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Mehr Daten via Swift an USA übertragenKonten noch tiefer durchleuchtet

US-Terrorfahnder haben tiefere Einblicke in die Kontodaten von Europäern als bislang erwartet. Knackpunkt ist das System "Swift Fin", über das die Fahnder auf mehr Daten zugreifen können.

Tiefer Blick ins Konto: Das kann Swift. Bild: dpa

HAMBURG/BERLIN/FRANKFURT/BRÜSSEL dpa/taz | Das transatlantische Bankdatenabkommen Swift gewährt nach einem Medienbericht US-Terrorfahndern tiefere Einblicke in die Finanzen tausender Europäer als bekannt. Wie die EU-Kommission laut Financial Times Deutschland (Dienstagsausgabe) einräumte, können die USA auf Daten von innereuropäischen und sogar von innerdeutschen Überweisungen zugreifen. Und zwar, wenn sie über das System Swiftnet Fin des Transaktions-Dienstleisters Swift erfolgt sind. Die genaue Zahl der von einer Weiterleitung betroffenen Überweisungen blieb vorerst unklar.

Swift, für weltweite Transaktionen Quasi-Monopolist, hat im Jahr 2010 monatlich 200 Millionen Transaktionen in der Region Europa/Naher Osten/Afrika über Swiftnet Fin abgewickelt. Für innereuropäische Transaktionen ist eigentlich das System des 2008 eingeführten einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums (Sepa) vorgesehen. Wenn diese Daten nicht über Swift laufen, sondern über Sepa, würden sie auch nicht an die USA übertragen.

Jedoch haben nicht alle Banken Sepa eingeführt und setzen weiterhin auf den Dienstleister Swift. Für die Nicht-Einführung des Sepa-Systems sind auch organisatorisch-technische Gründe verantwortlich: Absender- und Empfängerbank müssten den Sepa-Standard einführen. Kleinere Institute und Sparkassen tun sich aber schwer mit der komplexen und teuren Umstellung, die laut EU bis 2013 erfolgen soll. So konnte es passieren, dass auch Daten von innereuropäischen und sogar von innerdeutschen Überweisungen, die eigentlich durch den europäischen Zahlungsverkehrsraum Sepa geschützt sein sollten, an die USA übertragen wurden.

Nicht nur die EU-Kommission räumte die Datenpanne ein, auch ein Sprecher des Finanzdienstleisters Swift selbst bestätigte den Bericht der FTD. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte erklärt, innereuropäische Überweisungen würden vom Swift-Abkommen generell nicht erfasst.

Jan Korte von der Fraktion der "Linken" im Bundestag erklärte am Dienstag, entweder hätten EU-Kommission und Bundesinnenminister de Maizière die Parlamente bewusst irregeführt oder sie hätten keinen blassen Schimmer von dem, was sie tun. "Beides muss Konsequenzen haben", forderte Korte. Das Swift-Abkommen müsse nun endgültig vom Tisch. Es verletze "nicht nur das informationelle Selbstbestimmungsrecht, sondern kam überhaupt nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zustande", so der Innenpolitiker am Dienstag.

"Es geht ja nicht nur um Swift," wendet Jan Philipp Albrecht, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament, auf taz.de-Nachfrage ein. Man brauche grundsätzliche Regeln für die Weitergabe persönlicher Daten. Albrecht bezeifelte, dass "Daten-Wildwuchs" wie Swift sowie zum Beispiel auch das Passagierdatenabkommen mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar seien und verweist hierbei auf das Marper-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das eine "Ermittlung ins Blaue hinein" ausgeschlossen hätte. Genau eine solche Art der Ermittlung sei der Zugriff auf die Swift-Daten aber: Große Datenmengen würden verdachtsunabhängig übertragen."Swift ist wie die Vorratsdatenspeicherung", vergleicht Albrecht.

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8 Kommentare

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  • W
    Widersinnig

    @ArthurKing

     

    Wir sind eben leider nur eine (Arbeits-)Kolonie der US-Banken.

