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AfD-Netzpolitikerin über das WWW„Das Internet ist das Universum“

AfD-Politikerin Michaela Merz behauptet, sie habe das Internet gegründet. War das aber eigentlich nicht ein Brite? Und wie genau gründet man Technik?

Verschiedene Gründungsmitglieder des Internet auf einem Betriebsausflug Bild: dpa
Interview von Anika Maldacker

taz: Auf Ihrem Wahlplakat haben Sie sich als Mitgründerin des deutschen Internet betitelt. Das WWW hat doch aber ein Brite erfunden?

Merz: Das WWW ist ja auch nicht das Internet. Ich behaupte nicht, das WWW erfunden zu haben. Das Internet gab es, bevor es WWW gab. Das ist nur ein ganz kleiner Teil des Internets.

Was? Noch mal bitte.

In der Öffentlichkeit wird WWW als das Internet wahrgenommen. Aber das Internet ist viel mehr als WWW. Wenn WWW unser Sonnensystem ist, dann ist das Internet das Universum.

Und wie haben Sie nun das deutsche Internet gegründet?

Ich beschäftige mich seit 1986 mit Computernetzen. Ende der 80er Jahre hatte ich den ersten Kontakt mit dem Internet. Damals habe ich für große Firmen die ersten Internetanbindungen geschalten. Da entwickelte sich auch der deutsche Teil des Internets. Kommerzielle Provider gab es damals noch nicht. Große Provider gab es nur im universitären Umfeld, einen an der Uni Karlsruhe und einen an der Uni Dortmund. Ich habe dann mit der Uni Karlsruhe zusammen gearbeitet um kommerzielle Anbindungen an Firmen zu verkaufen.

Aber das ist doch nicht „das Internet gründen“.

Ich habe zahlreiche netzwerktechnische Entwicklungen gemacht für HP, Siemens, IBM. Wir haben die Technologie für germany.net, einen Online-Dienst im World Wide Web, entwickelt. Wir wollten damals kein Portal machen, sondern einen echten Internet-Online-Dienst im www bauen. Das war damals eine Revolution, weil www ganz statisch war. Da konnte man nur eine Seite anschauen und das war's. Da gab es auch keine Variablen, wie „Hallo Frau Müller“. Das haben wir dann alles erfunden.

Bild: privat
Im Interview: Michaela Merz

ist 53. Bei der AfD ist sie als Mitglied im Bundesvorstand für die Netzpolitik zuständig. Sie sieht sich, sozial-liberal orientiert.

Sie ist keine Politikerin, sondern Aktivistin, die sich seit

20 Jahren für Bürgerrechte, besonders im digitalen Umfeld engagiert.

Sie steht auf keiner Liste und will auch nicht gewählt werden. Sie ist Unternehmerin und bastelt gerade an einem Programm gegen Datenspionage.

Wir haben uns gesagt, dass wir Deutschland ins Internet bringen wollen, indem wir es kostenlos machen. Wir haben also eine ganze Menge Technologien entwickelt, die zum Maßstab geworden sind. Wir haben das erste Reise-Buchungssystem zusammen mit der Deutschen Bahn entwickelt. Was heute ganz selbstverständlich ist, haben mein Mann Rüdiger und ich damals entwickelt. Wir sind beide Hacker der ersten Generation.

Die Formulierung auf Ihrem Plakat ist vielleicht ein wenig unglücklich gewählt und hört sich etwas zu hochtrabend an.

Wenn man sich anschaut, was ich gemacht habe nicht. Ich habe Anfang der 90er die Free Software Association of Germany gegründet, wo wir versucht haben freie Software in Deutschland zu vermarkten. Ich hab Linux mitentwickelt. Ich hab die erste Voice over IP, sprich die erste Internet-Telefonie-Software für Linux und Windows geschrieben. Das waren die Ǵrundlagen für Skype. Ich finde das nicht hochtrabend. Ich finde das angemessen.

Was ist eigentlich das „deutsche Internet“? Ist das Internet nicht frei von Landesgrenzen?

Nein. Es gibt politisch und rechtlich durchaus einen deutschen Teil des Internets, in dem deutsche Gesetze gelten. Natürlich versuchen die Länder ihre Gesetze auf den von ihnen beeinflussbaren Teil des Internets anzuwenden. Eisenbahnschienen verbinden ja auch weltweit, aber es gibt trotzdem einen deutschen Teil der Eisenbahn. Ich meine damit natürlich nicht das deutsche Internet, sondern den deutschen Teil, der in Deutschland gehostet wird, der von deutschen Gesetzen beeinflusst wird und den Deutsche mit aufgebaut haben.

Kann man das Internet überhaupt „gründen“?

Gute Frage, aber wie soll man es nennen, wenn man etwas in Deutschland einführen will? Ich habe nach einem Wort gesucht, aber mir fiel nichts besseres ein. Internet-Aktivistinnen gibt es in Deutschland viele Selbsterklärte. Davon wollte mich abheben. Ich gehöre zur aussterbenden Rasse derer, die noch wissen, wie es ohne Internet war. Ich hab dabei geholfen, dass das Internet auch in Deutschland einen Stellenwert erhält.

Ihr Plakat hat im Internet und in den Medien für einige Späße gesorgt und zur Diskussion angeregt.

Das fand ich witzig. Ich stehe absolut zu dem, was ich gesagt habe. Ich kokettiere natürlich ein wenig mit dem Begriff. Er ist nicht falsch. Ich kann es belegen und ich sehe mich in der Rolle einer Mitbegründerin. Auf der anderen Seite waren die Reaktionen nicht ganz unerwartet.

Dann steckt dahinter schon ein wenig Provokation?

