Galtung erklärt:

    „Breitet sich die Armut in einem reichen Land aus, wird ein Großteil der Bevölkerung marginalisiert, die Menschenwürde gleich massenhaft verletzt und den Betroffenen strukturelle Gewalt angetan.“

     

    Das BVerfG hat dies bestätigt, doch die Politik denkt nicht daran, Ausbeutung und Unterdrückung abzuschaffen. Anstelle der Armut werden die Armen bekämpft. Vor der Rot – Grünen Entfesselung des Raubtierkapitalismus, hatten Arme die Möglichkeit aus eigener Anstrengung heraus, sich von der Not zu befreien. Die Hartz Foltergesetze, der eingeführte Niedriglohnsektor, der Sklavenhandel durch Leiharbeit aber verhindert bewusst, jegliche Befreiung von den Ketten und Ihren Folterknechten. Die „Leistungseliten“ reproduzieren sich aus ihrem eigenen Herkunftsmilieu selber. Sie haben ihre eigenen privaten Schulen und Universitäten, die mit Steuergeldern subventioniert werden und den Armen bei der Bildung entzogen werden. Die Spaltung der Arbeitswelt in reguläre sozialvericherungpflichtige Arbeitsplätze und prekären Beschäftigungsverhältnissen, erzeugt in unserer Gesellschaft ein Klima von Hass, Abgrenzung und Sozialrassismus. Aus jeder Spalte unserer Gesellschaft, strömt das Gift ZyklonB/H4 und verhindert das freie durchatmen der Menschen. Die Angst vor dem Giftgas H4, erzeugt ein feindseliges Klima zwischen Unter- und Obermenschen. Mittlerweile werden H4 Empfänger in Deutschland erschossen und die Selbstmordraten sind dramatisch angestiegen. Die spektakulären Funde toter Säuglinge in Gefriertruhen, Kinder die vom Balkon geworfen werden, Väter oder Mütter die erst ihre Kinder und dann sich selber töten, sind in der Mehrzahl die Opfer der Agenda 2010 von Schröder, Fischer, Steinmeier, Steinbrück, Franz Müntefering, Peter Hartz und co. Verantwortlichen. Diese Leute haben Blut an ihren Händen. Um die politische Legitimation nicht zu verlieren, wird die Agenda 2010 als unabdingbar verkauft um auf einem globalen Markt bestehen zu können.

     

    Mit einer aus zeitgeschichtlichen Umständen und persönlichen Erfahrungen verständlichen Konsequenz konstatiert der jüdische Sozialphilosoph Max Horkheimer einen Zusammenhang zwischen dem Kapitalismus und der Entstehung des Faschismus: „Als eine Reaktion auf die Krise des Kapitalismus versuche der Faschismus, den Kapitalismus mit despotischen Mitteln aufrechtzuerhalten. Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“. Unkontrollierte Gewinnmaximierung und Verarmung gehen Hand in Hand. Armut kann niemals durch zunehmenden Reichtum einiger Weniger beseitigt werden, da beide systembedingte und konstitutive Bestandteile des Kapitalismus sind. Zu den größten Wirtschaftslügen unserer Zeit, gehört die gebetsmühlenartige, täglich zu hörende Aussage der Politiker und Wirtschaftsvertreter, Wachstum schafft Wohlstand für alle.

     

    Reichtum ermöglicht politische und ökonomische Macht, Armut bedeutet völlige Ohnmacht. Auch hier legitimiert die Politik und die Wirtschaft die Agenda 2010 dadurch, dass sie primär von Leistungseliten und Leistungsverweigeren, Sozialschmarotzern und Faulenzern spricht. Die versteckten und zurückgehaltenen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeigen deutlich, dass hier eine weitere Wirtschaftslüge durch die neoliberale Presse verbreitet wird.

     

    „Wer die brisante Mischung von berechtigter Empörung, ohnmächtiger Wut und blankem Hass, auf fast alle Politiker unseres Landes kennt, der kommt zu dem Schluss, dass in der BRD längst zwei Parallelgesellschaften existieren und die Brücken dazwischen endgültig abgebrochen sind.“

     

    Von Prof. Dr. Cristoph Butterwegge, Politik- und Sozialwissenschaftler, Buch: Armut in einem reichen Land.

  • GE
    genervter elch

    Verdi ist nur groß mit Worten, diese Pfeifen sollten

    endlich was gegen Leiharbeit tun als nur rumzulabern.

    DIESE SKLAVEREI GEHÖRT ENDLICH ABGESCHAFFT!!!