    Durch die Kriege hat Amerika nicht nur vollständige Kontrolle über Deutschland, sondern eben auch über ganz Europa erlangen können, denn England und Frankreich haben sich zur Kriegsfinanzierung bei US-Banken extrem verschulden müssen.

    Die Schweiz hat man sich in den 1990ern mit Drohungen und Erpressung gefügig gemacht.

     

    Ist es da ein Wunder, dass alle europäischen Politiker spuren, wenn Uncle Sam befiehlt? Sie können doch nicht anders als gehorchen. Für ungehorsame Völker sind dann Einsätze vorgesehen, die im nachhinein dann imaginären "islamistischen Terroristen" in die Schuhe geschoben werden.

     

    Nene, da pariert man doch lieber, bevor ein paar Bürger in die Luft gesprengt werden.

  • AK
    Arthur King

    Die Schweiz wurde massiv unter Druck gesetzt (UBS Affäre) um das Swift-Abkommen beizutreten (und hat es dann auch gemacht) denn Swift hatte zuvor ihre neue Rechenzentrale in der Schweiz gebaut - gerade weil die Schweiz nicht mitmachte mit dem Daten"austausch"-Abkommen der EU mit den USA.

     

    Meines Erachtens eignen sich diese Daten zur Wirtschaftsspionage. Es ist ein Zeichen dass unsere Staatsform eine Scheindemokratie ist.

     

    Ich bin mal gespannt ob diese Reaktion publiziert wird....

  • JJ
    Jared J. Myers

    War nicht der offizielle Grund der Einsichtnahme der US-Behörden in SWIFT-Datensätze die Terrorbekämpfung?

     

    Steht den Terroristen (und "Terroristen"), speziell wenn sie aus dem Vorderen Orient stammen, nicht ein viel effizienteres vertrauliches Überweisungssystem zur Verfügung?

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hawala

     

    Läge dann nicht der Schluss nahe, die US-Behörden wollten mit Hilfe des EU-SWIFT-Abkommens zur Datenweitergabe ganz andere Informationen absaugen - welche, die mit Terrorismus rein gar nichts zu tun haben, aber z.B. mit Aktienkäufen, Spenden für Organisationen und Netzwerke, bestimmte Einkäufe...

     

    Müsste dann nicht zum Schutz der Privatsphäre und der eigenen Wirtschaft die Datenübermittlung sofort gestoppt und das Abkommen gekündigt werden? - Oder sollten wir lieber selber ein Avalkredit-System aufbauen, das SWIFT umgeht?

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    @Tony Katz: Und wie prüft der Staat ob du Bürger oder Unternehmer bist?

  • TK
    Tony Katz

    Ich erinnere an die Wikileaks Berichte vom Berliner Konsul wo dieser berichtete, daß unsere grundgesetzwidrige Frau Merkel sich richtig ärgerte, daß einzelne Abgeordnete aus den Reihen der Regierungskoalition dieses Swift USA-Schnüffelgesetz nicht einfach abnicken wollten.

    Es erscheint kaum vorstellbar, aber ein Schnüffelstopp wäre dann ganz einfach ohne Probleme umzusetzen, wenn der Staat keine Steuern mehr VOM BÜRGER nehmen würde (von Unternehmen schon...), wie das geht zeigt das bandbreitenmodell.de zum Thema Netzpolitik gibt es auch eine Partei die konsequenter noch als die Piraten ist: http://www.ddp-partei.de/netzpolitik

  • Q
    Querulant

    Wer hätte es gedacht... wenn Europa den Amis weiterhin so in den Arschkriechen wird das nichts mehr mit dem vereinten Europa...

  • B
    Bürger

    Absolut niemanden geht es etwas an wieviel und vorallem in welchen Ländern ich Geld auf Konten haben. Schade das keine Partei mehr für ein Bankgeheimnis ist :(

  • W
    Witzbold

    Die Amis werden sich schön wundern was in deutschen Behörden für Orgien gefeiert werden da ich in den Betreff von meinen Strafzettelüberweisungen immer "sexuelle Gefälligkeiten" schreibe.