Ja, wir sind im Wahlkampf. Der lebt davon, dass man die eine oder andere Stelle ein wenig unterstreicht, aber dadurch wird es nicht unwahr. Mir war völlig klar, dass in Deutschland jemand, der so etwas behauptet ins Fadenkreuz kommt. Wir wissen doch alle, dass die AfD ein kleines Kommunikationsproblem hat. Über die Partei wird nicht viel und nicht positiv berichtet. Ich habe mich gefragt, wie ich die Diskussion ein wenig von der Euro-Debatte wegführen kann.

Interessant ist auch, dass der Spruch auf dem Plakat („Ich wollte nur daran erinnern, dass die ausländischen Dienste keine Sommerpause machen und weiter deutsche Bürger und Unternehmen ausspionieren. Auch jetzt in diesem Moment.“) gar nicht berücksichtigt wird. Dabei dürfen wir nicht aufhören darüber zu reden. Die Kanzlerin ist in Urlaub. Eine Frechheit. Als Mitbegründerin des Internets macht mich das unglaublich sauer.

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11 Kommentare

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  • P
    Pestopolis

    Wer das falsche Perfekt "geschalten" genutzt, kann meinetwegen bei der Alternative für Oberösterreich arbeiten, aber in Deutschland heißt es noch immer "geschaltet". Oder steht steht das "Alternative" auch für alternative Formen der Rechtschreibung?

  • M
    Mäuserich

    Nennt man das Stutenbissigkeit?

     

    Oder hatte Frau Maldacker

     

    einen sehr schlechten Tag erwischt?

     

    Intoleranz inklusive innervierter Ignoranz

     

    intonieren interneurale

     

    Informationsideale in

     

    inkonsistenten Interferenzen

     

    informationaler Ideopathien

     

    innerhalb ideologischer Idiotien.

     

    Oder kurz zur Frau Schnurz:

     

    Seien Sie doch auch mal tolerant!

  • "erfunden" ... wie schon gesagt wurde das Internet schon lange vor ihr von der DARPA "erfunden" und das Web am Cern.

     

    Kann sein, dass sie zu den Internet-PionierInnen in Deutschland gehört - wie einige hundert andere auch, die die ersten deutschen Angebote im Web gestaltet haben - den Spott und Hohn, den sie mit dieser Äusserung auf sich zieht, hat sie aber sicher verdient - so verbohrt wie sie sich im Interview gibt.

  • Ich hab das schöne Wetter erfunden. Aber echt.

  • F
    Festplatte

    Sommerloch bei der TAZ!

     

     

     

    Die TAZ befragt eine AfD Politikerin...

     

     

     

    Die TAZ stellte aber die falschen Fragen!

     

     

     

    Hauptsache der AfD einen auswischen...

     

     

     

    Das ging aber voll daneben, liebe TAZ!

  • S
    Somaro

    Ist doch echt nicht zu fassen...

     

    Die Frau welche sich da als Erfinderin eines (deutschen?) Internets profiliert, verwechselt in ihren aussagen selbst Internet und WWW.

     

     

     

    Nochmal für alle: Das Internet als Netzwerk von Computern wurde von der DARPA als Behörde des Pentagon entwickelt. Das World wide Web ist ein System zum abrufen von Dokumenten und wurde wie das HTTP Protokoll am CERN in der Schweiz erfunden.

     

     

     

    Ein paar unternehmen als Internet anzubinden dn ein paar Websites mit aufzubauen.... Sagen wir so, die Frau beweist gerade mal wieder eindrucksvoll dass die AfD in keinster Weise wovon sie redet.

  • O
    Ole-Lakshmi

    Jederfrau weiß das Al Gore uns das Internet Anfang der 90er gegeben hat und er kann es jederzeit wieder wegnehmen.

     

     

     

    http://www.youtube.com/watch?v=BnFJ8cHAlco

     

     

     

     

     

    Genauso hat er die Church of AGW gegründet und auch eine dazugehörige Börse für den Handel mit CO2-Ablässen.

    • @Ole-Lakshmi:

      LOL

       

      Aber in Deutschland gründet Angela gerade das Internet. Sie hat Neuland betreten und erkundet es gerade.

  • D
    D.J.

    Gestern ein wohlwollendes Interview mit einem linksradikalen "Menschenrechts"Anwalt, H.-E. Schultz, der unter anderem das Tragen von Hamas-Fahnen bei Anti-Israel-Demos gutheißt (was im Interview freilich nicht thematisiert wurde), heute ein herablassendes Interview mit einem AfD-Mitglied. Kann man machen, sicher, ist aber kein sachlicher Journalismus. Einfach mal die Maßstäbe reflektieren (sorry, wenn ich immer noch auf dem Schultz rumkaue, aber dieser Typ ist einfach nur - O.K., die Nettiquette).

  • JI
    JK Inc

    Ah, ja... und ich hab Facebook erfunden... 2001 eine Homepage für meine Klasse gebastelt, auf der man ein Profil anlegen konnte, Fotos hochladen, Hausarbeiten austauschen, Veranstaltungen bewerben, natürlich mit Kommentarfunktion...

     

     

     

    Ps: Karl Koch dreht sich grade im Grabe um. Das Internet hat übrigens die DAPRA/ARPA erfunden - das WWW ist ein Protokol, und die erfindet man nicht, die schreibt man.

    • @JK Inc:

      HTTP ist das Protokoll, WWW war die Subdomain ("3rd-level-label"), über die i.a. der HTTP-Server der Domain erreichbar war/ist. Als sich mit der Zeit der HTTP-Dienst zum meistgenutzten entwickelte, verlor das 3rd-level-label WWW (http://www.taz.de) an Bedeutung. Heutzutage sind die meisten HTTP-Dienste über das 2nd-level-label erreichbar (http://taz.de).