Pleite für Verfassungsschutz: Journalist stoppt Überwachung
Der Verfassungsschutz darf einen freien Journalisten, den er als linksextrem eingestuft hatte, nicht mehr observieren. Verdächtig machte ihn auch ein Aufruf zum Ostermarsch.
BERLIN taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) darf den Journalisten Friedrich Burschel nicht mehr observieren lassen. Es kassierte in dieser Woche nun die zweite juristische Niederlage gegen den von ihnen als linksextrem eingestuften Burschel.
Ein Negativvotum des Verfassungsschutzes hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G-8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS rechtswidrig gehandelt hatte. Dieselbe Kammer empfahl jetzt dem Amt, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Dieses nahm den Vorschlag an.
Gegenüber der taz äußerte sich Burschel erleichtert über den juristischen Erfolg. "Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel "linksextrem" eingebüßt, erklärte der Publizist.
Die Aufmerksamkeit der Verfassungsschützer erregte Burschel mit einem Artikel, in dem er sich kritisch mit der Kronzeugenregelung im Verfahren um die Revolutionären Zellen auseinandersetzte. In Burschels Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus verschiedenen Zeitschriften auch zahlreiche Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar und einer Antifademonstration in Gera.
"Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen ,Linksextremisten' fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen", kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Damit könne auch für andere Personen, die von einem amtlichen "Linksextremismus"-Vorwurf betroffen sind, ein Anreiz geschaffen werden, dagegen juristisch vorzugehen.
Leser*innenkommentare
Gilbert Kallenborn
Gast
Ein sehr interessanter Bericht.Er wäre noch effektiver,würde er das Aktenzeichen des Beschlusses mitteilen,damit man dieses in Kopie beizehen kann,das ist recht teuer und auch nicht einfach,der direkte Bezug vom Gericht.Die müssen private Daten schwärzen.
Warum also wird so eine wichige Sache nicht irgedwo
eingestellt,wo man sie downloaden kann?
Es handelt sich ein Grundsatzurteil Journalismus und Politik,den Gradmesser Nr. 1 der Demokratie selber.
Also macht ein Download möglich.Schalom.
Amos
Gast
Wer bricht den hier in diesem Land fortwährend die Verfassung!? Das sind doch wohl nicht die Linken! Der Verfassungsschutz macht sich zusehends zum Affen der Bourgeoisie.
Stimmvieh
Gast
Der Verfassungsschutz täte gut daran, anstatt vermeintlicher Linksextremisten mal die verschiedenen Parteien bzw. deren Abgeordnete zu beobachten, die in den letzten Jahren die diversen Gesetze verabschiedet haben, die anschließend vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurden. Die haben nämlich bereits bewiesen, dass sie es mit dem Grundgesetz nicht so ernst nehmen.
Celsus
Gast
Das Urteil zu Gunsten des Journalisten ist sehr zu begrüßen - auch wenn es wegen der absoluten personellen Unterausstattung der Gerichte lange gedauert hat. Und in der Zeit wirkte sich die Entscheidung zu Lasten des Journalisten wie eine Zensur aus, was der Verfassungschutzbehörde bewusst sein muss. Es ist ein Missbrauch des Verfassugnsschutzes als innenpolitisches Kampfmittel.
Tedi
Gast
Und mit welchen Konsequenzen sollten jetzt die verantwortlichen Beamten rechnen ?
Sloman Tenze
Gast
Wie die sich ständig wiederholenden Korruptionsskandale bei den politischen Parteien zeigen, muß der Verfassungsschutz die CDU (Hessen, Rheinland-Pfalz, Bremen, Hamburg) observieren. Bei der CDU als Regierungspartei ist offensichtlich das höchste Kriminalitätspotential. Das Loyalitätsverständnis von CDU-Politikern ("Bimbes-Connection") ist unterwertig entwickelt und bedarf dringend der Amtsaufsicht.
Außerdem muß man natürlich auch mal nach der Verfassungstreue der Verfassungsschützer selbst fragen. Eine einseitigere Handhabung als derzeit, in der das rechtsautoritäre Spektrum nur verharmlosend erwähnt wird, und studentische Spitzel nur im linksstudentischen Vorfeld eingesetzt werden, ist gar nicht denkbar.
Warum gibt es für den BFV immer noch keine funktionierende Amtsaufsicht, wenn nicht aus politischem Kalkül ?
zizero
Gast
Was regt man sich hierzulande eigentlich noch über das neue Mediengesetz in Ungarn auf? Die machen wenigstens Nägel mit Köpfen, um unliebsame Journalisten zu bremsen. Bei uns reicht schon ein kritischer Artikel, damit die Schlapphüte was zu spionieren haben. Von Selbstzensur in vorauseilendem Gehorsam ganz zu schweigen.