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Heiner Flassbeck zur Finanzkrise"Wir sind in einer dramatischen Lage"

Auch die Europäische Zentralbank muss die Geldpresse anwerfen, sagt Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz. Eine Inflation drohe aber nicht.

"Dollar und Euro werden stark bleiben, denn es gibt keine Alternativen." Bild: ap
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Flassbeck, die USA werfen jetzt die Geldpresse an, indem die US-Notenbank Fed Staatsanleihen aufkauft. Ist das eine Verzweiflungstat?

Heiner Flassbeck: Wir sind in einer extrem dramatischen Lage - und das hat die Fed begriffen. Der Staat muss Geld ins System pumpen, weil alle anderen Akteure überschuldet sind. Sonst droht die gefährlichste Spirale nach unten, die die Ökonomie kennt: die Schuldendeflation.

Das ist ein sehr technischer Begriff. Was bedeutet er ins Alltagsdeutsch übersetzt?

Erst haben Banken und Fonds mit fremden Geld darauf spekuliert, dass Aktien, Währungen, Rohstoffe und Häuser ständig teurer werden. Diese Kasino-Wette ist zusammengebrochen - und nun müssen die Schulden so schnell wie möglich wieder abgebaut werden. Also versucht jeder, die eigenen Kosten senken und Wertpapiere oder andere Vermögensteile abzustoßen. Weil das aber alle machen, sinken die Preise immer weiter und die Krise verschärft sich.

Und das bedeutet?

Immer mehr Beschäftigte werden entlassen, immer mehr Betriebe schließen. Es gibt keine Selbstheilung des Systems. Die Marktwirtschaft ist instabil. Diese alte Botschaft des Keynesianismus ist so aktuell wie nie. Es ist wie im Sumpf: Wenn man versackt und mit den Beinen strampelt, dann geht man noch schneller unter. Gerettet werden kann man nur von außen und das bedeutet: vom Staat.

Soll die Europäische Zentralbank also auch anfangen, Geld zu drucken und Staatsanleihen aufkaufen?

Ihr wird am Ende gar nichts anderes übrig bleiben. Die Krise verschärft sich derart, dass es nicht ausreichen wird, die Leitzinsen auf null zu senken.

Bild: taz
Im Interview: 

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USA- UND EU-GELDPOLITIK

US-Notenbank: Fed-Chef Ben Bernanke hat verkündet, dass die Zentralbank nun auch Staatsanleihen ankaufen werde. Dafür sind 300 Milliarden Dollar vorgesehen. Dieser Schritt war schon länger angekündigt. Insgesamt werden mehr als eine Billion Dollar in den Wirtschaftskreislauf gepumpt. Denn um weitere 750 Milliarden Dollar stockte die Fed nun auch ihr Programm auf, mit dem sie den Banken weitgehend wertlose Hypothekenpapiere abkauft. Das bedeutet fast eine Verdopplung des Programms.

Europäische Zentralbank: Da der Leitzins in der Euro-Zone mit 1,5 Prozent im Vergleich zu den USA relativ weit von der Null-Linie entfernt ist, ist die EZB noch nicht unter so hohem Druck wie andere Notenbanken, sich nach Alternativen zur Leitzinssenkung umzusehen. Nach dem Coup der Fed erwarten Analysten in den kommenden Monaten einen Schwenk in Richtung einer alternativen Geldpolitik. Die Notenbankchefs Deutschlands und Frankreichs, Axel Weber und Christian Noyer, haben erklärt, die EZB prüfe den Ankauf von Unternehmensanleihen. Ungleich schwerer tut sich die EZB beim Ankauf von Staatsanleihen: Die direkte Staatsfinanzierung ist ihr verboten.

Wollen Sie nicht auch mal wetten: Wann wird die EZB ihren Widerstand aufgeben?

Ich wette da nicht mit. Aber lange kann es nicht dauern. Sie müssen sich doch nur die Auftragseingänge bei der Industrie ansehen, um zu erkennen, dass alle Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung zu optimistisch sind.

Sie nennen es optimistisch, wenn jetzt im Durchschnitt prognostiziert wird, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um minus 4 Prozent schrumpft?

Die Auftragseingänge liegen jetzt sogar niedriger als im Jahr 2000. Vom letzten Aufschwung ist also alles weg.

Die US-Notenbank kauft Staatspapiere für rund 300 Milliarden Dollar. Sollte die EZB auch ähnliche Summen investieren?

Ja, denn die US-Wirtschaft ist ähnlich groß wie die europäische. Aber wie man die EZB kennt, werden ihre Maßnahmen wieder zu klein ausfallen.

Ist denn die Sorge von Finanzminister Peer Steinbrück nicht berechtigt, dass eine Inflation drohen könnte, wenn man zu viel Geld druckt?

Die Industrie ist nur noch zu 70 Prozent ausgelastet. Da fällt doch keine Inflation vom Himmel! Stattdessen ist das Gegenteil zu beobachten. Überall werden Rabatte gegeben, die Löhne geraten unter Druck und die Preissteigerung nähert sich der Null.

Trotzdem: Wird der Dollar nicht zur instabilen Weichwährung, wenn immer mehr Geld im Umlauf ist?

Dollar und Euro werden stark bleiben, denn für die Anleger gibt es keine Alternativen. Man kann das Geld ja nicht auf dem Mars oder der Venus investieren. Im Zweifel bleibt nur der Staat. So bekommt Japan immer noch viel Geld, obwohl die Zinsen dort seit Jahren fast bei null sind und die Staatsverschuldung Rekordniveau erreicht hat.

Was ist also Ihr Tipp für den ratlosen Kleinsparer?

Er sollte ruhig Staatsanleihen kaufen. Da hat er eine reale Rendite von 2 bis 2,5 Prozent. Mehr kann man gar nicht bekommen, wie die Finanzkrise ja jetzt zeigt: Höhere Renditen sind Zockerei.

Anfang April treffen sich die G-20-Staaten zum Weltfinanzgipfel. Was erwarten Sie?

Keiner der kritischen Punkte steht auf der Tagesordnung - denn es geht nur um bessere Überwachung der Finanzmärkte. Dabei müssten die Banken drastisch schrumpfen. Ein großer Teil des Investmentbanking wird schlicht nicht gebraucht und ist nur gefährlich. Es ist wirklich irre: Bei Opel sind sich alle einig, dass der Konzern einen Strukturwandel vollziehen muss, um effizienter und ökologischer zu werden. Aber bei den Banken redet niemand von einem Strukturwandel.

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4 Kommentare

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  • FD
    F. D.

    Die Geldpolitik sollte ausschließlich für die Geldwertstabilität verantwortlich sein und sonst nichts. Leider ist dies immer noch nicht verstanden worden. Die jetzige Wirtschaftkrise ist eine Verschuldungskrise, hervorgerufen durch eine unkontrollierte Kreditexpansion. Die Ursache dieser Kreditexpansion beruht auf der Fähigkeit der Geldschöpfung durch die Geschäftbanken. Genau hier setzt das Vollgeld nach Prof. Huber an. Ohne die Verschuldungsorgie hätten wir die jetzigen Probleme nicht. Man sollte daher auf keinen Fall die Probleme mit der Notenpresse lösen wollen. Wenn die Produktion jetzt einbricht, so bedeutet dies schlicht ein Fehlen von Nachfrage. Um den Hang zur Liquidität zu beseitigen braucht jedoch nicht, wie Ludwig Paul Häußner glaubt, die Inflation gesteigert zu werden. Es bedarf eines Anreizes das Geld auszugeben. Die Abwrackprämie zeigt hier in die richtige Richtung. Wer eigens Geld ausgibt bekommt von Staat einen Zuschuss. Diesen Zuschuss muss der Staat durch STEUERN finanziert werden. Die Abwrackprämie wird durch die Mehrwertsteuer beim Kauf eines Neuwagens finanziert. Ein Konjunkturprogramm kann somit auch ohne Verschuldung finanziert werden.

     

    Vollgeld nach Prof. Huber

    http://www.soziologie.uni-halle.de/publikationen/pdf/0405.pdf

  • TA
    Thomas Adler

    Irrtum, neues Geld ist keine Schuld. Eine Erhöhung der Geldmenge senkt den Wert des Geldes und somit auch den Wert der Schulden. Und wie sagte schon Helmut Schmidt: "Mir sind 5% Inflation lieber als 5% Arbeitslosigkeit."

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Raus aus dem Vorhof einer verheerenden Deflation!

     

    Ich kann Herrn Flassbecks Äußerungen im Großen und Ganzen zustimmen. Doch ausgehend von der Fisherschen Verkehrsgleichung gibt es Möglichkeiten die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise durch eine Geld-, Steuer- und Bodenreform zu überwinden:

     

    G X U = H x P (Fishersche Verkehrsgleichung):

     

    G = Geldmenge, U = Umlaufgeschindigkeit des Geldes, H = Handelsvolumen und P = Preisniveau.

     

    Annahme 1 (Ausgangslage): G = 5 und U = 4 - so muss das Produkt aus H x P = 20 sein.

     

    Annahme 2 (derzeitige Lage): G = 6 und U = 3 - so muss das Produkt aus H x P = 18 sein.

     

    Tja und dann sind wir in der DEFLATION. Die Null-Zinspolitik der Notenbanken versagt - auch weil der Hang zu Liquidität (Keynes) zunimmt - was sich im Sinken von U und damit in sinkender Nachfrage, nicht ausgelasteten Produktionskapazitäten und einer sprunghaft steigenden Arbeitslosigkeit ausdrückt.

     

    Wir leiden Not bei gefüllten Warenregalen und nicht ausgelasteten Fabriken!

     

    Und hier setzt STAMP SCRIPT des schon verstorbenen US-Nationalökonomen, Irving Fisher, an. Alle kurzfristigen Bankeinlagen bis zu vier Jahren Laufzeit werden von den Notenbanken mit einer Umlaufsicherungsgebühr belegt. Das Geldregal ist wieder zu 100% bei den Notenbanken. Ein aktueller Vorschlag zum Gedregal ist der von Prof. Joseph Huber: VOLLGELD.

     

    Die Zentralbankgewinne aus der Umlaufsicherungsgebühr erhält der jeweilige Staat bzw. dessen Finanzminister oder - ganz innovativ - jederR BürgerIn in Form eines "Zentralbankbonus" über seine/ihre persönliche Steuernummer ausgezahlt. Damit ist auch eine gleichmäßigere Einkommensverteilung verbunden!

     

    Die Initialzündung kommt durch eine schrittweise höhere MwSt von derzeit 19%, auf 21%, 23% bis hin zu den EU-konformen 25%. Damit werden Inflationserwartungen induziert und so die U erhöht - und folglich ein größeres Handelsvolumen realisiert. Auch die MwSt-Mehreinnahmen könnten als MwSt-Bonus pro BürgerIn über die Steueridentifikationsnummer rückvergütet werden.

     

    Von Fisher zu Keynes: Um den Hang zur Liquidität entgegenzuwirken muss ein langfristiges Inflationsziel von 5 - 4 % von den Zentralbanken ausgerufen werden - als Sicherheitsabstand zur Deflation!!!

     

    Flankierend wäre eine reine Bodenwertsteuer, statt der verfassungswidrigen Grundsteuer, einzuführen, die die Spekulationsgewinne auf Bodenwertsteigerungen - bedingt durch niedrige Zinssätze - zu 100% besteuern würde. In der unheiligen Allianz von Boden und dessen Kreditierbarkeit durch Hypothekendarlehen liegt der tiefere Grund für die Immoblienblase - wie Immobilienkrise.

     

    Beispiel: Bei einer jährlichen Zinslast von 10.000 Euro bei einem Zinssatz von 5% kann man 200.000,-- Euro an Darlehenssumme erhalten.

     

    Bei gleicher Belastung und einem Zinssatz von 2,5% kann man ein Darlehen in Höhe von 400.000,-- Euro erhalten. In der Kapitalisierbarkeit des Bodens liegt der wahre Grund für die Scheinwerte der Immobilien. Steigen die Zinsen wieder, dann sind die Hypothenschuldner nicht mehr in der Lage die dann höheren Zinsen zu tragen. Im Gegenzug müssen die Immobilienwerte fallen - und die Banken müssen diese Schein-Werte abschreiben und machen dadurch Verluste oder gehen ganz Pleite.

     

    Auch die Staatseinnahmen aus einer reinen Bodenwertsteuer können pro BürgerIn über die Steueridentnummer rückvergütet werden.

     

    Neues Denken ist also gefragt, um eine nachaltige Konjunktur zu gewährleisten.

     

    Ludwig Paul Häußner, Universität Karlsruhe (TH) - IEP

  • DM
    Dummheit muss bestraft werden

    Das ist eines der allerbesten Besipiele für die Dummheit der Gesellschaft. Gibt es eine Steigerung von Dumm? Ich glaube nicht.

    Die Mehrheit ist bis zum Hals verschuldet. Und was soll dagegen getan werden? Eien noch größere Verschuldung, denn die Geldpreesse druckt ja kein gedl als Geschenk. Jeder Schein ist eine Schuld, der zurückgezahlt werden muss. Und nicht nur dieser Schein, sondern auch seine Zinsen!

    Jede Geldspritze wäre nur ein kurzes Aufatmen mit einem darauf folgendem noch tieferen Absturz.

     

    Was ist aus dem Mensch geworden? Sagt man ihm nicht Intelligenz und logisches Denken zu? Müßten wir unsere Politiker und die vielen Ökonomen nicht auslachen wegen dieser totalen Gedankenpleite?